der lief in der Welt herum und die Leute nannten ihn Dr. Heinrich Wimmer; einige freilich titulirten ihn auch "Esel" oder so. Das waren aber nur die, welchen er dasselbe Epitheton gegeben hatte -- was er oft sogar schriftlich, Schwarz auf Weiß, that. -- Gut; -- dieser Mensch hatte eigentlich nur wenig wahre Freunde, (Be- kannte genug) denn er war so eine Art von Vagabond, wenn auch nicht in der schlimmsten Bedeutung des Worts. Er war ein Literat. Zu den Freunden, die ihn ertru- gen und nicht "Esel" nannten, gehörte erstens ein Schul- meister Namens Roder, zweitens ein ältlicher Herr, Wachholder genannt, und drittens -- ein junges Mäd- chen, (beruhige Dich Nanette, sie war höchstens eilf Jahr alt, als wir schieden) Namens Elise Ralff. Wir wohn- ten in einer großen Stadt, wo es viel Staub giebt und aus der sie mich wegjagten, weil jener Staub mich stets zum Husten brachte, ziemlich dicht zusammen und betrugen uns gegen einander wie gute Freunde sich be- tragen müssen. Sogar der Pudel Rezensent, mein vier- ter Freund, fühlte oft eine menschliche Rührung darüber; wie es in der That ein vortreffliches Vieh ist, was Du auch sagen magst, Nannerl! --
Und nun höre -- grimme Othelloin das "Liebe und Getreue" gilt den drei Freunden und "halt" nicht einer Dame, Du Eifersucht! --
der lief in der Welt herum und die Leute nannten ihn Dr. Heinrich Wimmer; einige freilich titulirten ihn auch „Eſel“ oder ſo. Das waren aber nur die, welchen er daſſelbe Epitheton gegeben hatte — was er oft ſogar ſchriftlich, Schwarz auf Weiß, that. — Gut; — dieſer Menſch hatte eigentlich nur wenig wahre Freunde, (Be- kannte genug) denn er war ſo eine Art von Vagabond, wenn auch nicht in der ſchlimmſten Bedeutung des Worts. Er war ein Literat. Zu den Freunden, die ihn ertru- gen und nicht „Eſel“ nannten, gehörte erſtens ein Schul- meiſter Namens Roder, zweitens ein ältlicher Herr, Wachholder genannt, und drittens — ein junges Mäd- chen, (beruhige Dich Nanette, ſie war höchſtens eilf Jahr alt, als wir ſchieden) Namens Eliſe Ralff. Wir wohn- ten in einer großen Stadt, wo es viel Staub giebt und aus der ſie mich wegjagten, weil jener Staub mich ſtets zum Huſten brachte, ziemlich dicht zuſammen und betrugen uns gegen einander wie gute Freunde ſich be- tragen müſſen. Sogar der Pudel Rezenſent, mein vier- ter Freund, fühlte oft eine menſchliche Rührung darüber; wie es in der That ein vortreffliches Vieh iſt, was Du auch ſagen magſt, Nannerl! —
Und nun höre — grimme Othelloin das „Liebe und Getreue“ gilt den drei Freunden und „halt“ nicht einer Dame, Du Eiferſucht! —
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0185"n="175"/>
der lief in der Welt herum und die Leute nannten ihn<lb/><hirendition="#aq">Dr.</hi> Heinrich Wimmer; einige freilich titulirten ihn auch<lb/>„Eſel“ oder ſo. Das waren aber nur die, welchen er<lb/>
daſſelbe Epitheton gegeben hatte — was er oft ſogar<lb/>ſchriftlich, Schwarz auf Weiß, that. — Gut; — dieſer<lb/>
Menſch hatte eigentlich nur wenig wahre Freunde, (Be-<lb/>
kannte genug) denn er war ſo eine Art von Vagabond,<lb/>
wenn auch nicht in der ſchlimmſten Bedeutung des Worts.<lb/>
Er war ein Literat. Zu den Freunden, die ihn ertru-<lb/>
gen und nicht „Eſel“ nannten, gehörte erſtens ein Schul-<lb/>
meiſter Namens Roder, zweitens ein ältlicher Herr,<lb/>
Wachholder genannt, und drittens — ein junges Mäd-<lb/>
chen, (beruhige Dich Nanette, ſie war höchſtens eilf Jahr<lb/>
alt, als wir ſchieden) Namens Eliſe Ralff. Wir wohn-<lb/>
ten in einer großen Stadt, wo es viel Staub giebt und<lb/>
aus der ſie mich wegjagten, weil jener Staub mich ſtets<lb/>
zum Huſten brachte, ziemlich dicht zuſammen und<lb/>
betrugen uns gegen einander wie gute Freunde ſich be-<lb/>
tragen müſſen. Sogar der Pudel Rezenſent, mein vier-<lb/>
ter Freund, fühlte oft eine menſchliche Rührung darüber;<lb/>
wie es in der That ein vortreffliches Vieh iſt, was Du<lb/>
auch ſagen magſt, Nannerl! —</p><lb/><p>Und nun höre — grimme Othelloin das „Liebe<lb/>
und Getreue“ gilt <hirendition="#g">den drei</hi> Freunden und „halt“<lb/>
nicht <hirendition="#g">einer</hi> Dame, Du Eiferſucht! —</p><lb/></div></body></text></TEI>
[175/0185]
der lief in der Welt herum und die Leute nannten ihn
Dr. Heinrich Wimmer; einige freilich titulirten ihn auch
„Eſel“ oder ſo. Das waren aber nur die, welchen er
daſſelbe Epitheton gegeben hatte — was er oft ſogar
ſchriftlich, Schwarz auf Weiß, that. — Gut; — dieſer
Menſch hatte eigentlich nur wenig wahre Freunde, (Be-
kannte genug) denn er war ſo eine Art von Vagabond,
wenn auch nicht in der ſchlimmſten Bedeutung des Worts.
Er war ein Literat. Zu den Freunden, die ihn ertru-
gen und nicht „Eſel“ nannten, gehörte erſtens ein Schul-
meiſter Namens Roder, zweitens ein ältlicher Herr,
Wachholder genannt, und drittens — ein junges Mäd-
chen, (beruhige Dich Nanette, ſie war höchſtens eilf Jahr
alt, als wir ſchieden) Namens Eliſe Ralff. Wir wohn-
ten in einer großen Stadt, wo es viel Staub giebt und
aus der ſie mich wegjagten, weil jener Staub mich ſtets
zum Huſten brachte, ziemlich dicht zuſammen und
betrugen uns gegen einander wie gute Freunde ſich be-
tragen müſſen. Sogar der Pudel Rezenſent, mein vier-
ter Freund, fühlte oft eine menſchliche Rührung darüber;
wie es in der That ein vortreffliches Vieh iſt, was Du
auch ſagen magſt, Nannerl! —
Und nun höre — grimme Othelloin das „Liebe
und Getreue“ gilt den drei Freunden und „halt“
nicht einer Dame, Du Eiferſucht! —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/185>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.