Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.Haus umgab. Hörte ich aus dem kleinen Stübchen "Es trägt mein Lieb ein schwarzes Kleid, Darunter trägt sie groß Herzenleid In ihren jungen Tagen. ..." "Nahm ich den Hut ab und trat in die Hausflur: "Louise, Louise! schrie ich auf, in die Knie vor "Die Gestalt erhob sich, kam schwankend auf mich "Ei, mein schön's Lieb, bist zurück aus fremdem "Schlug mir das Herz, daß mir der Harnisch zu Haus umgab. Hörte ich aus dem kleinen Stübchen „Es trägt mein Lieb ein ſchwarzes Kleid, Darunter trägt ſie groß Herzenleid In ihren jungen Tagen. …“ „Nahm ich den Hut ab und trat in die Hausflur: „Louiſe, Louiſe! ſchrie ich auf, in die Knie vor „Die Geſtalt erhob ſich, kam ſchwankend auf mich „Ei, mein ſchön’s Lieb, biſt zurück aus fremdem „Schlug mir das Herz, daß mir der Harniſch zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0066" n="56"/> Haus umgab. Hörte ich aus dem kleinen Stübchen<lb/> eine Stimme ſingen, die mir gar fremd und doch gar<lb/> bekannt vorkam. Sang die Stimme immer nur den<lb/> Anfang eines alten Liedes:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„Es trägt mein Lieb ein ſchwarzes Kleid,</l><lb/> <l>Darunter trägt ſie groß Herzenleid</l><lb/> <l>In ihren jungen Tagen. …“</l> </lg><lb/> <p>„Nahm ich den Hut ab und trat in die Hausflur:<lb/> Grüß Gott, Jungfer Lieschen, bin zurück aus Franzo-<lb/> ſenland, — wollte ich ſagen, ſprach aber kein Wort,<lb/> ſondern fiel mir der Hut zur Erde und mußte ich mich<lb/> am Pfoſten halten, um nicht ſelbſt zu fallen. Da ſaß<lb/> ein bleiches Weſen mit eingefallenen Wangen im Win-<lb/> kel, hatte die Hände im Schooß gefaltet und zitterte,<lb/> als ob ein heftiger Froſt es ſchüttle. —</p><lb/> <p>„Louiſe, Louiſe! ſchrie ich auf, in die Knie vor<lb/> ihr ſtürzend, in unmenſchlicher Angſt.</p><lb/> <p>„Die Geſtalt erhob ſich, kam ſchwankend auf mich<lb/> zu und ſagte, indem ſie mit eiskalter Hand mir über<lb/> die Stirn ſtrich:</p><lb/> <p>„Ei, mein ſchön’s Lieb, biſt zurück aus fremdem<lb/> Land? Hab’ lange auf Dich gewartet, mein blankes<lb/> Herz! —“</p><lb/> <p>„Schlug mir das Herz, daß mir der Harniſch zu<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [56/0066]
Haus umgab. Hörte ich aus dem kleinen Stübchen
eine Stimme ſingen, die mir gar fremd und doch gar
bekannt vorkam. Sang die Stimme immer nur den
Anfang eines alten Liedes:
„Es trägt mein Lieb ein ſchwarzes Kleid,
Darunter trägt ſie groß Herzenleid
In ihren jungen Tagen. …“
„Nahm ich den Hut ab und trat in die Hausflur:
Grüß Gott, Jungfer Lieschen, bin zurück aus Franzo-
ſenland, — wollte ich ſagen, ſprach aber kein Wort,
ſondern fiel mir der Hut zur Erde und mußte ich mich
am Pfoſten halten, um nicht ſelbſt zu fallen. Da ſaß
ein bleiches Weſen mit eingefallenen Wangen im Win-
kel, hatte die Hände im Schooß gefaltet und zitterte,
als ob ein heftiger Froſt es ſchüttle. —
„Louiſe, Louiſe! ſchrie ich auf, in die Knie vor
ihr ſtürzend, in unmenſchlicher Angſt.
„Die Geſtalt erhob ſich, kam ſchwankend auf mich
zu und ſagte, indem ſie mit eiskalter Hand mir über
die Stirn ſtrich:
„Ei, mein ſchön’s Lieb, biſt zurück aus fremdem
Land? Hab’ lange auf Dich gewartet, mein blankes
Herz! —“
„Schlug mir das Herz, daß mir der Harniſch zu
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