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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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ärmlichen Bettchen, um an den kleinen Lippen Hoffnung
und Muth zum neuen Schaffen zu saugen! Und auch
ich beuge mich dann über meine schlafende Pflegetochter,
den leisen, ruhigen Athemzügen der kleinen Brust lau-
schend, während die alte Martha am Fußende des Bet-
tes strickt.

Das Lockenköpfchen des Kindes liegt auf dem rech-
ten Aermchen, das Gesichtchen ist in dem Kopfkissen be-
graben; ich kann die lieblichen, reinen Züge nicht sehen.
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Da sieh! Plötzlich wendet sich das Kind um und
dreht mir voll das Gesicht zu -- es murmelt etwas --
"Mama!" flüstert es leise und ein heiliges, glückseliges
Lächeln gleitet über das Gesichtchen.

Wer raunt der Waise das süße Wort zu! -- Die
alte Martha hat die Hände gefaltet und betet leise! --
"Mama, liebe, liebe Mama!" flüstert das Kind wieder,
das Aermchen ausstreckend.

Ist es ein Traum, oder kommt die erdentodte
Mutter zurück, über ihrem Kinde zu schweben?

Dann fällt wohl ein Mondstrahl glänzend durch das
Epheugitter auf das Bild Mariens! Der Canarienvogel
zwitschert auch wie im Traume auf! -- -- -- Eine
Wolke legt sich vor den Mond, der Strahl verschwindet,

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ärmlichen Bettchen, um an den kleinen Lippen Hoffnung
und Muth zum neuen Schaffen zu ſaugen! Und auch
ich beuge mich dann über meine ſchlafende Pflegetochter,
den leiſen, ruhigen Athemzügen der kleinen Bruſt lau-
ſchend, während die alte Martha am Fußende des Bet-
tes ſtrickt.

Das Lockenköpfchen des Kindes liegt auf dem rech-
ten Aermchen, das Geſichtchen iſt in dem Kopfkiſſen be-
graben; ich kann die lieblichen, reinen Züge nicht ſehen.
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Da ſieh! Plötzlich wendet ſich das Kind um und
dreht mir voll das Geſicht zu — es murmelt etwas —
„Mama!“ flüſtert es leiſe und ein heiliges, glückſeliges
Lächeln gleitet über das Geſichtchen.

Wer raunt der Waiſe das ſüße Wort zu! — Die
alte Martha hat die Hände gefaltet und betet leiſe! —
„Mama, liebe, liebe Mama!“ flüſtert das Kind wieder,
das Aermchen ausſtreckend.

Iſt es ein Traum, oder kommt die erdentodte
Mutter zurück, über ihrem Kinde zu ſchweben?

Dann fällt wohl ein Mondſtrahl glänzend durch das
Epheugitter auf das Bild Mariens! Der Canarienvogel
zwitſchert auch wie im Traume auf! — — — Eine
Wolke legt ſich vor den Mond, der Strahl verſchwindet,

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[83/0093] ärmlichen Bettchen, um an den kleinen Lippen Hoffnung und Muth zum neuen Schaffen zu ſaugen! Und auch ich beuge mich dann über meine ſchlafende Pflegetochter, den leiſen, ruhigen Athemzügen der kleinen Bruſt lau- ſchend, während die alte Martha am Fußende des Bet- tes ſtrickt. Das Lockenköpfchen des Kindes liegt auf dem rech- ten Aermchen, das Geſichtchen iſt in dem Kopfkiſſen be- graben; ich kann die lieblichen, reinen Züge nicht ſehen. — — — — — — — — — — — Da ſieh! Plötzlich wendet ſich das Kind um und dreht mir voll das Geſicht zu — es murmelt etwas — „Mama!“ flüſtert es leiſe und ein heiliges, glückſeliges Lächeln gleitet über das Geſichtchen. Wer raunt der Waiſe das ſüße Wort zu! — Die alte Martha hat die Hände gefaltet und betet leiſe! — „Mama, liebe, liebe Mama!“ flüſtert das Kind wieder, das Aermchen ausſtreckend. Iſt es ein Traum, oder kommt die erdentodte Mutter zurück, über ihrem Kinde zu ſchweben? Dann fällt wohl ein Mondſtrahl glänzend durch das Epheugitter auf das Bild Mariens! Der Canarienvogel zwitſchert auch wie im Traume auf! — — — Eine Wolke legt ſich vor den Mond, der Strahl verſchwindet, 6*

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/93>, abgerufen am 25.11.2024.