Raben in der Faust, der, aus den Lüften niederstürzend, im Gezweig hängen geblieben war; und als er sich bückte, sah er, daß er auf einen andern entseelten Kämpfer aus der Schlacht vom gestrigen Abend ge¬ treten war.
Portentum! Portentum! So dicht der Nebel sein mochte, der an diesem fünften November Siebenzehn¬ hunderteinundsechzig die Berge und Thäler an der Weser erfüllte, -- der Magister Buchius wußte jetzt wieder ganz genau, wo er stand -- zerzaust, geschlagen, athem¬ los, ein heimathloser, freundloser alter Schulmeister. Auf seinem Campus Odini, seinem Wodansfelde -- auf dem Odfelde stand er, während über den Quadhagen, das böse Gehäge her das Kleingewehrfeuer und der Kanonendonner von Frankreich, Großbritannien und der zu König Fritzen haltenden deutschen Völkerschaften in die graue Finsterniß hinein knatterte und krachte.
"Sie werden ihm längst die Fenster eingeschlagen haben, sonst stieße er sich den Kopf ein an den Scheiben!" ächzte Magister Buchius mit dem Vogelleichnam in der Hand, selbstverständlich jetzt zuerst an seinen in seiner Zelle eingesperrten Schützling und Gastfreund aus dem gestrigen Kampfe denkend.
"Portentum! Prodigium! Große Farren haben mich umgeben, fette Ochsen haben mich umringet; ihren Rachen sperren sie auf wider mich, ein brüllender und reißender Löwe," sagte der Magister. "Ich will's abwarten, wie Alle rundum es abwarten müssen, wie's
Raben in der Fauſt, der, aus den Lüften niederſtürzend, im Gezweig hängen geblieben war; und als er ſich bückte, ſah er, daß er auf einen andern entſeelten Kämpfer aus der Schlacht vom geſtrigen Abend ge¬ treten war.
Portentum! Portentum! So dicht der Nebel ſein mochte, der an dieſem fünften November Siebenzehn¬ hunderteinundſechzig die Berge und Thäler an der Weſer erfüllte, — der Magiſter Buchius wußte jetzt wieder ganz genau, wo er ſtand — zerzauſt, geſchlagen, athem¬ los, ein heimathloſer, freundloſer alter Schulmeiſter. Auf ſeinem Campus Odini, ſeinem Wodansfelde — auf dem Odfelde ſtand er, während über den Quadhagen, das böſe Gehäge her das Kleingewehrfeuer und der Kanonendonner von Frankreich, Großbritannien und der zu König Fritzen haltenden deutſchen Völkerſchaften in die graue Finſterniß hinein knatterte und krachte.
„Sie werden ihm längſt die Fenſter eingeſchlagen haben, ſonſt ſtieße er ſich den Kopf ein an den Scheiben!“ ächzte Magiſter Buchius mit dem Vogelleichnam in der Hand, ſelbſtverſtändlich jetzt zuerſt an ſeinen in ſeiner Zelle eingeſperrten Schützling und Gaſtfreund aus dem geſtrigen Kampfe denkend.
„Portentum! Prodigium! Große Farren haben mich umgeben, fette Ochſen haben mich umringet; ihren Rachen ſperren ſie auf wider mich, ein brüllender und reißender Löwe,“ ſagte der Magiſter. „Ich will's abwarten, wie Alle rundum es abwarten müſſen, wie's
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Raben in der Fauſt, der, aus den Lüften niederſtürzend,
im Gezweig hängen geblieben war; und als er ſich
bückte, ſah er, daß er auf einen andern entſeelten
Kämpfer aus der Schlacht vom geſtrigen Abend ge¬
treten war.
Portentum! Portentum! So dicht der Nebel ſein
mochte, der an dieſem fünften November Siebenzehn¬
hunderteinundſechzig die Berge und Thäler an der Weſer
erfüllte, — der Magiſter Buchius wußte jetzt wieder
ganz genau, wo er ſtand — zerzauſt, geſchlagen, athem¬
los, ein heimathloſer, freundloſer alter Schulmeiſter.
Auf ſeinem Campus Odini, ſeinem Wodansfelde — auf
dem Odfelde ſtand er, während über den Quadhagen,
das böſe Gehäge her das Kleingewehrfeuer und der
Kanonendonner von Frankreich, Großbritannien und der
zu König Fritzen haltenden deutſchen Völkerſchaften in
die graue Finſterniß hinein knatterte und krachte.
„Sie werden ihm längſt die Fenſter eingeſchlagen
haben, ſonſt ſtieße er ſich den Kopf ein an den Scheiben!“
ächzte Magiſter Buchius mit dem Vogelleichnam in
der Hand, ſelbſtverſtändlich jetzt zuerſt an ſeinen in
ſeiner Zelle eingeſperrten Schützling und Gaſtfreund
aus dem geſtrigen Kampfe denkend.
„Portentum! Prodigium! Große Farren haben
mich umgeben, fette Ochſen haben mich umringet; ihren
Rachen ſperren ſie auf wider mich, ein brüllender
und reißender Löwe,“ ſagte der Magiſter. „Ich will's
abwarten, wie Alle rundum es abwarten müſſen, wie's
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/164>, abgerufen am 05.07.2024.
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