"Was meinen Sie wohl, wie Ihnen zu Muthe wird, Herr Oberregierungsrath, wenn plötzlich so ein unbekannter alter Mensch vor Ihnen steht und fragt: ,Frau Fechtmeisterin, nehmen Sie immer noch dumme Jungen in Kost und Logis?' Und dann Ihnen sagt: ,Ich bin Der und Der!' und Sie nachher nur sagen können: ,Ja, Kind, dann komm herein!?'"
Sie erwartete natürlich keine Antwort auf die Frage, sondern fuhr mit der Hand auf meinem Knie fort:
"Ich vergesse den Tag in meinem Leben nicht. Es ist am letzten fünfzehnten Juni gewesen, am Nachmittage, so um diese Tageszeit, wo es bei mir klingelt, und ich frage, mit wem ich die Ehre habe, und der Besuch sagt: ,Ich bin der Studiosus der Weltweisheit Velten Andres. Wissen Sie, Frau Fechtmeisterin, und da Ihr Zettel noch immer aushängt und meine alte Bude zufällig frei ist, möchte ich sie noch einmal wiederhaben.' -- Herr Oberregierungsrath, wenn ein Gespenst Sie am hellen lichten Tage auf die Schulter klopft und Ihnen einen Namen wie vom Kirchhof her nennt, können Sie nicht heller als wie ich schreien: ,Was wollen Sie? Wer wollen Sie sein?' Eine gute halbe Stunde hat's gedauert, ehe ich mich in ihn, meinen Schlimmsten und meinen Besten ge¬ funden und mich noch mal über den lieben Gott
„Was meinen Sie wohl, wie Ihnen zu Muthe wird, Herr Oberregierungsrath, wenn plötzlich ſo ein unbekannter alter Menſch vor Ihnen ſteht und fragt: ‚Frau Fechtmeiſterin, nehmen Sie immer noch dumme Jungen in Koſt und Logis?‘ Und dann Ihnen ſagt: ‚Ich bin Der und Der!‘ und Sie nachher nur ſagen können: ‚Ja, Kind, dann komm herein!?‘”
Sie erwartete natürlich keine Antwort auf die Frage, ſondern fuhr mit der Hand auf meinem Knie fort:
„Ich vergeſſe den Tag in meinem Leben nicht. Es iſt am letzten fünfzehnten Juni geweſen, am Nachmittage, ſo um dieſe Tageszeit, wo es bei mir klingelt, und ich frage, mit wem ich die Ehre habe, und der Beſuch ſagt: ‚Ich bin der Studioſus der Weltweisheit Velten Andres. Wiſſen Sie, Frau Fechtmeiſterin, und da Ihr Zettel noch immer aushängt und meine alte Bude zufällig frei iſt, möchte ich ſie noch einmal wiederhaben.‘ — Herr Oberregierungsrath, wenn ein Geſpenſt Sie am hellen lichten Tage auf die Schulter klopft und Ihnen einen Namen wie vom Kirchhof her nennt, können Sie nicht heller als wie ich ſchreien: ‚Was wollen Sie? Wer wollen Sie ſein?‘ Eine gute halbe Stunde hat's gedauert, ehe ich mich in ihn, meinen Schlimmſten und meinen Beſten ge¬ funden und mich noch mal über den lieben Gott
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„Was meinen Sie wohl, wie Ihnen zu Muthe
wird, Herr Oberregierungsrath, wenn plötzlich ſo ein
unbekannter alter Menſch vor Ihnen ſteht und fragt:
‚Frau Fechtmeiſterin, nehmen Sie immer noch dumme
Jungen in Koſt und Logis?‘ Und dann Ihnen ſagt:
‚Ich bin Der und Der!‘ und Sie nachher nur ſagen
können: ‚Ja, Kind, dann komm herein!?‘”
Sie erwartete natürlich keine Antwort auf die
Frage, ſondern fuhr mit der Hand auf meinem
Knie fort:
„Ich vergeſſe den Tag in meinem Leben nicht. Es
iſt am letzten fünfzehnten Juni geweſen, am Nachmittage,
ſo um dieſe Tageszeit, wo es bei mir klingelt, und
ich frage, mit wem ich die Ehre habe, und der Beſuch
ſagt: ‚Ich bin der Studioſus der Weltweisheit Velten
Andres. Wiſſen Sie, Frau Fechtmeiſterin, und da
Ihr Zettel noch immer aushängt und meine alte
Bude zufällig frei iſt, möchte ich ſie noch einmal
wiederhaben.‘ — Herr Oberregierungsrath, wenn ein
Geſpenſt Sie am hellen lichten Tage auf die Schulter
klopft und Ihnen einen Namen wie vom Kirchhof
her nennt, können Sie nicht heller als wie ich
ſchreien: ‚Was wollen Sie? Wer wollen Sie ſein?‘
Eine gute halbe Stunde hat's gedauert, ehe ich mich
in ihn, meinen Schlimmſten und meinen Beſten ge¬
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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/303>, abgerufen am 24.11.2024.
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