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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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wie ich mir mein Lebensglück dachte. Und ihr kanntet
das ja auch zur Genüge; meine arme Mutter hat
gut dazu geholfen, und ich kannte euer Grinsen und
Lachen. Das war euer albernes Jungensrecht, und
er vor Allem hat Gebrauch davon gemacht -- nicht
bloß im Vogelsang und auf dem Osterberge, sondern
auch im großen Leben, drüben in Amerika, in London,
in Paris und Rom, wo mir nachher einander ge¬
troffen haben! Und wir haben einander wieder ge¬
troffen, Karl. Wie wir uns sträuben mochten, wir
mußten einander suchen -- bis in den Tod, bis auf
dieses harte Bett, in allem Sturm und Sonnenschein
des Daseins bis hinein in diesen Novemberabend.
Das war noch stärker als er, und er hielt sich für
sehr stark; ich aber kenne ihn in seiner Schwäche.
Da er sich nicht anders gegen mich wehren konnte
und mich überall in seinem Leben, in seinen Gedanken
und Träumen und in seinem Thun fand, da er mich
nicht aus seinem Eigenthum an der Welt los wurde,
mußte er ja allem Besitz entsagen, alles Eigenthum
von sich stoßen und hat -- doch vergeblich -- den Vers
dort an die Wand geschrieben! Es war ja auch nur
ein thörichter Knabe, der mit seinem leichtbewegten
Herzen zuerst in jenen nichtigen Worten Schutz vor
sich selber suchte!"

Sie wies auf die ärmlich weißgetünchte

wie ich mir mein Lebensglück dachte. Und ihr kanntet
das ja auch zur Genüge; meine arme Mutter hat
gut dazu geholfen, und ich kannte euer Grinſen und
Lachen. Das war euer albernes Jungensrecht, und
er vor Allem hat Gebrauch davon gemacht — nicht
bloß im Vogelſang und auf dem Oſterberge, ſondern
auch im großen Leben, drüben in Amerika, in London,
in Paris und Rom, wo mir nachher einander ge¬
troffen haben! Und wir haben einander wieder ge¬
troffen, Karl. Wie wir uns ſträuben mochten, wir
mußten einander ſuchen — bis in den Tod, bis auf
dieſes harte Bett, in allem Sturm und Sonnenſchein
des Daſeins bis hinein in dieſen Novemberabend.
Das war noch ſtärker als er, und er hielt ſich für
ſehr ſtark; ich aber kenne ihn in ſeiner Schwäche.
Da er ſich nicht anders gegen mich wehren konnte
und mich überall in ſeinem Leben, in ſeinen Gedanken
und Träumen und in ſeinem Thun fand, da er mich
nicht aus ſeinem Eigenthum an der Welt los wurde,
mußte er ja allem Beſitz entſagen, alles Eigenthum
von ſich ſtoßen und hat — doch vergeblich — den Vers
dort an die Wand geſchrieben! Es war ja auch nur
ein thörichter Knabe, der mit ſeinem leichtbewegten
Herzen zuerſt in jenen nichtigen Worten Schutz vor
ſich ſelber ſuchte!“

Sie wies auf die ärmlich weißgetünchte

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[308/0318] wie ich mir mein Lebensglück dachte. Und ihr kanntet das ja auch zur Genüge; meine arme Mutter hat gut dazu geholfen, und ich kannte euer Grinſen und Lachen. Das war euer albernes Jungensrecht, und er vor Allem hat Gebrauch davon gemacht — nicht bloß im Vogelſang und auf dem Oſterberge, ſondern auch im großen Leben, drüben in Amerika, in London, in Paris und Rom, wo mir nachher einander ge¬ troffen haben! Und wir haben einander wieder ge¬ troffen, Karl. Wie wir uns ſträuben mochten, wir mußten einander ſuchen — bis in den Tod, bis auf dieſes harte Bett, in allem Sturm und Sonnenſchein des Daſeins bis hinein in dieſen Novemberabend. Das war noch ſtärker als er, und er hielt ſich für ſehr ſtark; ich aber kenne ihn in ſeiner Schwäche. Da er ſich nicht anders gegen mich wehren konnte und mich überall in ſeinem Leben, in ſeinen Gedanken und Träumen und in ſeinem Thun fand, da er mich nicht aus ſeinem Eigenthum an der Welt los wurde, mußte er ja allem Beſitz entſagen, alles Eigenthum von ſich ſtoßen und hat — doch vergeblich — den Vers dort an die Wand geſchrieben! Es war ja auch nur ein thörichter Knabe, der mit ſeinem leichtbewegten Herzen zuerſt in jenen nichtigen Worten Schutz vor ſich ſelber ſuchte!“ Sie wies auf die ärmlich weißgetünchte

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/318>, abgerufen am 24.11.2024.