Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

-- das Kind versenkt, sich umdrehend, das Köpfchen
wieder in die Kissen. -- -- -- -- -- -- --

"Gute Nacht, Elise! Felicissima notte, sagen sie
in dem schönen Italien, wo Du heute weilst, eine glück-
liche, liebende Frau: Felicissima notte, Elise!" --



Seit ich jene Mappe, überschrieben: Ein Kinderleben,
-- hervorgenommen habe, ist in meinem bisherigen Fen-
ster- und Gassenstudium eine Pause eingetreten. Es
soll draußen sehr kalter Winter sein; Strobel behauptet
es, auch Rosalie ist nicht dagegen. Ich kann nicht
sagen, daß ich viel davon wüßte. In diesen vergilben-
den Blättern hier vor mir ist es sonniger Frühling und
blühender Sommer. Es macht mir Freude, mich darin
zu verlieren und ich erzähle deshalb weiter.

Da ist so ein altes Blatt:

Wir sind sehr ungnädig. Ein alter, dicker, lächeln-
der Herr ist da gewesen, hat uns den Puls gefühlt,
noch mehr gelächelt, einige Mal mit seinem spiegelblan-
ken Stockknopf seine Nasenspitze berührt, hat Dinte und
Papier gefordert und kurze Zeit auf einem länglichen

— das Kind verſenkt, ſich umdrehend, das Köpfchen
wieder in die Kiſſen. — — — — — — —

„Gute Nacht, Eliſe! Felicissima notte, ſagen ſie
in dem ſchönen Italien, wo Du heute weilſt, eine glück-
liche, liebende Frau: Felicissima notte, Eliſe!“ —



Seit ich jene Mappe, überſchrieben: Ein Kinderleben,
— hervorgenommen habe, iſt in meinem bisherigen Fen-
ſter- und Gaſſenſtudium eine Pauſe eingetreten. Es
ſoll draußen ſehr kalter Winter ſein; Strobel behauptet
es, auch Roſalie iſt nicht dagegen. Ich kann nicht
ſagen, daß ich viel davon wüßte. In dieſen vergilben-
den Blättern hier vor mir iſt es ſonniger Frühling und
blühender Sommer. Es macht mir Freude, mich darin
zu verlieren und ich erzähle deshalb weiter.

Da iſt ſo ein altes Blatt:

Wir ſind ſehr ungnädig. Ein alter, dicker, lächeln-
der Herr iſt da geweſen, hat uns den Puls gefühlt,
noch mehr gelächelt, einige Mal mit ſeinem ſpiegelblan-
ken Stockknopf ſeine Naſenſpitze berührt, hat Dinte und
Papier gefordert und kurze Zeit auf einem länglichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0094" n="84"/>
&#x2014; das Kind ver&#x017F;enkt, &#x017F;ich umdrehend, das Köpfchen<lb/>
wieder in die Ki&#x017F;&#x017F;en. &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Gute Nacht, Eli&#x017F;e! <hi rendition="#aq">Felicissima notte,</hi> &#x017F;agen &#x017F;ie<lb/>
in dem &#x017F;chönen Italien, wo Du heute weil&#x017F;t, eine glück-<lb/>
liche, liebende Frau: <hi rendition="#aq">Felicissima notte,</hi> Eli&#x017F;e!&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
      <div n="1">
        <dateline> <hi rendition="#right">Am 10. Januar. &#x2014;</hi> </dateline><lb/>
        <p>Seit ich jene Mappe, über&#x017F;chrieben: Ein Kinderleben,<lb/>
&#x2014; hervorgenommen habe, i&#x017F;t in meinem bisherigen Fen-<lb/>
&#x017F;ter- und Ga&#x017F;&#x017F;en&#x017F;tudium eine Pau&#x017F;e eingetreten. Es<lb/>
&#x017F;oll draußen &#x017F;ehr kalter Winter &#x017F;ein; Strobel behauptet<lb/>
es, auch Ro&#x017F;alie i&#x017F;t nicht dagegen. Ich kann nicht<lb/>
&#x017F;agen, daß ich viel davon wüßte. In die&#x017F;en vergilben-<lb/>
den Blättern hier vor mir i&#x017F;t es &#x017F;onniger Frühling und<lb/>
blühender Sommer. Es macht mir Freude, mich darin<lb/>
zu verlieren und ich erzähle deshalb weiter.</p><lb/>
        <p>Da i&#x017F;t &#x017F;o ein altes Blatt:</p><lb/>
        <p>Wir &#x017F;ind &#x017F;ehr ungnädig. Ein alter, dicker, lächeln-<lb/>
der Herr i&#x017F;t da gewe&#x017F;en, hat uns den Puls gefühlt,<lb/>
noch mehr gelächelt, einige Mal mit &#x017F;einem &#x017F;piegelblan-<lb/>
ken Stockknopf &#x017F;eine Na&#x017F;en&#x017F;pitze berührt, hat Dinte und<lb/>
Papier gefordert und kurze Zeit auf einem länglichen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0094] — das Kind verſenkt, ſich umdrehend, das Köpfchen wieder in die Kiſſen. — — — — — — — „Gute Nacht, Eliſe! Felicissima notte, ſagen ſie in dem ſchönen Italien, wo Du heute weilſt, eine glück- liche, liebende Frau: Felicissima notte, Eliſe!“ — Am 10. Januar. — Seit ich jene Mappe, überſchrieben: Ein Kinderleben, — hervorgenommen habe, iſt in meinem bisherigen Fen- ſter- und Gaſſenſtudium eine Pauſe eingetreten. Es ſoll draußen ſehr kalter Winter ſein; Strobel behauptet es, auch Roſalie iſt nicht dagegen. Ich kann nicht ſagen, daß ich viel davon wüßte. In dieſen vergilben- den Blättern hier vor mir iſt es ſonniger Frühling und blühender Sommer. Es macht mir Freude, mich darin zu verlieren und ich erzähle deshalb weiter. Da iſt ſo ein altes Blatt: Wir ſind ſehr ungnädig. Ein alter, dicker, lächeln- der Herr iſt da geweſen, hat uns den Puls gefühlt, noch mehr gelächelt, einige Mal mit ſeinem ſpiegelblan- ken Stockknopf ſeine Naſenſpitze berührt, hat Dinte und Papier gefordert und kurze Zeit auf einem länglichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/94
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/94>, abgerufen am 25.11.2024.