Das Herz des Herzogs Ferdinand mochte sich wohl bewegen, wie es sich jetzt vom Ith herunter, vom Rothen Stein her, auf der Landstraße zwischen Scharf¬ oldendorf und Eschershausen ihm unter seinen ziehenden Truppen andrängte, Groß und Klein, Mann und Weib, in Lumpen und Thränen:
"Lieber Herre, nach Ihm haben wir ja immer ausgeguckt! ... Herr Herzog, Herr Herzog, ich bin ja auch aus Bevern! ... Liebster Herr Prinz Ferdinand, ich bin so ein alter Mann, ich habe bei Seiner Frau Mutter in Antoinettenruhe im Garten gegraben! ... Und ich habe bei Seines Herrn Vaters Tod die Glocke im Kirchthurm geläutet. Helfe Er mir aus dem Elend, Herre Durchlaucht, ich bin auch des Herrn Bruders Landeskind und hier zu Hause und habe noch einen Jungen unterm Herrn Erbprinzen, und Zweie liegen schon begraben, Einer in Böhmen unterm König Fritzen und Einer unter Ihm selber bei Minden!" ...
"Und ich habe Seinen Rockknopf, Durchlaucht Herr Herzog, als Zeichen, daß Er mir helfen will; und das ist der Herr Magister Buchius, und da bringt mein Heinrich auch mit blutigem Kopfe den Junker von Münchhausen, und das ist Mamsell Fegebanck, des Herrn Klosteramtmanns vornehme Jungfer Nichte, der sie auch die Falten aus dem Rock gerissen haben. Und meinen Heinrich wollen sie jetzt mir mit Gewalt unter's Volk nehmen, nachdem ich's ihm mit Jammer und Noth ausgeredet habe gestern Abend, als er gutwillig
Das Herz des Herzogs Ferdinand mochte ſich wohl bewegen, wie es ſich jetzt vom Ith herunter, vom Rothen Stein her, auf der Landſtraße zwiſchen Scharf¬ oldendorf und Eſchershauſen ihm unter ſeinen ziehenden Truppen andrängte, Groß und Klein, Mann und Weib, in Lumpen und Thränen:
„Lieber Herre, nach Ihm haben wir ja immer ausgeguckt! ... Herr Herzog, Herr Herzog, ich bin ja auch aus Bevern! ... Liebſter Herr Prinz Ferdinand, ich bin ſo ein alter Mann, ich habe bei Seiner Frau Mutter in Antoinettenruhe im Garten gegraben! ... Und ich habe bei Seines Herrn Vaters Tod die Glocke im Kirchthurm geläutet. Helfe Er mir aus dem Elend, Herre Durchlaucht, ich bin auch des Herrn Bruders Landeskind und hier zu Hauſe und habe noch einen Jungen unterm Herrn Erbprinzen, und Zweie liegen ſchon begraben, Einer in Böhmen unterm König Fritzen und Einer unter Ihm ſelber bei Minden!“ ...
„Und ich habe Seinen Rockknopf, Durchlaucht Herr Herzog, als Zeichen, daß Er mir helfen will; und das iſt der Herr Magiſter Buchius, und da bringt mein Heinrich auch mit blutigem Kopfe den Junker von Münchhauſen, und das iſt Mamſell Fegebanck, des Herrn Kloſteramtmanns vornehme Jungfer Nichte, der ſie auch die Falten aus dem Rock geriſſen haben. Und meinen Heinrich wollen ſie jetzt mir mit Gewalt unter's Volk nehmen, nachdem ich's ihm mit Jammer und Noth ausgeredet habe geſtern Abend, als er gutwillig
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Das Herz des Herzogs Ferdinand mochte ſich wohl
bewegen, wie es ſich jetzt vom Ith herunter, vom
Rothen Stein her, auf der Landſtraße zwiſchen Scharf¬
oldendorf und Eſchershauſen ihm unter ſeinen ziehenden
Truppen andrängte, Groß und Klein, Mann und Weib,
in Lumpen und Thränen:
„Lieber Herre, nach Ihm haben wir ja immer
ausgeguckt! ... Herr Herzog, Herr Herzog, ich bin ja
auch aus Bevern! ... Liebſter Herr Prinz Ferdinand,
ich bin ſo ein alter Mann, ich habe bei Seiner Frau
Mutter in Antoinettenruhe im Garten gegraben! ...
Und ich habe bei Seines Herrn Vaters Tod die Glocke im
Kirchthurm geläutet. Helfe Er mir aus dem Elend,
Herre Durchlaucht, ich bin auch des Herrn Bruders
Landeskind und hier zu Hauſe und habe noch einen
Jungen unterm Herrn Erbprinzen, und Zweie liegen
ſchon begraben, Einer in Böhmen unterm König Fritzen
und Einer unter Ihm ſelber bei Minden!“ ...
„Und ich habe Seinen Rockknopf, Durchlaucht Herr
Herzog, als Zeichen, daß Er mir helfen will; und das
iſt der Herr Magiſter Buchius, und da bringt mein
Heinrich auch mit blutigem Kopfe den Junker von
Münchhauſen, und das iſt Mamſell Fegebanck, des
Herrn Kloſteramtmanns vornehme Jungfer Nichte, der
ſie auch die Falten aus dem Rock geriſſen haben. Und
meinen Heinrich wollen ſie jetzt mir mit Gewalt unter's
Volk nehmen, nachdem ich's ihm mit Jammer und
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/254>, abgerufen am 21.11.2024.
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