Ihre Meinung, Mamsell, wenn ich mit Höflichkeit fragen mag?"
"Es ist mir Alles einerlei; ob ich lebe oder todt bin. Und der Junge war noch mein einziger Trost. Nun ist auch unser Thedel hin, Magister Buchius. Mein Lebtage vergesse ich ihm diesen Tag nicht. Aber es ist einerlei und Ein Morast. Ich wehre mich gegen garnichts mehr und strecke nicht mal mehr eine Hand aus dem Dreck zu unserm Herrgott auf wie Der da!"
Sie wies auf eine krampfhaft zerkrümmte Menschen¬ hand, die aus dem Sumpf zur Seite aufragte und der man es nicht einmal mehr am Aermelaufschlag abmerken konnte, daß hier wieder ein früherer Bekannter und feiner Cavalier von den Dragonern Seiner allerchrist¬ lichsten Majestät durch die Reiterei der hohen Alliirten in den deutschen Grund und Boden mit hineingestampft worden sei.
"O Heinrich, wenn wir nur mit dem Leben davon kommen. Alles Andere ist ja einerlei!" schluchzte oder, wie man dort in der Gegend sich ausdrückt, schnukte Wieschen, und Die war die Einzige von ihnen Allen, die damit ein verständiges Wort in das Elend hinein¬ gab. "Ach, wenn doch unser Herrgott endlich ein Ein¬ sehen haben wollte, und Du und der Herr Klosteramt¬ mann auch! Ich will mir ja auf dem Hofe und von Euch Alles gefallen lassen!"
Was den Herrgott anbetraf, so hatte der wirklich "ein Einsehen". Er hielt wenigstens an dieser Stelle
Ihre Meinung, Mamſell, wenn ich mit Höflichkeit fragen mag?“
„Es iſt mir Alles einerlei; ob ich lebe oder todt bin. Und der Junge war noch mein einziger Troſt. Nun iſt auch unſer Thedel hin, Magiſter Buchius. Mein Lebtage vergeſſe ich ihm dieſen Tag nicht. Aber es iſt einerlei und Ein Moraſt. Ich wehre mich gegen garnichts mehr und ſtrecke nicht mal mehr eine Hand aus dem Dreck zu unſerm Herrgott auf wie Der da!“
Sie wies auf eine krampfhaft zerkrümmte Menſchen¬ hand, die aus dem Sumpf zur Seite aufragte und der man es nicht einmal mehr am Aermelaufſchlag abmerken konnte, daß hier wieder ein früherer Bekannter und feiner Cavalier von den Dragonern Seiner allerchriſt¬ lichſten Majeſtät durch die Reiterei der hohen Alliirten in den deutſchen Grund und Boden mit hineingeſtampft worden ſei.
„O Heinrich, wenn wir nur mit dem Leben davon kommen. Alles Andere iſt ja einerlei!“ ſchluchzte oder, wie man dort in der Gegend ſich ausdrückt, ſchnukte Wieſchen, und Die war die Einzige von ihnen Allen, die damit ein verſtändiges Wort in das Elend hinein¬ gab. „Ach, wenn doch unſer Herrgott endlich ein Ein¬ ſehen haben wollte, und Du und der Herr Kloſteramt¬ mann auch! Ich will mir ja auf dem Hofe und von Euch Alles gefallen laſſen!“
Was den Herrgott anbetraf, ſo hatte der wirklich „ein Einſehen“. Er hielt wenigſtens an dieſer Stelle
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Ihre Meinung, Mamſell, wenn ich mit Höflichkeit
fragen mag?“
„Es iſt mir Alles einerlei; ob ich lebe oder todt
bin. Und der Junge war noch mein einziger Troſt.
Nun iſt auch unſer Thedel hin, Magiſter Buchius.
Mein Lebtage vergeſſe ich ihm dieſen Tag nicht. Aber
es iſt einerlei und Ein Moraſt. Ich wehre mich gegen
garnichts mehr und ſtrecke nicht mal mehr eine Hand
aus dem Dreck zu unſerm Herrgott auf wie Der da!“
Sie wies auf eine krampfhaft zerkrümmte Menſchen¬
hand, die aus dem Sumpf zur Seite aufragte und der
man es nicht einmal mehr am Aermelaufſchlag abmerken
konnte, daß hier wieder ein früherer Bekannter und
feiner Cavalier von den Dragonern Seiner allerchriſt¬
lichſten Majeſtät durch die Reiterei der hohen Alliirten
in den deutſchen Grund und Boden mit hineingeſtampft
worden ſei.
„O Heinrich, wenn wir nur mit dem Leben davon
kommen. Alles Andere iſt ja einerlei!“ ſchluchzte oder,
wie man dort in der Gegend ſich ausdrückt, ſchnukte
Wieſchen, und Die war die Einzige von ihnen Allen,
die damit ein verſtändiges Wort in das Elend hinein¬
gab. „Ach, wenn doch unſer Herrgott endlich ein Ein¬
ſehen haben wollte, und Du und der Herr Kloſteramt¬
mann auch! Ich will mir ja auf dem Hofe und von
Euch Alles gefallen laſſen!“
Was den Herrgott anbetraf, ſo hatte der wirklich
„ein Einſehen“. Er hielt wenigſtens an dieſer Stelle
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/271>, abgerufen am 16.02.2025.
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