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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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Kind! so sage es doch, was Du eigentlich von mir
verlangst! Wie soll ich Dir rathen? wie soll ich Dir
helfen, Wieschen? Thu die Schürze von den Augen
und rede deutlich."

Das Mädchen zog die Schürze von den verschwol¬
lenen Augen herunter und sagte unter leisem Weinen:

"Ich kann ja um Gott und Jesu nichts dazu, wenn
dem Herrn Magister die Suppe da ganz kalt wird; aber
draußen steht er, und er will dem Herrn Amtmann
noch vor den Franzosen den rothen Hahn auf's Dach
setzen, und dann will er selber unter das Volk, zu den
Franzosen und dem Herzog Ferdinand. Es ist ihm jetzt
Alles einerlei, und ich bin ihm auch einerlei. Auf kein
gutes und giftiges Wort hört er; und draußen steht er;
und von Ihm, Herr, wollen wir den nächsten Weg in
das blutige Elend wissen; denn hier halten wir es nicht
länger aus in Amelungsborn!"


Kind! ſo ſage es doch, was Du eigentlich von mir
verlangſt! Wie ſoll ich Dir rathen? wie ſoll ich Dir
helfen, Wieſchen? Thu die Schürze von den Augen
und rede deutlich.“

Das Mädchen zog die Schürze von den verſchwol¬
lenen Augen herunter und ſagte unter leiſem Weinen:

„Ich kann ja um Gott und Jeſu nichts dazu, wenn
dem Herrn Magiſter die Suppe da ganz kalt wird; aber
draußen ſteht er, und er will dem Herrn Amtmann
noch vor den Franzoſen den rothen Hahn auf's Dach
ſetzen, und dann will er ſelber unter das Volk, zu den
Franzoſen und dem Herzog Ferdinand. Es iſt ihm jetzt
Alles einerlei, und ich bin ihm auch einerlei. Auf kein
gutes und giftiges Wort hört er; und draußen ſteht er;
und von Ihm, Herr, wollen wir den nächſten Weg in
das blutige Elend wiſſen; denn hier halten wir es nicht
länger aus in Amelungsborn!“


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[61/0069] Kind! ſo ſage es doch, was Du eigentlich von mir verlangſt! Wie ſoll ich Dir rathen? wie ſoll ich Dir helfen, Wieſchen? Thu die Schürze von den Augen und rede deutlich.“ Das Mädchen zog die Schürze von den verſchwol¬ lenen Augen herunter und ſagte unter leiſem Weinen: „Ich kann ja um Gott und Jeſu nichts dazu, wenn dem Herrn Magiſter die Suppe da ganz kalt wird; aber draußen ſteht er, und er will dem Herrn Amtmann noch vor den Franzoſen den rothen Hahn auf's Dach ſetzen, und dann will er ſelber unter das Volk, zu den Franzoſen und dem Herzog Ferdinand. Es iſt ihm jetzt Alles einerlei, und ich bin ihm auch einerlei. Auf kein gutes und giftiges Wort hört er; und draußen ſteht er; und von Ihm, Herr, wollen wir den nächſten Weg in das blutige Elend wiſſen; denn hier halten wir es nicht länger aus in Amelungsborn!“

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/69>, abgerufen am 18.04.2024.