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Raabe, Wilhelm: Das letzte Recht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Peter Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 205–280. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Vor ungefähr einem Jahre waren die Herren Scabini von Rothenburg in die unangenehme Nothwendigkeit versetzt worden, dem eigenen Nachrichter wegen eines nicht von Amtswegen geschehenen Todtschlags im hochnothpeinlichen Blutgericht das Urtheil sprechen zu müssen, und nur ein Postreiter vom Kriegsschauplatz her konnte die Stadt in eine ähnliche Aufregung bringen, wie dieser unerhörte Fall. Man konnte doch unmöglich von dem armen Sünder verlangen, daß er sich selbst, eigenhändig, an den vorhandenen eben so schönen als dauerhaften Galgen hänge! In vollkommener Rathlosigkeit rathschlagte man über dies Unicum; Briefe wurden an alle benachbarten Städte, welche sich des Blutbannes rühmten, um freundnachbarliche Aushilfe geschrieben; aber das Unheil und der Zufall wollten, daß dem Bitten des Rathes von Rothenburg aus dem einen oder andern Grunde nirgends Folge gegeben werden konnte. Da gab es viel Kopfschütteln, und mehrere Tage hindurch war das Städtlein von dem aus den Perrücken aufsteigenden Puderstaub in einen leichten Duftschleier gehüllt. Da gab es viel Räsonniren und Schwadroniren zu Haus und in den Schenken, und zuletzt mußte ein hochedler Rath in den letztern ein Mandat anschlagen lassen, durch welches den witzigen Köpfen verboten wurde, die "Fatalität" zum Thema ihrer Untersuchungen zu machen.

Seinen Bürgern konnte der Rath nun wohl das Spotten und Lachen verbieten; was aber den armen Sünder selbst betraf, so ging das doch nicht an. In

Vor ungefähr einem Jahre waren die Herren Scabini von Rothenburg in die unangenehme Nothwendigkeit versetzt worden, dem eigenen Nachrichter wegen eines nicht von Amtswegen geschehenen Todtschlags im hochnothpeinlichen Blutgericht das Urtheil sprechen zu müssen, und nur ein Postreiter vom Kriegsschauplatz her konnte die Stadt in eine ähnliche Aufregung bringen, wie dieser unerhörte Fall. Man konnte doch unmöglich von dem armen Sünder verlangen, daß er sich selbst, eigenhändig, an den vorhandenen eben so schönen als dauerhaften Galgen hänge! In vollkommener Rathlosigkeit rathschlagte man über dies Unicum; Briefe wurden an alle benachbarten Städte, welche sich des Blutbannes rühmten, um freundnachbarliche Aushilfe geschrieben; aber das Unheil und der Zufall wollten, daß dem Bitten des Rathes von Rothenburg aus dem einen oder andern Grunde nirgends Folge gegeben werden konnte. Da gab es viel Kopfschütteln, und mehrere Tage hindurch war das Städtlein von dem aus den Perrücken aufsteigenden Puderstaub in einen leichten Duftschleier gehüllt. Da gab es viel Räsonniren und Schwadroniren zu Haus und in den Schenken, und zuletzt mußte ein hochedler Rath in den letztern ein Mandat anschlagen lassen, durch welches den witzigen Köpfen verboten wurde, die “Fatalität“ zum Thema ihrer Untersuchungen zu machen.

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[0011] Vor ungefähr einem Jahre waren die Herren Scabini von Rothenburg in die unangenehme Nothwendigkeit versetzt worden, dem eigenen Nachrichter wegen eines nicht von Amtswegen geschehenen Todtschlags im hochnothpeinlichen Blutgericht das Urtheil sprechen zu müssen, und nur ein Postreiter vom Kriegsschauplatz her konnte die Stadt in eine ähnliche Aufregung bringen, wie dieser unerhörte Fall. Man konnte doch unmöglich von dem armen Sünder verlangen, daß er sich selbst, eigenhändig, an den vorhandenen eben so schönen als dauerhaften Galgen hänge! In vollkommener Rathlosigkeit rathschlagte man über dies Unicum; Briefe wurden an alle benachbarten Städte, welche sich des Blutbannes rühmten, um freundnachbarliche Aushilfe geschrieben; aber das Unheil und der Zufall wollten, daß dem Bitten des Rathes von Rothenburg aus dem einen oder andern Grunde nirgends Folge gegeben werden konnte. Da gab es viel Kopfschütteln, und mehrere Tage hindurch war das Städtlein von dem aus den Perrücken aufsteigenden Puderstaub in einen leichten Duftschleier gehüllt. Da gab es viel Räsonniren und Schwadroniren zu Haus und in den Schenken, und zuletzt mußte ein hochedler Rath in den letztern ein Mandat anschlagen lassen, durch welches den witzigen Köpfen verboten wurde, die “Fatalität“ zum Thema ihrer Untersuchungen zu machen. Seinen Bürgern konnte der Rath nun wohl das Spotten und Lachen verbieten; was aber den armen Sünder selbst betraf, so ging das doch nicht an. In

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-23T09:56:25Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-23T09:56:25Z)

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das letzte Recht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Peter Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 205–280. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_recht_1910/11>, abgerufen am 24.11.2024.