Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

auf dem hohen Pferde, als ob die sämmtlichen ver¬
einigten Staaten von Nordamerika es ihr gesattelt
und gezäumt hätten! -- Das habe das Kind eben
aus einem größeren Leben als das unserige hier von
drüben mitgebracht, daß es die Welt (die Närrin
sagte wahrhaftig: die Welt!), daß es die Welt nicht
mit unseren hiesigen Philisteraugen (dies ist freilich
mein Ausdruck), mit unseren hiesigen Philisteraugen
ansehe. Der Spaß sei ja gottlob wieder glücklich ab¬
gelaufen; Hartleben werde sich wohl auch zufrieden
geben, wenn man vernünftig mit ihm spreche, und
auf die verbrannte Schürze des Kindes komme es
gar nicht an; für die werde sein Papa drüben in
New York wohl noch aufzukommen wissen. -- Damit
holte sie mir das naseweise Balg unter den Händen
weg und hob es, wie Niobe ihr letztes aus den Büchern
unseres Jungen, auf den Schooß. Der Hinweis auf
den Schwindler, den Erzschwindler Trotzendorff, ihren
Mann, imponirte mir aber so, daß ich nur meinen
Hut nehmen konnte und sagen: Da hört alles Ein¬
greifen von verständiger Seite gründlich auf! Du
lieber Himmel, was für eine Nachbarschaft! Junge,
Junge, ich rathe Dir, daß Du bei den Grundsätzen
Deiner Eltern wie bei Deinen Büchern bleibst und
Dich exakt hältst. Dich wenigstens kann ich windel¬
weich hauen, wenn Du mir bloß noch ein wenig

auf dem hohen Pferde, als ob die ſämmtlichen ver¬
einigten Staaten von Nordamerika es ihr geſattelt
und gezäumt hätten! — Das habe das Kind eben
aus einem größeren Leben als das unſerige hier von
drüben mitgebracht, daß es die Welt (die Närrin
ſagte wahrhaftig: die Welt!), daß es die Welt nicht
mit unſeren hieſigen Philiſteraugen (dies iſt freilich
mein Ausdruck), mit unſeren hieſigen Philiſteraugen
anſehe. Der Spaß ſei ja gottlob wieder glücklich ab¬
gelaufen; Hartleben werde ſich wohl auch zufrieden
geben, wenn man vernünftig mit ihm ſpreche, und
auf die verbrannte Schürze des Kindes komme es
gar nicht an; für die werde ſein Papa drüben in
New York wohl noch aufzukommen wiſſen. — Damit
holte ſie mir das naſeweiſe Balg unter den Händen
weg und hob es, wie Niobe ihr letztes aus den Büchern
unſeres Jungen, auf den Schooß. Der Hinweis auf
den Schwindler, den Erzſchwindler Trotzendorff, ihren
Mann, imponirte mir aber ſo, daß ich nur meinen
Hut nehmen konnte und ſagen: Da hört alles Ein¬
greifen von verſtändiger Seite gründlich auf! Du
lieber Himmel, was für eine Nachbarſchaft! Junge,
Junge, ich rathe Dir, daß Du bei den Grundſätzen
Deiner Eltern wie bei Deinen Büchern bleibſt und
Dich exakt hältſt. Dich wenigſtens kann ich windel¬
weich hauen, wenn Du mir bloß noch ein wenig

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0031" n="21"/>
auf dem hohen Pferde, als ob die &#x017F;ämmtlichen ver¬<lb/>
einigten Staaten von Nordamerika es ihr ge&#x017F;attelt<lb/>
und gezäumt hätten! &#x2014; Das habe das Kind eben<lb/>
aus einem größeren Leben als das un&#x017F;erige hier von<lb/>
drüben mitgebracht, daß es die Welt (die Närrin<lb/>
&#x017F;agte wahrhaftig: die Welt!), daß es die Welt nicht<lb/>
mit un&#x017F;eren hie&#x017F;igen Phili&#x017F;teraugen (dies i&#x017F;t freilich<lb/>
mein Ausdruck), mit un&#x017F;eren hie&#x017F;igen Phili&#x017F;teraugen<lb/>
an&#x017F;ehe. Der Spaß &#x017F;ei ja gottlob wieder glücklich ab¬<lb/>
gelaufen; Hartleben werde &#x017F;ich wohl auch zufrieden<lb/>
geben, wenn man vernünftig mit ihm &#x017F;preche, und<lb/>
auf die verbrannte Schürze des Kindes komme es<lb/>
gar nicht an; für die werde &#x017F;ein Papa drüben in<lb/>
New York wohl noch aufzukommen wi&#x017F;&#x017F;en. &#x2014; Damit<lb/>
holte &#x017F;ie mir das na&#x017F;ewei&#x017F;e Balg unter den Händen<lb/>
weg und hob es, wie Niobe ihr letztes aus den Büchern<lb/>
un&#x017F;eres Jungen, auf den Schooß. Der Hinweis auf<lb/>
den Schwindler, den Erz&#x017F;chwindler Trotzendorff, ihren<lb/>
Mann, imponirte mir aber &#x017F;o, daß ich nur meinen<lb/>
Hut nehmen konnte und &#x017F;agen: Da hört alles Ein¬<lb/>
greifen von ver&#x017F;tändiger Seite gründlich auf! Du<lb/>
lieber Himmel, was für eine Nachbar&#x017F;chaft! Junge,<lb/>
Junge, ich rathe Dir, daß Du bei den Grund&#x017F;ätzen<lb/>
Deiner Eltern wie bei Deinen Büchern bleib&#x017F;t und<lb/>
Dich exakt hält&#x017F;t. Dich wenig&#x017F;tens kann ich windel¬<lb/>
weich hauen, wenn Du mir bloß noch ein wenig<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0031] auf dem hohen Pferde, als ob die ſämmtlichen ver¬ einigten Staaten von Nordamerika es ihr geſattelt und gezäumt hätten! — Das habe das Kind eben aus einem größeren Leben als das unſerige hier von drüben mitgebracht, daß es die Welt (die Närrin ſagte wahrhaftig: die Welt!), daß es die Welt nicht mit unſeren hieſigen Philiſteraugen (dies iſt freilich mein Ausdruck), mit unſeren hieſigen Philiſteraugen anſehe. Der Spaß ſei ja gottlob wieder glücklich ab¬ gelaufen; Hartleben werde ſich wohl auch zufrieden geben, wenn man vernünftig mit ihm ſpreche, und auf die verbrannte Schürze des Kindes komme es gar nicht an; für die werde ſein Papa drüben in New York wohl noch aufzukommen wiſſen. — Damit holte ſie mir das naſeweiſe Balg unter den Händen weg und hob es, wie Niobe ihr letztes aus den Büchern unſeres Jungen, auf den Schooß. Der Hinweis auf den Schwindler, den Erzſchwindler Trotzendorff, ihren Mann, imponirte mir aber ſo, daß ich nur meinen Hut nehmen konnte und ſagen: Da hört alles Ein¬ greifen von verſtändiger Seite gründlich auf! Du lieber Himmel, was für eine Nachbarſchaft! Junge, Junge, ich rathe Dir, daß Du bei den Grundſätzen Deiner Eltern wie bei Deinen Büchern bleibſt und Dich exakt hältſt. Dich wenigſtens kann ich windel¬ weich hauen, wenn Du mir bloß noch ein wenig

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/31
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/31>, abgerufen am 24.11.2024.