Kammer, Küche und Keller! Ordentlich leid konnte es Einem thun, als die Hellblauen vor den Dunkelblauen so Hals über Kopf davon mußten. Und dem galanten Monsieur, dem armen Lieutenant Seraphin, den die Knechte an der Gartenmauer vergraben haben, dem pflanze ich im Frühjahr noch einen Rosmarin auf's Grab. Es war zu poliment, wie er mir noch im Sterben die Hand küssen wollte. Den Schlingeln, den Lümmeln, den Grobianen, die Einem wie die wilden Thiere die Krause zerknüllen wollen, denen weiß man schon die zehn Fingernägel in's Fleisch und die Schnauz¬ bärte zu setzen. Ei ja, ja, ein böses Leben ist's im Kriege; aber doch ein anderes lustigeres Ding als zu unserer Magisters- und Schuljungenzeit hier. Da war doch nur der arme Junge, unser böser Thedel, der junge Herre von Münchhausen -- ja, Der zu Pferde, im Federhut, mit der Schärpe und mit dem Pallasch in der Faust -- -- -- je ja, je ja,-- -- -- "
Und auf den Lippen mit den Reimen:
Ist es möglich, daß Du weinest? Ist es möglich, daß Du meinest, Daß ich Dich verlassen kann?
war sie guten Gewissens und gesund eingeschlafen, um im Traum ihr Dasein und Wesen in der Welt weiter zu spielen wie im Wachen. Kloster Amelungsborn, sein Amt und seine Schule, der siebenjährige Krieg, die schwarzen Lateiner, die preußischen Husaren, die fran¬ zösischen Dragoner vertrugen sich in Mademoisell Selin¬
Kammer, Küche und Keller! Ordentlich leid konnte es Einem thun, als die Hellblauen vor den Dunkelblauen ſo Hals über Kopf davon mußten. Und dem galanten Monſieur, dem armen Lieutenant Seraphin, den die Knechte an der Gartenmauer vergraben haben, dem pflanze ich im Frühjahr noch einen Rosmarin auf's Grab. Es war zu poliment, wie er mir noch im Sterben die Hand küſſen wollte. Den Schlingeln, den Lümmeln, den Grobianen, die Einem wie die wilden Thiere die Krauſe zerknüllen wollen, denen weiß man ſchon die zehn Fingernägel in's Fleiſch und die Schnauz¬ bärte zu ſetzen. Ei ja, ja, ein böſes Leben iſt's im Kriege; aber doch ein anderes luſtigeres Ding als zu unſerer Magiſters- und Schuljungenzeit hier. Da war doch nur der arme Junge, unſer böſer Thedel, der junge Herre von Münchhauſen — ja, Der zu Pferde, im Federhut, mit der Schärpe und mit dem Pallaſch in der Fauſt — — — je ja, je ja,— — — “
Und auf den Lippen mit den Reimen:
Iſt es möglich, daß Du weineſt? Iſt es möglich, daß Du meineſt, Daß ich Dich verlaſſen kann?
war ſie guten Gewiſſens und geſund eingeſchlafen, um im Traum ihr Daſein und Weſen in der Welt weiter zu ſpielen wie im Wachen. Kloſter Amelungsborn, ſein Amt und ſeine Schule, der ſiebenjährige Krieg, die ſchwarzen Lateiner, die preußiſchen Huſaren, die fran¬ zöſiſchen Dragoner vertrugen ſich in Mademoiſell Selin¬
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Kammer, Küche und Keller! Ordentlich leid konnte es
Einem thun, als die Hellblauen vor den Dunkelblauen
ſo Hals über Kopf davon mußten. Und dem galanten
Monſieur, dem armen Lieutenant Seraphin, den die
Knechte an der Gartenmauer vergraben haben, dem
pflanze ich im Frühjahr noch einen Rosmarin auf's
Grab. Es war zu poliment, wie er mir noch im
Sterben die Hand küſſen wollte. Den Schlingeln, den
Lümmeln, den Grobianen, die Einem wie die wilden
Thiere die Krauſe zerknüllen wollen, denen weiß man
ſchon die zehn Fingernägel in's Fleiſch und die Schnauz¬
bärte zu ſetzen. Ei ja, ja, ein böſes Leben iſt's im
Kriege; aber doch ein anderes luſtigeres Ding als zu
unſerer Magiſters- und Schuljungenzeit hier. Da war
doch nur der arme Junge, unſer böſer Thedel, der junge
Herre von Münchhauſen — ja, Der zu Pferde, im Federhut,
mit der Schärpe und mit dem Pallaſch in der Fauſt
— — — je ja, je ja,— — — “
Und auf den Lippen mit den Reimen:
Iſt es möglich, daß Du weineſt?
Iſt es möglich, daß Du meineſt,
Daß ich Dich verlaſſen kann?
war ſie guten Gewiſſens und geſund eingeſchlafen, um
im Traum ihr Daſein und Weſen in der Welt weiter
zu ſpielen wie im Wachen. Kloſter Amelungsborn,
ſein Amt und ſeine Schule, der ſiebenjährige Krieg, die
ſchwarzen Lateiner, die preußiſchen Huſaren, die fran¬
zöſiſchen Dragoner vertrugen ſich in Mademoiſell Selin¬
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/124>, abgerufen am 05.07.2024.
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