fang hinein in den Tumult des fünften Novembers Siebenzehnhunderteinundsechzig. Es war ihm wirklich nicht zuzumuthen, seinem -- einem alten Präceptor, und wenn es ihm auch der liebste war, in die Hosen zu helfen. Glücklicherweise aber hatte Mademoiselle ihre Toilette wenigstens so ziemlich vollendet, wäh¬ rend der Magister Buchius noch mit bebenden Fingern an seinen Knöpfen und Knopflöchern hin und wider tastete. Als ein standfestes Mädchen hatte sie ihren Traum abgeschüttelt, Feuer geschlagen, ihr Lämpchen angezündet und sich "für Alles zurecht gemacht". So saß sie auf ihrem Bettrand und wartete auf ihr Theil Unheil vom abermaligen Einbruch der Franzosen als ein gutes Mädchen, wie es dem lieben Gott gefällig war. --
"I du meine Güte!" rief sie, als in all dem Lärm des feindlichen Einbruchs es durch ihr Schlüsselloch klang:
"Sylvia, dein kaltes Nein, "Kann mir dennoch nicht verwehren, "Dich zu lieben, zu verehren; "Gieb nur hier ein Jawort drein."
"Der Junge! der närrische Junge!" rief sie, auf¬ springend und ihrerseits das Ohr zum Schloß der ver¬ riegelten Pforte niederbeugend. "Musjeh? Junker Thedel? Herr von Münchhausen, ist Er denn das? Jeses, auch jetzt mit Seinem ewigen Singsang? Was hat Er denn jetzt wieder für Narrheiten im Kopf?"
Raabe, Das Odfeld. 9
fang hinein in den Tumult des fünften Novembers Siebenzehnhunderteinundſechzig. Es war ihm wirklich nicht zuzumuthen, ſeinem — einem alten Präceptor, und wenn es ihm auch der liebſte war, in die Hoſen zu helfen. Glücklicherweiſe aber hatte Mademoiſelle ihre Toilette wenigſtens ſo ziemlich vollendet, wäh¬ rend der Magiſter Buchius noch mit bebenden Fingern an ſeinen Knöpfen und Knopflöchern hin und wider taſtete. Als ein ſtandfeſtes Mädchen hatte ſie ihren Traum abgeſchüttelt, Feuer geſchlagen, ihr Lämpchen angezündet und ſich „für Alles zurecht gemacht“. So ſaß ſie auf ihrem Bettrand und wartete auf ihr Theil Unheil vom abermaligen Einbruch der Franzoſen als ein gutes Mädchen, wie es dem lieben Gott gefällig war. —
„I du meine Güte!“ rief ſie, als in all dem Lärm des feindlichen Einbruchs es durch ihr Schlüſſelloch klang:
„Sylvia, dein kaltes Nein, „Kann mir dennoch nicht verwehren, „Dich zu lieben, zu verehren; „Gieb nur hier ein Jawort drein.“
„Der Junge! der närriſche Junge!“ rief ſie, auf¬ ſpringend und ihrerſeits das Ohr zum Schloß der ver¬ riegelten Pforte niederbeugend. „Musjeh? Junker Thedel? Herr von Münchhauſen, iſt Er denn das? Jeſes, auch jetzt mit Seinem ewigen Singſang? Was hat Er denn jetzt wieder für Narrheiten im Kopf?“
Raabe, Das Odfeld. 9
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fang hinein in den Tumult des fünften Novembers
Siebenzehnhunderteinundſechzig. Es war ihm wirklich
nicht zuzumuthen, ſeinem — einem alten Präceptor,
und wenn es ihm auch der liebſte war, in die Hoſen
zu helfen. Glücklicherweiſe aber hatte Mademoiſelle
ihre Toilette wenigſtens ſo ziemlich vollendet, wäh¬
rend der Magiſter Buchius noch mit bebenden Fingern
an ſeinen Knöpfen und Knopflöchern hin und wider
taſtete. Als ein ſtandfeſtes Mädchen hatte ſie ihren
Traum abgeſchüttelt, Feuer geſchlagen, ihr Lämpchen
angezündet und ſich „für Alles zurecht gemacht“. So
ſaß ſie auf ihrem Bettrand und wartete auf ihr Theil
Unheil vom abermaligen Einbruch der Franzoſen als
ein gutes Mädchen, wie es dem lieben Gott gefällig
war. —
„I du meine Güte!“ rief ſie, als in all dem Lärm
des feindlichen Einbruchs es durch ihr Schlüſſelloch
klang:
„Sylvia, dein kaltes Nein,
„Kann mir dennoch nicht verwehren,
„Dich zu lieben, zu verehren;
„Gieb nur hier ein Jawort drein.“
„Der Junge! der närriſche Junge!“ rief ſie, auf¬
ſpringend und ihrerſeits das Ohr zum Schloß der ver¬
riegelten Pforte niederbeugend. „Musjeh? Junker
Thedel? Herr von Münchhauſen, iſt Er denn das?
Jeſes, auch jetzt mit Seinem ewigen Singſang? Was
hat Er denn jetzt wieder für Narrheiten im Kopf?“
Raabe, Das Odfeld. 9
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/137>, abgerufen am 26.07.2024.
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