lichsten und Ihnen verdrießlichsten Einwendungen gegen Sie hatte, bester, theurer Freund -- und wie gesagt, so haben Sie eben mit uns Geduld haben müssen, diese letzten schweren Jahre durch, wo Sie unsere einzige treue, sorgliche, männliche Stütze in der nahen Nachbarschaft und der weiten Welt waren, Herr Nachbar. Sie schütteln den Kopf, weil ich hier so in den schönen Sonntagsabend hinein¬ schwatze und ich bin noch nicht fertig, sondern komme jetzt auf Agathe. Ja, Nachbar, da sehen Sie mich nur an: gegen die habe ich die nämliche vergebliche treue Familienfreundsrolle gespielt, wie Sie gegen mich. Wie habe ich der, in Ihrem Sinne, Herr Nachbar, Vernunft gesprochen, ohne das Geringste auszurichten. Eben noch, wie Sie selber von hier aus gehört haben. Und das Resultat? Wie immer! Wie ich gegen Sie, Herr Regierungssekretär: Halb Thränenfluth, halb zehn ausgespreizte arme wehrlose dumme Weiberkrallen! Gerade so wie ich! Nur ein kleiner, ganz kleiner Unterschied: sie sucht immer noch ein Glück, welches es doch nicht giebt; ich will nur aus angeborener Schwäche und Ängstlichkeit mir manchmal nicht gern eine erträgliche Stunde ver¬ derben lassen. O ja, auch deshalb wäre es für uns beide Frauen wohl besser, wenn ich meinen Velten von Hause wegschickte, und ihr ihr liebes Kind auch
lichſten und Ihnen verdrießlichſten Einwendungen gegen Sie hatte, beſter, theurer Freund — und wie geſagt, ſo haben Sie eben mit uns Geduld haben müſſen, dieſe letzten ſchweren Jahre durch, wo Sie unſere einzige treue, ſorgliche, männliche Stütze in der nahen Nachbarſchaft und der weiten Welt waren, Herr Nachbar. Sie ſchütteln den Kopf, weil ich hier ſo in den ſchönen Sonntagsabend hinein¬ ſchwatze und ich bin noch nicht fertig, ſondern komme jetzt auf Agathe. Ja, Nachbar, da ſehen Sie mich nur an: gegen die habe ich die nämliche vergebliche treue Familienfreundsrolle geſpielt, wie Sie gegen mich. Wie habe ich der, in Ihrem Sinne, Herr Nachbar, Vernunft geſprochen, ohne das Geringſte auszurichten. Eben noch, wie Sie ſelber von hier aus gehört haben. Und das Reſultat? Wie immer! Wie ich gegen Sie, Herr Regierungsſekretär: Halb Thränenfluth, halb zehn ausgeſpreizte arme wehrloſe dumme Weiberkrallen! Gerade ſo wie ich! Nur ein kleiner, ganz kleiner Unterſchied: ſie ſucht immer noch ein Glück, welches es doch nicht giebt; ich will nur aus angeborener Schwäche und Ängſtlichkeit mir manchmal nicht gern eine erträgliche Stunde ver¬ derben laſſen. O ja, auch deshalb wäre es für uns beide Frauen wohl beſſer, wenn ich meinen Velten von Hauſe wegſchickte, und ihr ihr liebes Kind auch
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lichſten und Ihnen verdrießlichſten Einwendungen
gegen Sie hatte, beſter, theurer Freund — und wie
geſagt, ſo haben Sie eben mit uns Geduld haben
müſſen, dieſe letzten ſchweren Jahre durch, wo Sie
unſere einzige treue, ſorgliche, männliche Stütze
in der nahen Nachbarſchaft und der weiten Welt
waren, Herr Nachbar. Sie ſchütteln den Kopf, weil
ich hier ſo in den ſchönen Sonntagsabend hinein¬
ſchwatze und ich bin noch nicht fertig, ſondern komme
jetzt auf Agathe. Ja, Nachbar, da ſehen Sie mich
nur an: gegen die habe ich die nämliche vergebliche
treue Familienfreundsrolle geſpielt, wie Sie gegen
mich. Wie habe ich der, in Ihrem Sinne, Herr
Nachbar, Vernunft geſprochen, ohne das Geringſte
auszurichten. Eben noch, wie Sie ſelber von hier
aus gehört haben. Und das Reſultat? Wie immer!
Wie ich gegen Sie, Herr Regierungsſekretär: Halb
Thränenfluth, halb zehn ausgeſpreizte arme wehrloſe
dumme Weiberkrallen! Gerade ſo wie ich! Nur ein
kleiner, ganz kleiner Unterſchied: ſie ſucht immer
noch ein Glück, welches es doch nicht giebt; ich will
nur aus angeborener Schwäche und Ängſtlichkeit mir
manchmal nicht gern eine erträgliche Stunde ver¬
derben laſſen. O ja, auch deshalb wäre es für uns
beide Frauen wohl beſſer, wenn ich meinen Velten
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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/74>, abgerufen am 25.11.2024.
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