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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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sagte der Sohn seines Vaters. "Kommt dieser Sofa¬
held uns hier auf dem Kirchhofe mit seinem dummen
Gewitter! Geh Du dreist nach Haus und hol Dir
einen Regenschirm, wenn Deine Alten Dich wieder
loslassen; Miß und ich bleiben hier, bis wir naß
sind bis auf die Knochen. Famos, da verkriecht sich
die holde Luna und da haben wir die Prostemahlzeit,
wie sie in Schödlers Buch der Natur steht. Komm
rasch nach Hause, Lenchen! Deine Alte kenn ich, die
wird ja rein verrückt beim leisesten Donner, und
auf meine Alte und mich wird's natürlich allein ab¬
geladen, wenn Du morgen mit einer Schnupfennase
herumläufst."

"Lächerlich machen lasse ich mich nicht," sagt
Helene und setzt sich auf einen halbversunkenen Grab¬
stein neben dem des Doktors Andres. "Ich bleibe
hier, wie Du gesagt hast! Aber auch allein. Bilde
Dir ja nicht ein, Du Schafskopf, daß Du morgen
mit mir renommiren willst. Karlchen, nimm ihn
auf den Arm und trag ihn zu seiner Mama. Ja,
ich bleibe hier und denke an meinen Vater; -- was
kümmern mich eure Todten und dummen Gewitter?
In Amerika kommt das ganz anders, und kommt
mein Vater, um uns wieder zu sich zu holen, so --
o Himmel, Velten!"

Sie hatte trotz ihrer stolzen Worte doch einen

ſagte der Sohn ſeines Vaters. „Kommt dieſer Sofa¬
held uns hier auf dem Kirchhofe mit ſeinem dummen
Gewitter! Geh Du dreiſt nach Haus und hol Dir
einen Regenſchirm, wenn Deine Alten Dich wieder
loslaſſen; Miß und ich bleiben hier, bis wir naß
ſind bis auf die Knochen. Famos, da verkriecht ſich
die holde Luna und da haben wir die Proſtemahlzeit,
wie ſie in Schödlers Buch der Natur ſteht. Komm
raſch nach Hauſe, Lenchen! Deine Alte kenn ich, die
wird ja rein verrückt beim leiſeſten Donner, und
auf meine Alte und mich wird's natürlich allein ab¬
geladen, wenn Du morgen mit einer Schnupfennaſe
herumläufſt.“

„Lächerlich machen laſſe ich mich nicht,“ ſagt
Helene und ſetzt ſich auf einen halbverſunkenen Grab¬
ſtein neben dem des Doktors Andres. „Ich bleibe
hier, wie Du geſagt haſt! Aber auch allein. Bilde
Dir ja nicht ein, Du Schafskopf, daß Du morgen
mit mir renommiren willſt. Karlchen, nimm ihn
auf den Arm und trag ihn zu ſeiner Mama. Ja,
ich bleibe hier und denke an meinen Vater; — was
kümmern mich eure Todten und dummen Gewitter?
In Amerika kommt das ganz anders, und kommt
mein Vater, um uns wieder zu ſich zu holen, ſo —
o Himmel, Velten!“

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[48/0058] ſagte der Sohn ſeines Vaters. „Kommt dieſer Sofa¬ held uns hier auf dem Kirchhofe mit ſeinem dummen Gewitter! Geh Du dreiſt nach Haus und hol Dir einen Regenſchirm, wenn Deine Alten Dich wieder loslaſſen; Miß und ich bleiben hier, bis wir naß ſind bis auf die Knochen. Famos, da verkriecht ſich die holde Luna und da haben wir die Proſtemahlzeit, wie ſie in Schödlers Buch der Natur ſteht. Komm raſch nach Hauſe, Lenchen! Deine Alte kenn ich, die wird ja rein verrückt beim leiſeſten Donner, und auf meine Alte und mich wird's natürlich allein ab¬ geladen, wenn Du morgen mit einer Schnupfennaſe herumläufſt.“ „Lächerlich machen laſſe ich mich nicht,“ ſagt Helene und ſetzt ſich auf einen halbverſunkenen Grab¬ ſtein neben dem des Doktors Andres. „Ich bleibe hier, wie Du geſagt haſt! Aber auch allein. Bilde Dir ja nicht ein, Du Schafskopf, daß Du morgen mit mir renommiren willſt. Karlchen, nimm ihn auf den Arm und trag ihn zu ſeiner Mama. Ja, ich bleibe hier und denke an meinen Vater; — was kümmern mich eure Todten und dummen Gewitter? In Amerika kommt das ganz anders, und kommt mein Vater, um uns wieder zu ſich zu holen, ſo — o Himmel, Velten!“ Sie hatte trotz ihrer ſtolzen Worte doch einen

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/58>, abgerufen am 30.04.2024.