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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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telnd, jubelnd, glückverkündend emporsteigt. Noch be-
deckt der Nebelduft zauberhaft, geheimnißvoll alle Ab-
gründe und öden Stellen des Lebens; die jungen Herzen
glauben nur Blumen und flatternde Schmetterlinge und
bunte nesterbauende Vöglein unter dem Schleier der Zu-
kunft verborgen.

"Süßes Geliebtsein, süßeres Lieben!" hat ein anderer
Dichter einmal ausgerufen, und ich ein alter, einsamer
Mann bedecke die Augen mit der Hand, denke an die
Gräber auf dem Johanniskirchhof, denke an den Stern
meiner Jugend: "Maria!" -- -- -- -- -- -- -- --
Würde ich diese Erinnerung mit all' ihrem Schmerz, für
der ganzen Welt Macht, Reichthum, Weisheit lassen?
-- -- -- -- Ich glaube nicht. --

Der Mond kommt wieder hervor über die Dächer
und vermischt sein weißes Licht mit dem kleinen Schein
meiner Lampe; über und durch das alte immergrüne
Epheu aus dem Uhlfeldener Walde schießt er seine blanken
Strahlen, seltsame Schatten auf den Fußboden und an
die Wände werfend. Mit sich bringt er das heutige
Blatt der Chronik der Sperlingsgasse.


Dort auf dem Stühlchen im Fenster zeichnet sich die
feine liebliche Gestalt Elisens dunkel in der Mond-
dämmerung eines lange vergangenen Abends ab; währ end

telnd, jubelnd, glückverkündend emporſteigt. Noch be-
deckt der Nebelduft zauberhaft, geheimnißvoll alle Ab-
gründe und öden Stellen des Lebens; die jungen Herzen
glauben nur Blumen und flatternde Schmetterlinge und
bunte neſterbauende Vöglein unter dem Schleier der Zu-
kunft verborgen.

„Süßes Geliebtſein, ſüßeres Lieben!“ hat ein anderer
Dichter einmal ausgerufen, und ich ein alter, einſamer
Mann bedecke die Augen mit der Hand, denke an die
Gräber auf dem Johanniskirchhof, denke an den Stern
meiner Jugend: „Maria!“ — — — — — — — —
Würde ich dieſe Erinnerung mit all’ ihrem Schmerz, für
der ganzen Welt Macht, Reichthum, Weisheit laſſen?
— — — — Ich glaube nicht. —

Der Mond kommt wieder hervor über die Dächer
und vermiſcht ſein weißes Licht mit dem kleinen Schein
meiner Lampe; über und durch das alte immergrüne
Epheu aus dem Uhlfeldener Walde ſchießt er ſeine blanken
Strahlen, ſeltſame Schatten auf den Fußboden und an
die Wände werfend. Mit ſich bringt er das heutige
Blatt der Chronik der Sperlingsgaſſe.


Dort auf dem Stühlchen im Fenſter zeichnet ſich die
feine liebliche Geſtalt Eliſens dunkel in der Mond-
dämmerung eines lange vergangenen Abends ab; währ end

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[230/0240] telnd, jubelnd, glückverkündend emporſteigt. Noch be- deckt der Nebelduft zauberhaft, geheimnißvoll alle Ab- gründe und öden Stellen des Lebens; die jungen Herzen glauben nur Blumen und flatternde Schmetterlinge und bunte neſterbauende Vöglein unter dem Schleier der Zu- kunft verborgen. „Süßes Geliebtſein, ſüßeres Lieben!“ hat ein anderer Dichter einmal ausgerufen, und ich ein alter, einſamer Mann bedecke die Augen mit der Hand, denke an die Gräber auf dem Johanniskirchhof, denke an den Stern meiner Jugend: „Maria!“ — — — — — — — — Würde ich dieſe Erinnerung mit all’ ihrem Schmerz, für der ganzen Welt Macht, Reichthum, Weisheit laſſen? — — — — Ich glaube nicht. — Der Mond kommt wieder hervor über die Dächer und vermiſcht ſein weißes Licht mit dem kleinen Schein meiner Lampe; über und durch das alte immergrüne Epheu aus dem Uhlfeldener Walde ſchießt er ſeine blanken Strahlen, ſeltſame Schatten auf den Fußboden und an die Wände werfend. Mit ſich bringt er das heutige Blatt der Chronik der Sperlingsgaſſe. Dort auf dem Stühlchen im Fenſter zeichnet ſich die feine liebliche Geſtalt Eliſens dunkel in der Mond- dämmerung eines lange vergangenen Abends ab; währ end

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/240>, abgerufen am 24.11.2024.