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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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Sieh nur, wie er sich freut, wie er seinen Schnurrbart
leckt!" --

Dagegen läßt sich nichts einwenden, das Redactions-
vieh leckt wirklich mit ungeheuerm Behagen die Schnauze,
und ich ziehe es vor, die moralische Seite herauszukehren.

"Das war aber auch sehr unrecht von Dir, Elise!
Was hatte Dir denn das arme Thier gethan? Eigent-
lich dürfte ich Dir nun die schöne Geschichte, die ich
weiß, gar nicht erzählen."

"Wir wollen uns wieder vertragen," sagt Elise
wehmüthig und nickt dem Pudel zu. "Nicht wahr, Du?"

Glücklicherweise legt Rezensent gravitätisch seine
schwarze Pfote auf die Bettdecke, und so nehme ich den
Frieden für geschlossen an.

"Gut denn, wenn Du hübsch artig und still liegen
bleiben und weder Händchen noch Füßchen hervorstrecken
willst, so werde ich Dir eine wunderbare Geschichte er-
zählen, die noch dazu ganz und gar wahr ist."

"Höre:"

"Es war einmal ein -- Küchenschrank; ein sehr vor-
trefflicher, alter, ehrenfester Küchenschrank und er stand
und steht -- draußen, in unserer Küche, wo wir ihn
uns morgen ansehen wollen! -- Er war fest verschlos-
sen, welches von zwei sehr wichtigen und angesehenen
Personen, die davor standen, für das einzige Uebel an

Sieh nur, wie er ſich freut, wie er ſeinen Schnurrbart
leckt!“ —

Dagegen läßt ſich nichts einwenden, das Redactions-
vieh leckt wirklich mit ungeheuerm Behagen die Schnauze,
und ich ziehe es vor, die moraliſche Seite herauszukehren.

„Das war aber auch ſehr unrecht von Dir, Eliſe!
Was hatte Dir denn das arme Thier gethan? Eigent-
lich dürfte ich Dir nun die ſchöne Geſchichte, die ich
weiß, gar nicht erzählen.“

„Wir wollen uns wieder vertragen,“ ſagt Eliſe
wehmüthig und nickt dem Pudel zu. „Nicht wahr, Du?“

Glücklicherweiſe legt Rezenſent gravitätiſch ſeine
ſchwarze Pfote auf die Bettdecke, und ſo nehme ich den
Frieden für geſchloſſen an.

„Gut denn, wenn Du hübſch artig und ſtill liegen
bleiben und weder Händchen noch Füßchen hervorſtrecken
willſt, ſo werde ich Dir eine wunderbare Geſchichte er-
zählen, die noch dazu ganz und gar wahr iſt.“

„Höre:“

„Es war einmal ein — Küchenſchrank; ein ſehr vor-
trefflicher, alter, ehrenfeſter Küchenſchrank und er ſtand
und ſteht — draußen, in unſerer Küche, wo wir ihn
uns morgen anſehen wollen! — Er war feſt verſchloſ-
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[88/0098] Sieh nur, wie er ſich freut, wie er ſeinen Schnurrbart leckt!“ — Dagegen läßt ſich nichts einwenden, das Redactions- vieh leckt wirklich mit ungeheuerm Behagen die Schnauze, und ich ziehe es vor, die moraliſche Seite herauszukehren. „Das war aber auch ſehr unrecht von Dir, Eliſe! Was hatte Dir denn das arme Thier gethan? Eigent- lich dürfte ich Dir nun die ſchöne Geſchichte, die ich weiß, gar nicht erzählen.“ „Wir wollen uns wieder vertragen,“ ſagt Eliſe wehmüthig und nickt dem Pudel zu. „Nicht wahr, Du?“ Glücklicherweiſe legt Rezenſent gravitätiſch ſeine ſchwarze Pfote auf die Bettdecke, und ſo nehme ich den Frieden für geſchloſſen an. „Gut denn, wenn Du hübſch artig und ſtill liegen bleiben und weder Händchen noch Füßchen hervorſtrecken willſt, ſo werde ich Dir eine wunderbare Geſchichte er- zählen, die noch dazu ganz und gar wahr iſt.“ „Höre:“ „Es war einmal ein — Küchenſchrank; ein ſehr vor- trefflicher, alter, ehrenfeſter Küchenſchrank und er ſtand und ſteht — draußen, in unſerer Küche, wo wir ihn uns morgen anſehen wollen! — Er war feſt verſchloſ- ſen, welches von zwei ſehr wichtigen und angeſehenen Perſonen, die davor ſtanden, für das einzige Uebel an

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/98>, abgerufen am 22.11.2024.