Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889."Das fragt Sie noch, Mademoisell?" klang es vor¬ "Reine verrückt ist Er; aber -- doch ein guter "Engel!" schluchzte der Tollkopf, jetzt wahrhaftig "Ein Flegel braucht Er darum doch nicht zu sein, "Deßhalb bin ich ja von Holzminden hergelaufen. „Das fragt Sie noch, Mademoiſell?“ klang es vor¬ „Reine verrückt iſt Er; aber — doch ein guter „Engel!“ ſchluchzte der Tollkopf, jetzt wahrhaftig „Ein Flegel braucht Er darum doch nicht zu ſein, „Deßhalb bin ich ja von Holzminden hergelaufen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0138" n="130"/> <p>„Das fragt Sie noch, Mademoiſell?“ klang es vor¬<lb/> wurfsvoll zurück durch's Schlüſſelloch. „Bei dem Spek¬<lb/> takel? . . Sie aus dem Feuer holen, will er! In das<lb/> Waſſer für Sie gehen wie Ihr Pudelhund will er.<lb/> Jeden Franzmann, der Ihr auf drei Schritte nahe kommt,<lb/> unter'm Daumen knicken will er. Riegle Sie auf,<lb/> Jungfer! Will Sie? Auf den Knien liege ich hier —“<lb/></p> <p>„Reine verrückt iſt Er; aber — doch ein guter<lb/> Menſche!“ ſagte Jungfer Selinde Fegebanck, wirklich<lb/> ihre Thür öffnend und in demſelben Augenblick ihn,<lb/> mit der Fauſt in ſeinen Haaren, von ſich abdrängend.<lb/> „Herr von Münchhauſen, das bitt' ich mir aber aus —“<lb/></p> <p>„Engel!“ ſchluchzte der Tollkopf, jetzt wahrhaftig<lb/> auf den Knien vor ſeinem Ideale. „Hat man mich<lb/> nicht um Sie von Holzminden weggejagt? Bin ich<lb/> nicht um Sie den Tag durch gelaufen? Haben mich<lb/> Ihretwegen nicht der Herr von Chabot und ſeine Halunken<lb/> gejagt und hängen wollen? Hab ich nicht Ihretwegen<lb/> mit des Magiſters Buchius letzter Brodrinde die Nacht<lb/> durch auf dem kalten Gypsboden gelegen?“</p><lb/> <p>„Ein Flegel braucht Er darum doch nicht zu ſein,<lb/> und wenn ich zehntauſendmal ein Engel bin — Jeſus<lb/> Chriſtus, Thedel, liebſter, beſter, allerliebſter Thedel<lb/> — ſie wollen wohl dießmal das Kind im Mutterleibe<lb/> nicht verſchonen!“</p><lb/> <p>„Deßhalb bin ich ja von Holzminden hergelaufen.<lb/> Ueber meinen Leichnam geht der Weg zu Dir, meine<lb/> Prinzeß. Courage, Herze, Göttin, Seraph! Und in<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [130/0138]
„Das fragt Sie noch, Mademoiſell?“ klang es vor¬
wurfsvoll zurück durch's Schlüſſelloch. „Bei dem Spek¬
takel? . . Sie aus dem Feuer holen, will er! In das
Waſſer für Sie gehen wie Ihr Pudelhund will er.
Jeden Franzmann, der Ihr auf drei Schritte nahe kommt,
unter'm Daumen knicken will er. Riegle Sie auf,
Jungfer! Will Sie? Auf den Knien liege ich hier —“
„Reine verrückt iſt Er; aber — doch ein guter
Menſche!“ ſagte Jungfer Selinde Fegebanck, wirklich
ihre Thür öffnend und in demſelben Augenblick ihn,
mit der Fauſt in ſeinen Haaren, von ſich abdrängend.
„Herr von Münchhauſen, das bitt' ich mir aber aus —“
„Engel!“ ſchluchzte der Tollkopf, jetzt wahrhaftig
auf den Knien vor ſeinem Ideale. „Hat man mich
nicht um Sie von Holzminden weggejagt? Bin ich
nicht um Sie den Tag durch gelaufen? Haben mich
Ihretwegen nicht der Herr von Chabot und ſeine Halunken
gejagt und hängen wollen? Hab ich nicht Ihretwegen
mit des Magiſters Buchius letzter Brodrinde die Nacht
durch auf dem kalten Gypsboden gelegen?“
„Ein Flegel braucht Er darum doch nicht zu ſein,
und wenn ich zehntauſendmal ein Engel bin — Jeſus
Chriſtus, Thedel, liebſter, beſter, allerliebſter Thedel
— ſie wollen wohl dießmal das Kind im Mutterleibe
nicht verſchonen!“
„Deßhalb bin ich ja von Holzminden hergelaufen.
Ueber meinen Leichnam geht der Weg zu Dir, meine
Prinzeß. Courage, Herze, Göttin, Seraph! Und in
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