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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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mal aus Neugier. Ich hab's ja immer mit der Schule
gehalten und kroch nur der Schule wegen hier auch mal
unter, um zum Besten unserer Herren Primaner dem
Cujon, dem Grünrock von Heinrichshagen die Fährte zu
verwischen."

Der alte Herr winkte jetzt nur melancholisch lächelnd
dem armen Sünder Verzeihung und wendete sich zu
seinen übrigen Schutzbefohlenen:

"Nun sei es, wie es geschrieben steht: Es sollen
wohl Berge weichen und Hügel einfallen; aber meine
Gnade soll nicht von Dir weichen."

"Ueberwind haben wir hier zum wenigsten," meinte
Thedel von Münchhausen in der freilich windstillen,
aber schlachtüberdonnerten Schluft im "Dolomit" und
im Hochwald umguckend. "Nu, dies soll mich doch wun¬
dern. O Mademoi -- Engel; sicher wie Daun bei Kolin
im Felsennest! Aber dießmal krauchen wir vor König
Fritzens Parthei unter, wenn uns der Herr Magister
die Thür zeigen will. Herrgott von Dassel, und die
Prima von Amelungsborn hat bis itzo nicht auch hier
Bescheid gewußt?! ..."

Dießmal grinste Magister Buchius beinahe völlig
wie einer seiner früheren Schuljungen; dann aber klatschte
er halb zärtlich halb wehmüthig dem Schimmel des Herrn
Klosteramtmanns auf die magere Flanke:

"Für Dich, armer Freund, hab' ich leider kein Unter¬
kommen; aber ich hoffe, Du wirst, unserer Last und

mal aus Neugier. Ich hab's ja immer mit der Schule
gehalten und kroch nur der Schule wegen hier auch mal
unter, um zum Beſten unſerer Herren Primaner dem
Cujon, dem Grünrock von Heinrichshagen die Fährte zu
verwiſchen.“

Der alte Herr winkte jetzt nur melancholiſch lächelnd
dem armen Sünder Verzeihung und wendete ſich zu
ſeinen übrigen Schutzbefohlenen:

„Nun ſei es, wie es geſchrieben ſteht: Es ſollen
wohl Berge weichen und Hügel einfallen; aber meine
Gnade ſoll nicht von Dir weichen.“

„Ueberwind haben wir hier zum wenigſten,“ meinte
Thedel von Münchhauſen in der freilich windſtillen,
aber ſchlachtüberdonnerten Schluft im „Dolomit“ und
im Hochwald umguckend. „Nu, dies ſoll mich doch wun¬
dern. O Mademoi — Engel; ſicher wie Daun bei Kolin
im Felſenneſt! Aber dießmal krauchen wir vor König
Fritzens Parthei unter, wenn uns der Herr Magiſter
die Thür zeigen will. Herrgott von Daſſel, und die
Prima von Amelungsborn hat bis itzo nicht auch hier
Beſcheid gewußt?! ...“

Dießmal grinſte Magiſter Buchius beinahe völlig
wie einer ſeiner früheren Schuljungen; dann aber klatſchte
er halb zärtlich halb wehmüthig dem Schimmel des Herrn
Kloſteramtmanns auf die magere Flanke:

„Für Dich, armer Freund, hab' ich leider kein Unter¬
kommen; aber ich hoffe, Du wirſt, unſerer Laſt und

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[191/0199] mal aus Neugier. Ich hab's ja immer mit der Schule gehalten und kroch nur der Schule wegen hier auch mal unter, um zum Beſten unſerer Herren Primaner dem Cujon, dem Grünrock von Heinrichshagen die Fährte zu verwiſchen.“ Der alte Herr winkte jetzt nur melancholiſch lächelnd dem armen Sünder Verzeihung und wendete ſich zu ſeinen übrigen Schutzbefohlenen: „Nun ſei es, wie es geſchrieben ſteht: Es ſollen wohl Berge weichen und Hügel einfallen; aber meine Gnade ſoll nicht von Dir weichen.“ „Ueberwind haben wir hier zum wenigſten,“ meinte Thedel von Münchhauſen in der freilich windſtillen, aber ſchlachtüberdonnerten Schluft im „Dolomit“ und im Hochwald umguckend. „Nu, dies ſoll mich doch wun¬ dern. O Mademoi — Engel; ſicher wie Daun bei Kolin im Felſenneſt! Aber dießmal krauchen wir vor König Fritzens Parthei unter, wenn uns der Herr Magiſter die Thür zeigen will. Herrgott von Daſſel, und die Prima von Amelungsborn hat bis itzo nicht auch hier Beſcheid gewußt?! ...“ Dießmal grinſte Magiſter Buchius beinahe völlig wie einer ſeiner früheren Schuljungen; dann aber klatſchte er halb zärtlich halb wehmüthig dem Schimmel des Herrn Kloſteramtmanns auf die magere Flanke: „Für Dich, armer Freund, hab' ich leider kein Unter¬ kommen; aber ich hoffe, Du wirſt, unſerer Laſt und

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/199>, abgerufen am 21.11.2024.