hören gewiß lieber draußen im Freien davon. Ich räume derweilen hier auf und komme nachher --"
"Mit meinem Strickzeug," schloß Heinrich Schau- mann den herzigen Rath und Vorschlag ab.
Er nahm seine Cigarrenkiste unter den Arm, ich bot ihm wieder den meinen; die Frau trug ein brennendes Licht in die stille Sommerluft hinaus, und so saßen wir noch einmal unter den Linden, und ich wehrte eine letzte Tasse Kaffee ab, und -- jetzt könnte ich Jeden fragen, ob's nicht merkwürdig sei, auf einem Schiffe, auf dem sogenannten hohen Meer, auf der Rückreise in das ödeste, langgedehnteste wenn auch nahrhafteste Fremdenleben so von dem sogenannten heimischen, vaterländischen Philisterleben zu schreiben? . . .
"Ja, ja, Eduard," sagte Stopfkuchen, "gehe heraus aus dem Kasten! Einige werden in die Welt hinausgeschickt, um ein König- oder Kaiserreich zu stiften, Andere um ein Rittergut am Kap der guten Hoffnung zu erobern, und wieder Andere blos um ein kleines Bauernmädchen mit unterdrückten Anlagen zur Behaglichkeit und einem armen Teufel von ge- plagtem, halb verrückt gemachtem Papa einzufangen und es mit Henriette Davidis Kochbuche und mit
hören gewiß lieber draußen im Freien davon. Ich räume derweilen hier auf und komme nachher —“
„Mit meinem Strickzeug,“ ſchloß Heinrich Schau- mann den herzigen Rath und Vorſchlag ab.
Er nahm ſeine Cigarrenkiſte unter den Arm, ich bot ihm wieder den meinen; die Frau trug ein brennendes Licht in die ſtille Sommerluft hinaus, und ſo ſaßen wir noch einmal unter den Linden, und ich wehrte eine letzte Taſſe Kaffee ab, und — jetzt könnte ich Jeden fragen, ob's nicht merkwürdig ſei, auf einem Schiffe, auf dem ſogenannten hohen Meer, auf der Rückreiſe in das ödeſte, langgedehnteſte wenn auch nahrhafteſte Fremdenleben ſo von dem ſogenannten heimiſchen, vaterländiſchen Philiſterleben zu ſchreiben? . . .
„Ja, ja, Eduard,“ ſagte Stopfkuchen, „gehe heraus aus dem Kaſten! Einige werden in die Welt hinausgeſchickt, um ein König- oder Kaiſerreich zu ſtiften, Andere um ein Rittergut am Kap der guten Hoffnung zu erobern, und wieder Andere blos um ein kleines Bauernmädchen mit unterdrückten Anlagen zur Behaglichkeit und einem armen Teufel von ge- plagtem, halb verrückt gemachtem Papa einzufangen und es mit Henriette Davidis Kochbuche und mit
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hören gewiß lieber draußen im Freien davon. Ich
räume derweilen hier auf und komme nachher —“
„Mit meinem Strickzeug,“ ſchloß Heinrich Schau-
mann den herzigen Rath und Vorſchlag ab.
Er nahm ſeine Cigarrenkiſte unter den Arm,
ich bot ihm wieder den meinen; die Frau trug ein
brennendes Licht in die ſtille Sommerluft hinaus,
und ſo ſaßen wir noch einmal unter den Linden,
und ich wehrte eine letzte Taſſe Kaffee ab, und —
jetzt könnte ich Jeden fragen, ob's nicht merkwürdig
ſei, auf einem Schiffe, auf dem ſogenannten hohen
Meer, auf der Rückreiſe in das ödeſte, langgedehnteſte
wenn auch nahrhafteſte Fremdenleben ſo von dem
ſogenannten heimiſchen, vaterländiſchen Philiſterleben
zu ſchreiben? . . .
„Ja, ja, Eduard,“ ſagte Stopfkuchen, „gehe
heraus aus dem Kaſten! Einige werden in die Welt
hinausgeſchickt, um ein König- oder Kaiſerreich zu
ſtiften, Andere um ein Rittergut am Kap der guten
Hoffnung zu erobern, und wieder Andere blos um ein
kleines Bauernmädchen mit unterdrückten Anlagen
zur Behaglichkeit und einem armen Teufel von ge-
plagtem, halb verrückt gemachtem Papa einzufangen
und es mit Henriette Davidis Kochbuche und mit
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]
Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte" entstand ca. 1888/90. Der Text erschien zuerst 1891 in der Deutschen Roman-Zeitung (28. Jg., Nr. 1–6) und wurde für das Deutsche Textarchiv, gemäß den DTA-Leitlinien, nach der ersten selbstständigen Veröffentlichung digitalisiert.
Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/115>, abgerufen am 16.02.2025.
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