jetzt, daß unser Magister Buchius heute nicht auch für ewig verloren gegangen ist. Da hat man doch wieder einen Menschen in Amelungsborn, der Einem ein ver¬ nünftig Wort sagen und an den man sich halten kann!
Magister Buchius, vor dem an Leib und Seele zer¬ brochenen Manne stehend, schüttelte nur seufzend den Kopf und dachte sich das Seinige, nicht seines Ausganges aus Kloster Amelungsborn am heutigen Morgen, sondern wehmüthig-getröstet, seines Eingangs und langen Aufent¬ halts in Kloster Amelungsborn gedenkend.
"Gehen Sie zu meiner Frau, Jungfer Nichte, und frage ob sie noch eine Ihr anständige Beschäftigung für Sie weiß. Also es ist mein eigener, Schelze? Ich kann mich nicht aus dem Stuhl rühren; sieh zu, Heinrich, ob Du noch einen Halfterstrick für ihn finden kannst. Ein schwerer, schwerer Tag, Herr Magister -- leere Ställe, leere Krippen, Hab und Gut zerschlagen und durcheinander geworfen! Gebe der Herr mir doch Seine Hand, es ist mir als habe ich Ihm noch für Allerlei und sonst Was meine Abbitte zu leisten. Aber mir ist zu konfuse in den Sinnen; vergebe Er mir was zwischen uns passirt sein mag. Es ist mir ein wirklicher Trost, daß Er sich wieder eingefunden hat und uns nicht verlassen will in unserer Verwirrung. Wollen der Herr Magister aber doch nicht lieber noch bei währendem Tageslicht nachsehen, wie Ihm auch das Seinige heute von der Sündfluth verschwemmt worden ist? Ich habe in dem Tumult von Nichts was ab und zu Nichts was zu
jetzt, daß unſer Magiſter Buchius heute nicht auch für ewig verloren gegangen iſt. Da hat man doch wieder einen Menſchen in Amelungsborn, der Einem ein ver¬ nünftig Wort ſagen und an den man ſich halten kann!
Magiſter Buchius, vor dem an Leib und Seele zer¬ brochenen Manne ſtehend, ſchüttelte nur ſeufzend den Kopf und dachte ſich das Seinige, nicht ſeines Ausganges aus Kloſter Amelungsborn am heutigen Morgen, ſondern wehmüthig-getröſtet, ſeines Eingangs und langen Aufent¬ halts in Kloſter Amelungsborn gedenkend.
„Gehen Sie zu meiner Frau, Jungfer Nichte, und frage ob ſie noch eine Ihr anſtändige Beſchäftigung für Sie weiß. Alſo es iſt mein eigener, Schelze? Ich kann mich nicht aus dem Stuhl rühren; ſieh zu, Heinrich, ob Du noch einen Halfterſtrick für ihn finden kannſt. Ein ſchwerer, ſchwerer Tag, Herr Magiſter — leere Ställe, leere Krippen, Hab und Gut zerſchlagen und durcheinander geworfen! Gebe der Herr mir doch Seine Hand, es iſt mir als habe ich Ihm noch für Allerlei und ſonſt Was meine Abbitte zu leiſten. Aber mir iſt zu konfuſe in den Sinnen; vergebe Er mir was zwiſchen uns paſſirt ſein mag. Es iſt mir ein wirklicher Troſt, daß Er ſich wieder eingefunden hat und uns nicht verlaſſen will in unſerer Verwirrung. Wollen der Herr Magiſter aber doch nicht lieber noch bei währendem Tageslicht nachſehen, wie Ihm auch das Seinige heute von der Sündfluth verſchwemmt worden iſt? Ich habe in dem Tumult von Nichts was ab und zu Nichts was zu
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jetzt, daß unſer Magiſter Buchius heute nicht auch für
ewig verloren gegangen iſt. Da hat man doch wieder
einen Menſchen in Amelungsborn, der Einem ein ver¬
nünftig Wort ſagen und an den man ſich halten kann!
Magiſter Buchius, vor dem an Leib und Seele zer¬
brochenen Manne ſtehend, ſchüttelte nur ſeufzend den
Kopf und dachte ſich das Seinige, nicht ſeines Ausganges
aus Kloſter Amelungsborn am heutigen Morgen, ſondern
wehmüthig-getröſtet, ſeines Eingangs und langen Aufent¬
halts in Kloſter Amelungsborn gedenkend.
„Gehen Sie zu meiner Frau, Jungfer Nichte, und
frage ob ſie noch eine Ihr anſtändige Beſchäftigung für
Sie weiß. Alſo es iſt mein eigener, Schelze? Ich
kann mich nicht aus dem Stuhl rühren; ſieh zu, Heinrich,
ob Du noch einen Halfterſtrick für ihn finden kannſt.
Ein ſchwerer, ſchwerer Tag, Herr Magiſter — leere
Ställe, leere Krippen, Hab und Gut zerſchlagen und
durcheinander geworfen! Gebe der Herr mir doch Seine
Hand, es iſt mir als habe ich Ihm noch für Allerlei
und ſonſt Was meine Abbitte zu leiſten. Aber mir iſt zu
konfuſe in den Sinnen; vergebe Er mir was zwiſchen uns
paſſirt ſein mag. Es iſt mir ein wirklicher Troſt, daß
Er ſich wieder eingefunden hat und uns nicht verlaſſen
will in unſerer Verwirrung. Wollen der Herr Magiſter
aber doch nicht lieber noch bei währendem Tageslicht
nachſehen, wie Ihm auch das Seinige heute von der
Sündfluth verſchwemmt worden iſt? Ich habe in dem
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/293>, abgerufen am 24.11.2024.
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