Erwachender die Glocke und erkannte auch ihren Klang wieder.
"So etwas mußte es wohl sein, was uns Zwei noch einmal im Leben zusammenbringen konnte, Herr Krumhardt," sagte dann ganz dieselbe Stimme, die vor Jahren mich so oft freundlich begrüßt und auch dann und wann gar mütterlich gewarnt und gescholten hatte. "Sie treten wohl erst einen Augen¬ blick bei mir ein, ehe Sie in sein Zimmer hinüber¬ gehen, Herr Oberregierungsrath. Sie hat Sie wohl nicht so früh hier in Berlin erwartet; aber mir konnten Sie nicht früh genug kommen. In meinem Alter kann man ja wohl Alles leicht nehmen, aber Dieses wird mir doch zu schwer allein zu tragen. Seit dem Morgen sitzt sie wieder auf seinem Bett, mit den Ellbogen auf den Knieen und den Kopf zwischen den Händen."
"Sie? Allein mit ihm? Helene? Helene Trotzendorff?"
"Die große amerikanische Dame. Haben Sie nicht auch von ihr und ihren Reichthümern in der Zeitung gelesen?"
Die alte Frau faßte mit ihrer dürren, alters¬ harten, kühlen Hand meine heiße.
"Kommen Sie, Herr. Es hat Zeit, daß Sie zu ihr gehen. Sie scheint nichts mehr von Zeit und
Erwachender die Glocke und erkannte auch ihren Klang wieder.
„So etwas mußte es wohl ſein, was uns Zwei noch einmal im Leben zuſammenbringen konnte, Herr Krumhardt,“ ſagte dann ganz dieſelbe Stimme, die vor Jahren mich ſo oft freundlich begrüßt und auch dann und wann gar mütterlich gewarnt und geſcholten hatte. „Sie treten wohl erſt einen Augen¬ blick bei mir ein, ehe Sie in ſein Zimmer hinüber¬ gehen, Herr Oberregierungsrath. Sie hat Sie wohl nicht ſo früh hier in Berlin erwartet; aber mir konnten Sie nicht früh genug kommen. In meinem Alter kann man ja wohl Alles leicht nehmen, aber Dieſes wird mir doch zu ſchwer allein zu tragen. Seit dem Morgen ſitzt ſie wieder auf ſeinem Bett, mit den Ellbogen auf den Knieen und den Kopf zwiſchen den Händen.“
„Sie? Allein mit ihm? Helene? Helene Trotzendorff?“
„Die große amerikaniſche Dame. Haben Sie nicht auch von ihr und ihren Reichthümern in der Zeitung geleſen?“
Die alte Frau faßte mit ihrer dürren, alters¬ harten, kühlen Hand meine heiße.
„Kommen Sie, Herr. Es hat Zeit, daß Sie zu ihr gehen. Sie ſcheint nichts mehr von Zeit und
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0300"n="290"/>
Erwachender die Glocke und erkannte auch ihren Klang<lb/>
wieder.</p><lb/><p>„So etwas mußte es wohl ſein, was uns Zwei<lb/>
noch einmal im Leben zuſammenbringen konnte,<lb/>
Herr Krumhardt,“ſagte dann ganz dieſelbe Stimme,<lb/>
die vor Jahren mich ſo oft freundlich begrüßt und<lb/>
auch dann und wann gar mütterlich gewarnt und<lb/>
geſcholten hatte. „Sie treten wohl erſt einen Augen¬<lb/>
blick bei mir ein, ehe Sie in ſein Zimmer hinüber¬<lb/>
gehen, Herr Oberregierungsrath. Sie hat Sie wohl<lb/>
nicht ſo früh hier in Berlin erwartet; aber mir<lb/>
konnten Sie nicht früh genug kommen. In meinem<lb/>
Alter kann man ja wohl Alles leicht nehmen, aber<lb/>
Dieſes wird mir doch zu ſchwer allein zu tragen.<lb/>
Seit dem Morgen ſitzt ſie wieder auf ſeinem Bett,<lb/>
mit den Ellbogen auf den Knieen und den Kopf<lb/>
zwiſchen den Händen.“</p><lb/><p>„Sie? Allein mit ihm? Helene? Helene<lb/>
Trotzendorff?“</p><lb/><p>„Die große amerikaniſche Dame. Haben Sie<lb/>
nicht auch von ihr und ihren Reichthümern in der<lb/>
Zeitung geleſen?“</p><lb/><p>Die alte Frau faßte mit ihrer dürren, alters¬<lb/>
harten, kühlen Hand meine heiße.</p><lb/><p>„Kommen Sie, Herr. Es hat Zeit, daß Sie zu<lb/>
ihr gehen. Sie ſcheint nichts mehr von Zeit und<lb/></p></body></text></TEI>
[290/0300]
Erwachender die Glocke und erkannte auch ihren Klang
wieder.
„So etwas mußte es wohl ſein, was uns Zwei
noch einmal im Leben zuſammenbringen konnte,
Herr Krumhardt,“ ſagte dann ganz dieſelbe Stimme,
die vor Jahren mich ſo oft freundlich begrüßt und
auch dann und wann gar mütterlich gewarnt und
geſcholten hatte. „Sie treten wohl erſt einen Augen¬
blick bei mir ein, ehe Sie in ſein Zimmer hinüber¬
gehen, Herr Oberregierungsrath. Sie hat Sie wohl
nicht ſo früh hier in Berlin erwartet; aber mir
konnten Sie nicht früh genug kommen. In meinem
Alter kann man ja wohl Alles leicht nehmen, aber
Dieſes wird mir doch zu ſchwer allein zu tragen.
Seit dem Morgen ſitzt ſie wieder auf ſeinem Bett,
mit den Ellbogen auf den Knieen und den Kopf
zwiſchen den Händen.“
„Sie? Allein mit ihm? Helene? Helene
Trotzendorff?“
„Die große amerikaniſche Dame. Haben Sie
nicht auch von ihr und ihren Reichthümern in der
Zeitung geleſen?“
Die alte Frau faßte mit ihrer dürren, alters¬
harten, kühlen Hand meine heiße.
„Kommen Sie, Herr. Es hat Zeit, daß Sie zu
ihr gehen. Sie ſcheint nichts mehr von Zeit und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/300>, abgerufen am 05.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.