und die Nase des mir zuwinkenden Strobels glitt, ver- trieb alle die Nebel, welche auf meiner Seele gelastet hatten. Frischen Muthes konnte ich mich wieder an meine Vanitas setzen, und als ich gar in einem der schweins- ledernen, verstaubten Tröster, die ich gestern von der Bibliothek mitgebracht hatte, eine alte vertrocknete Blume aus einem vergangenen Frühling fand, konnte ich schon wieder die seltsamsten Muthmaßungen über die Art und Weise, wie das todte Frühlingskind zwischen diese Blätter kam, anstellen. Hatte sie vielleicht an einem lang vergangenen Feiertage ein uralter College mitge- bracht von einem lustigen Feldwege, oder hatte sie viel- leicht eins seiner Kinder spielend in dem Folianten des gelehrten Vaters gepreßt? Hatte sie etwa ein Student von der Geliebten erhalten und hier aufbewahrt und vergessen? Welche Vermuthungen! hübsch und anmuthig, und um so hübscher und anmuthiger, als sie unwahr- scheinlich sind. --
O, versteht es nur, Blumen zwischen die öden Blät- ter des Lebens zu legen; fürchtet Euch nicht, kindisch zu heißen bei zu klugen Köpfen; Ihr werdet keine Reue empfinden, wenn Ihr zurückblättert und auf die vergilb- ten Angedenken trefft! --
Sei mir gegrüßt, wechselnder April, du verzogenes Kind der alten Mutter Zeit und -- -- -- --
und die Naſe des mir zuwinkenden Strobels glitt, ver- trieb alle die Nebel, welche auf meiner Seele gelaſtet hatten. Friſchen Muthes konnte ich mich wieder an meine Vanitas ſetzen, und als ich gar in einem der ſchweins- ledernen, verſtaubten Tröſter, die ich geſtern von der Bibliothek mitgebracht hatte, eine alte vertrocknete Blume aus einem vergangenen Frühling fand, konnte ich ſchon wieder die ſeltſamſten Muthmaßungen über die Art und Weiſe, wie das todte Frühlingskind zwiſchen dieſe Blätter kam, anſtellen. Hatte ſie vielleicht an einem lang vergangenen Feiertage ein uralter College mitge- bracht von einem luſtigen Feldwege, oder hatte ſie viel- leicht eins ſeiner Kinder ſpielend in dem Folianten des gelehrten Vaters gepreßt? Hatte ſie etwa ein Student von der Geliebten erhalten und hier aufbewahrt und vergeſſen? Welche Vermuthungen! hübſch und anmuthig, und um ſo hübſcher und anmuthiger, als ſie unwahr- ſcheinlich ſind. —
O, verſteht es nur, Blumen zwiſchen die öden Blät- ter des Lebens zu legen; fürchtet Euch nicht, kindiſch zu heißen bei zu klugen Köpfen; Ihr werdet keine Reue empfinden, wenn Ihr zurückblättert und auf die vergilb- ten Angedenken trefft! —
Sei mir gegrüßt, wechſelnder April, du verzogenes Kind der alten Mutter Zeit und — — — —
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und die Naſe des mir zuwinkenden Strobels glitt, ver-
trieb alle die Nebel, welche auf meiner Seele gelaſtet
hatten. Friſchen Muthes konnte ich mich wieder an meine
Vanitas ſetzen, und als ich gar in einem der ſchweins-
ledernen, verſtaubten Tröſter, die ich geſtern von der
Bibliothek mitgebracht hatte, eine alte vertrocknete Blume
aus einem vergangenen Frühling fand, konnte ich
ſchon wieder die ſeltſamſten Muthmaßungen über die Art
und Weiſe, wie das todte Frühlingskind zwiſchen dieſe
Blätter kam, anſtellen. Hatte ſie vielleicht an einem
lang vergangenen Feiertage ein uralter College mitge-
bracht von einem luſtigen Feldwege, oder hatte ſie viel-
leicht eins ſeiner Kinder ſpielend in dem Folianten des
gelehrten Vaters gepreßt? Hatte ſie etwa ein Student
von der Geliebten erhalten und hier aufbewahrt und
vergeſſen? Welche Vermuthungen! hübſch und anmuthig,
und um ſo hübſcher und anmuthiger, als ſie unwahr-
ſcheinlich ſind. —
O, verſteht es nur, Blumen zwiſchen die öden Blät-
ter des Lebens zu legen; fürchtet Euch nicht, kindiſch
zu heißen bei zu klugen Köpfen; Ihr werdet keine Reue
empfinden, wenn Ihr zurückblättert und auf die vergilb-
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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/258>, abgerufen am 05.07.2024.
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