vor jeder Kuh- und Pferdekrippe, in jeder Spinnstube, geht es im Sommer und im Winter, bei Tage wie bei Nacht um: der wilde Mann vom Harze habe sich auch hier bei uns an der Heinen Grasgrabe sehen und spüren lassen!"
"Sehen und spüren lassen!" lachte Thedel von Münchhausen. "Ein paar blutige Köpfe und blau und grüne Buckelstriemen setzte es wohl ab. Dießmal ließ das Spukeding einige handgreifliche Beweise von seiner Erscheinung zurück; ehe und bevor auch es sich wieder in die blaue Luft auflöste."
"Und der Herr Junker hat es über sich vermocht, hierüber den Mund zu halten und nur in der Stille sein Gaudium an -- uns Allen in und rund um Kloster Amelungsborn zu haben?" rief Heinrich in voller Bewunderung einer Verschweigsamkeit, deren er sich nimmer nach einem solchen Streiche für fähig achtete. "Was sagen denn der Herr Magister jetzt hierzu?"
Magister Buchius sagte gar nichts. Er ließ nur ein undeutlich Gebrumm vernehmen und nicht ohne rationes sufficientes, nicht ohne zureichende Gründe.
Er hatte seinerzeit nämlich durchaus nicht gewußt, was er von dieser kuriosen Apparition des Wilden Mannes, des Butzemannes vom Harze unterm Butze¬ berge am Vogler und auf dem Odfelde, auf dem alten Geschichts-, Geister- und Zauberboden zu halten habe. Wie er sich zu verhalten habe gegen die Meinungen und Ansichten, die Jedermann um ihn her, spöttisch,
Raabe, Das Odfeld. 15
vor jeder Kuh- und Pferdekrippe, in jeder Spinnſtube, geht es im Sommer und im Winter, bei Tage wie bei Nacht um: der wilde Mann vom Harze habe ſich auch hier bei uns an der Heinen Grasgrabe ſehen und ſpüren laſſen!“
„Sehen und ſpüren laſſen!“ lachte Thedel von Münchhauſen. „Ein paar blutige Köpfe und blau und grüne Buckelſtriemen ſetzte es wohl ab. Dießmal ließ das Spukeding einige handgreifliche Beweiſe von ſeiner Erſcheinung zurück; ehe und bevor auch es ſich wieder in die blaue Luft auflöſte.“
„Und der Herr Junker hat es über ſich vermocht, hierüber den Mund zu halten und nur in der Stille ſein Gaudium an — uns Allen in und rund um Kloſter Amelungsborn zu haben?“ rief Heinrich in voller Bewunderung einer Verſchweigſamkeit, deren er ſich nimmer nach einem ſolchen Streiche für fähig achtete. „Was ſagen denn der Herr Magiſter jetzt hierzu?“
Magiſter Buchius ſagte gar nichts. Er ließ nur ein undeutlich Gebrumm vernehmen und nicht ohne rationes sufficientes, nicht ohne zureichende Gründe.
Er hatte ſeinerzeit nämlich durchaus nicht gewußt, was er von dieſer kurioſen Apparition des Wilden Mannes, des Butzemannes vom Harze unterm Butze¬ berge am Vogler und auf dem Odfelde, auf dem alten Geſchichts-, Geiſter- und Zauberboden zu halten habe. Wie er ſich zu verhalten habe gegen die Meinungen und Anſichten, die Jedermann um ihn her, ſpöttiſch,
Raabe, Das Odfeld. 15
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vor jeder Kuh- und Pferdekrippe, in jeder Spinnſtube,
geht es im Sommer und im Winter, bei Tage wie
bei Nacht um: der wilde Mann vom Harze habe ſich
auch hier bei uns an der Heinen Grasgrabe ſehen und
ſpüren laſſen!“
„Sehen und ſpüren laſſen!“ lachte Thedel von
Münchhauſen. „Ein paar blutige Köpfe und blau und
grüne Buckelſtriemen ſetzte es wohl ab. Dießmal ließ
das Spukeding einige handgreifliche Beweiſe von ſeiner
Erſcheinung zurück; ehe und bevor auch es ſich wieder
in die blaue Luft auflöſte.“
„Und der Herr Junker hat es über ſich vermocht,
hierüber den Mund zu halten und nur in der Stille
ſein Gaudium an — uns Allen in und rund um
Kloſter Amelungsborn zu haben?“ rief Heinrich in voller
Bewunderung einer Verſchweigſamkeit, deren er ſich
nimmer nach einem ſolchen Streiche für fähig achtete.
„Was ſagen denn der Herr Magiſter jetzt hierzu?“
Magiſter Buchius ſagte gar nichts. Er ließ nur
ein undeutlich Gebrumm vernehmen und nicht ohne
rationes sufficientes, nicht ohne zureichende Gründe.
Er hatte ſeinerzeit nämlich durchaus nicht gewußt,
was er von dieſer kurioſen Apparition des Wilden
Mannes, des Butzemannes vom Harze unterm Butze¬
berge am Vogler und auf dem Odfelde, auf dem alten
Geſchichts-, Geiſter- und Zauberboden zu halten habe.
Wie er ſich zu verhalten habe gegen die Meinungen
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/233>, abgerufen am 05.07.2024.
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