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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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"Ich halte dieses nicht länger aus! O, mein armes
kleines, liebes Kind zu Hause! Bitte, komm, ich muß
zu meinem Kinde -- Das laß ich mir nicht nehmen,
wenn er auch Dich verwirrt. Ich halte mein Eigen¬
thum an der Welt fest! Bleib, wenn Du willst --
ich will nach Hause und zu meinem Kinde! Ja, bleib,
bleib und steige mit ihm und seinem anderen Freunde,
dem gräßlichen Affenmann, so hoch Du willst aus
unserm armen lieben Leben in die Höhe: ich will
zu meinem Kinde und meinem Eigenthum an der
Welt!"

Sie ist uns fortgelaufen, mit dem Arm und
Ellenbogen vor den Augen, selber wie ein Kind, das
sich vor einem Schlage fürchtet.

"Gute Nacht, Velten."

"Gute Nacht, Krumhardt." . . .

Ich holte meine Anna erst an der zweitnächsten
Straßenecke ein. Als ich mein Eigenthum wieder an
mich nehmen wollte, weigerte es sich dessen durch
mehrere Gassen. Mit fast bösem Blick wies die
Kleine, statt meinen Arm zu nehmen, nach dem Vogel¬
sang zurück:

"Ich habe dem Herrn Generalsuperintendenten,
versprochen, Dir für gut und böse zu gehören, und ich
habe mir selber versprochen, nur da zu sein und zu
bleiben, wo Du bist und gehst und stehst, Karl; aber --

„Ich halte dieſes nicht länger aus! O, mein armes
kleines, liebes Kind zu Hauſe! Bitte, komm, ich muß
zu meinem Kinde — Das laß ich mir nicht nehmen,
wenn er auch Dich verwirrt. Ich halte mein Eigen¬
thum an der Welt feſt! Bleib, wenn Du willſt —
ich will nach Hauſe und zu meinem Kinde! Ja, bleib,
bleib und ſteige mit ihm und ſeinem anderen Freunde,
dem gräßlichen Affenmann, ſo hoch Du willſt aus
unſerm armen lieben Leben in die Höhe: ich will
zu meinem Kinde und meinem Eigenthum an der
Welt!“

Sie iſt uns fortgelaufen, mit dem Arm und
Ellenbogen vor den Augen, ſelber wie ein Kind, das
ſich vor einem Schlage fürchtet.

„Gute Nacht, Velten.“

„Gute Nacht, Krumhardt.“ . . .

Ich holte meine Anna erſt an der zweitnächſten
Straßenecke ein. Als ich mein Eigenthum wieder an
mich nehmen wollte, weigerte es ſich deſſen durch
mehrere Gaſſen. Mit faſt böſem Blick wies die
Kleine, ſtatt meinen Arm zu nehmen, nach dem Vogel¬
ſang zurück:

„Ich habe dem Herrn Generalſuperintendenten,
verſprochen, Dir für gut und böſe zu gehören, und ich
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[280/0290] „Ich halte dieſes nicht länger aus! O, mein armes kleines, liebes Kind zu Hauſe! Bitte, komm, ich muß zu meinem Kinde — Das laß ich mir nicht nehmen, wenn er auch Dich verwirrt. Ich halte mein Eigen¬ thum an der Welt feſt! Bleib, wenn Du willſt — ich will nach Hauſe und zu meinem Kinde! Ja, bleib, bleib und ſteige mit ihm und ſeinem anderen Freunde, dem gräßlichen Affenmann, ſo hoch Du willſt aus unſerm armen lieben Leben in die Höhe: ich will zu meinem Kinde und meinem Eigenthum an der Welt!“ Sie iſt uns fortgelaufen, mit dem Arm und Ellenbogen vor den Augen, ſelber wie ein Kind, das ſich vor einem Schlage fürchtet. „Gute Nacht, Velten.“ „Gute Nacht, Krumhardt.“ . . . Ich holte meine Anna erſt an der zweitnächſten Straßenecke ein. Als ich mein Eigenthum wieder an mich nehmen wollte, weigerte es ſich deſſen durch mehrere Gaſſen. Mit faſt böſem Blick wies die Kleine, ſtatt meinen Arm zu nehmen, nach dem Vogel¬ ſang zurück: „Ich habe dem Herrn Generalſuperintendenten, verſprochen, Dir für gut und böſe zu gehören, und ich habe mir ſelber verſprochen, nur da zu ſein und zu bleiben, wo Du biſt und gehſt und ſtehſt, Karl; aber —

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/290>, abgerufen am 05.05.2024.