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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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sollen. Briefe mit späterm Datum von derselben Hand
finde ich da genug; sie berichten von Kindtaufen, und
einer auch von dem Hinscheiden eines ehrwürdigen Pu-
dels "Rezensent" genannt. Ich möchte aber gern ein
älteres Schreiben haben, welches noch nicht von Kind-
taufen erzählt! Gottlob, hier ist's! Die Chronik hätte
es, wie gesagt, viel früher aufnehmen müssen, aber was
thut's. Je älter solche Briefe werden, je älter ihr
Schreiber selbst geworden ist, desto frischer klingen sie!

Hier ist das Scriptum:
"Unter Verantwortlichkeit der Redaction."
Liebe und Getreue!

Eben hatte ich diesen Anfang "Liebe und Getreue"
gemacht, als sich auf einmal ein kleines Patschhändchen
auf meine Schulter legte, ein brauner Lockenkopf sich
vorbeugte und ein Stimmchen ganz fein sagte:

"Erlaube liebes Kind ("liebes Kind," das bin ich,
der Dr. Wimmer) -- erlaube liebes Kind, an was für
eine Dame willst Du da schreiben?" Ich schaute ver-
wundert auf und erblickte -- eine kleine runde Dame,
(sie sitzt jetzt neben mir und zieht mich für das "rund"
tüchtig am Ohr) die eine allerliebste moue machte:

"Liebes Kind, ich möcht's halt gern wissen!" "Sollst
Du auch Schatz," sagte ich lachend. Gieb Acht, es ist
eine seltsame Geschichte! -- Es war einmal ein Mann,

ſollen. Briefe mit ſpäterm Datum von derſelben Hand
finde ich da genug; ſie berichten von Kindtaufen, und
einer auch von dem Hinſcheiden eines ehrwürdigen Pu-
dels „Rezenſent“ genannt. Ich möchte aber gern ein
älteres Schreiben haben, welches noch nicht von Kind-
taufen erzählt! Gottlob, hier iſt’s! Die Chronik hätte
es, wie geſagt, viel früher aufnehmen müſſen, aber was
thut’s. Je älter ſolche Briefe werden, je älter ihr
Schreiber ſelbſt geworden iſt, deſto friſcher klingen ſie!

Hier iſt das Scriptum:
„Unter Verantwortlichkeit der Redaction.“
Liebe und Getreue!

Eben hatte ich dieſen Anfang „Liebe und Getreue“
gemacht, als ſich auf einmal ein kleines Patſchhändchen
auf meine Schulter legte, ein brauner Lockenkopf ſich
vorbeugte und ein Stimmchen ganz fein ſagte:

„Erlaube liebes Kind („liebes Kind,“ das bin ich,
der Dr. Wimmer) — erlaube liebes Kind, an was für
eine Dame willſt Du da ſchreiben?“ Ich ſchaute ver-
wundert auf und erblickte — eine kleine runde Dame,
(ſie ſitzt jetzt neben mir und zieht mich für das „rund“
tüchtig am Ohr) die eine allerliebſte moue machte:

„Liebes Kind, ich möcht’s halt gern wiſſen!“ „Sollſt
Du auch Schatz,“ ſagte ich lachend. Gieb Acht, es iſt
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[174/0184] ſollen. Briefe mit ſpäterm Datum von derſelben Hand finde ich da genug; ſie berichten von Kindtaufen, und einer auch von dem Hinſcheiden eines ehrwürdigen Pu- dels „Rezenſent“ genannt. Ich möchte aber gern ein älteres Schreiben haben, welches noch nicht von Kind- taufen erzählt! Gottlob, hier iſt’s! Die Chronik hätte es, wie geſagt, viel früher aufnehmen müſſen, aber was thut’s. Je älter ſolche Briefe werden, je älter ihr Schreiber ſelbſt geworden iſt, deſto friſcher klingen ſie! Hier iſt das Scriptum: „Unter Verantwortlichkeit der Redaction.“ Liebe und Getreue! Eben hatte ich dieſen Anfang „Liebe und Getreue“ gemacht, als ſich auf einmal ein kleines Patſchhändchen auf meine Schulter legte, ein brauner Lockenkopf ſich vorbeugte und ein Stimmchen ganz fein ſagte: „Erlaube liebes Kind („liebes Kind,“ das bin ich, der Dr. Wimmer) — erlaube liebes Kind, an was für eine Dame willſt Du da ſchreiben?“ Ich ſchaute ver- wundert auf und erblickte — eine kleine runde Dame, (ſie ſitzt jetzt neben mir und zieht mich für das „rund“ tüchtig am Ohr) die eine allerliebſte moue machte: „Liebes Kind, ich möcht’s halt gern wiſſen!“ „Sollſt Du auch Schatz,“ ſagte ich lachend. Gieb Acht, es iſt eine ſeltſame Geſchichte! — Es war einmal ein Mann,

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/184>, abgerufen am 26.11.2024.