und Lischen, die jetzt schon eine kleine Gelehrte ist, hat mit Hülfe eines Dictionnaires noch vor dem Schla- fengehen heraus: "Um -- nehmen -- Abschied" --
"Der Onkel Wimmer muß eine kleine Reise machen, Schatz!" --
Damit geht Elise getröstet zu Bette und verschläft und verträumt sanft ihren ersten Schmerz. In diesem Alter genügt noch eine Nacht, ihn zu begraben.
Am 12. Januar. --
Ich hab's mir wohl gedacht, als ich diese Bogen falzte und ich hab's auch wohl mit aufgeschrieben, daß ihr Inhalt nicht viel Zusammenhang haben würde. Ich weile in der Minute und springe über Jahre fort; ich male Bilder und bringe keine Handlung; ich breche ab ohne den alten Ton ausklingen zu lassen; ich will nicht lehren, sondern ich will vergessen, ich -- schreibe keinen Roman! --
Heute werfe ich zum ersten Mal einen prüfenden Blick zurück und muß selber lächeln. Alter Kopf, was machst Du? Was werden die vernünftigen Leute sagen, wenn
und Lischen, die jetzt ſchon eine kleine Gelehrte iſt, hat mit Hülfe eines Dictionnaires noch vor dem Schla- fengehen heraus: „Um — nehmen — Abſchied“ —
„Der Onkel Wimmer muß eine kleine Reiſe machen, Schatz!“ —
Damit geht Eliſe getröſtet zu Bette und verſchläft und verträumt ſanft ihren erſten Schmerz. In dieſem Alter genügt noch eine Nacht, ihn zu begraben.
Am 12. Januar. —
Ich hab’s mir wohl gedacht, als ich dieſe Bogen falzte und ich hab’s auch wohl mit aufgeſchrieben, daß ihr Inhalt nicht viel Zuſammenhang haben würde. Ich weile in der Minute und ſpringe über Jahre fort; ich male Bilder und bringe keine Handlung; ich breche ab ohne den alten Ton ausklingen zu laſſen; ich will nicht lehren, ſondern ich will vergeſſen, ich — ſchreibe keinen Roman! —
Heute werfe ich zum erſten Mal einen prüfenden Blick zurück und muß ſelber lächeln. Alter Kopf, was machſt Du? Was werden die vernünftigen Leute ſagen, wenn
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[105/0115]
und Lischen, die jetzt ſchon eine kleine Gelehrte iſt,
hat mit Hülfe eines Dictionnaires noch vor dem Schla-
fengehen heraus:
„Um — nehmen — Abſchied“ —
„Der Onkel Wimmer muß eine kleine Reiſe machen,
Schatz!“ —
Damit geht Eliſe getröſtet zu Bette und verſchläft
und verträumt ſanft ihren erſten Schmerz. In dieſem
Alter genügt noch eine Nacht, ihn zu begraben.
Am 12. Januar. —
Ich hab’s mir wohl gedacht, als ich dieſe Bogen
falzte und ich hab’s auch wohl mit aufgeſchrieben, daß
ihr Inhalt nicht viel Zuſammenhang haben würde. Ich
weile in der Minute und ſpringe über Jahre fort; ich
male Bilder und bringe keine Handlung; ich breche ab
ohne den alten Ton ausklingen zu laſſen; ich will nicht
lehren, ſondern ich will vergeſſen, ich — ſchreibe keinen
Roman! —
Heute werfe ich zum erſten Mal einen prüfenden Blick
zurück und muß ſelber lächeln. Alter Kopf, was machſt
Du? Was werden die vernünftigen Leute ſagen, wenn
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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/115>, abgerufen am 05.07.2024.
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