Miene an und schreite hinaus. Welch' ein Anblick er- wartet mich!
Die gute Alte hat höchst wahrscheinlich ihre Mittags- ruhe gehalten und ist, das Strickzeug im Schooß, ein- geschlafen. Diesen günstigen Augenblick zu benutzen hat der Taugenichts, der vielleicht mit sehr guten Vorsätzen die Treppe heraufkam, doch nicht unterlassen können.
Festgebunden sitzt die Unglückliche in ihrem Stuhle; -- Handtücher, Bindfaden, das Garn ihres Strickzeuges, kurz alles nur mögliche Bindematerial ist benutzt, sie unvermögend zu machen, sich zu rühren. Vor ihr auf einem, noch dazu sehr zierlich gedeckten Tischchen, steht -- ein großer Napf Milch, der höchst wahrscheinlich zu den wichtigsten culinarischen Zwecken bestimmt war und um ihn im Kreis sitzt schlürfend und schmatzend, -- die ganze Katzenwelt des Hauses, -- von Zeit zu Zeit einen höhnenden Blick nach dem Lehnstuhl werfend, wo die gefesselte Küchentyrannin strampelt und droht, in wahr- haft tantalischen Qualen.
"Lischen -- so jag' sie doch weg -- (Elise hat vor Lachen die Kraft gar nicht dazu und sitzt athemlos auf einem Schemel) -- o der Schlingel -- aber Herr Wach- holder jagen Sie sie doch weg -- es bleibt ja nichts übrig -- o meine schöne Milch -- der Bösewicht!" -- Ja der Bösewicht, -- wo war er, als diese Tragico-
Miene an und ſchreite hinaus. Welch’ ein Anblick er- wartet mich!
Die gute Alte hat höchſt wahrſcheinlich ihre Mittags- ruhe gehalten und iſt, das Strickzeug im Schooß, ein- geſchlafen. Dieſen günſtigen Augenblick zu benutzen hat der Taugenichts, der vielleicht mit ſehr guten Vorſätzen die Treppe heraufkam, doch nicht unterlaſſen können.
Feſtgebunden ſitzt die Unglückliche in ihrem Stuhle; — Handtücher, Bindfaden, das Garn ihres Strickzeuges, kurz alles nur mögliche Bindematerial iſt benutzt, ſie unvermögend zu machen, ſich zu rühren. Vor ihr auf einem, noch dazu ſehr zierlich gedeckten Tiſchchen, ſteht — ein großer Napf Milch, der höchſt wahrſcheinlich zu den wichtigſten culinariſchen Zwecken beſtimmt war und um ihn im Kreis ſitzt ſchlürfend und ſchmatzend, — die ganze Katzenwelt des Hauſes, — von Zeit zu Zeit einen höhnenden Blick nach dem Lehnſtuhl werfend, wo die gefeſſelte Küchentyrannin ſtrampelt und droht, in wahr- haft tantaliſchen Qualen.
„Lischen — ſo jag’ ſie doch weg — (Eliſe hat vor Lachen die Kraft gar nicht dazu und ſitzt athemlos auf einem Schemel) — o der Schlingel — aber Herr Wach- holder jagen Sie ſie doch weg — es bleibt ja nichts übrig — o meine ſchöne Milch — der Böſewicht!“ — Ja der Böſewicht, — wo war er, als dieſe Tragico-
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Miene an und ſchreite hinaus. Welch’ ein Anblick er-
wartet mich!
Die gute Alte hat höchſt wahrſcheinlich ihre Mittags-
ruhe gehalten und iſt, das Strickzeug im Schooß, ein-
geſchlafen. Dieſen günſtigen Augenblick zu benutzen hat
der Taugenichts, der vielleicht mit ſehr guten Vorſätzen
die Treppe heraufkam, doch nicht unterlaſſen können.
Feſtgebunden ſitzt die Unglückliche in ihrem Stuhle;
— Handtücher, Bindfaden, das Garn ihres Strickzeuges,
kurz alles nur mögliche Bindematerial iſt benutzt, ſie
unvermögend zu machen, ſich zu rühren. Vor ihr auf
einem, noch dazu ſehr zierlich gedeckten Tiſchchen, ſteht
— ein großer Napf Milch, der höchſt wahrſcheinlich zu
den wichtigſten culinariſchen Zwecken beſtimmt war und
um ihn im Kreis ſitzt ſchlürfend und ſchmatzend, — die
ganze Katzenwelt des Hauſes, — von Zeit zu Zeit einen
höhnenden Blick nach dem Lehnſtuhl werfend, wo die
gefeſſelte Küchentyrannin ſtrampelt und droht, in wahr-
haft tantaliſchen Qualen.
„Lischen — ſo jag’ ſie doch weg — (Eliſe hat vor
Lachen die Kraft gar nicht dazu und ſitzt athemlos auf
einem Schemel) — o der Schlingel — aber Herr Wach-
holder jagen Sie ſie doch weg — es bleibt ja nichts
übrig — o meine ſchöne Milch — der Böſewicht!“ —
Ja der Böſewicht, — wo war er, als dieſe Tragico-
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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/165>, abgerufen am 27.07.2024.
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