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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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zu beneiden und nachahmungswerth!" wußte ich, daß
nicht nur völlige Billigung, sondern auch der Neid
aus ihm redete und, jedenfalls, längere nachdenkliche
Beschäftigung mit diesem Menschen, der "die the¬
baische Wüste in den Vogelsang übertragen zu wollen
schien". Letzteres Wort stammt jedoch nicht aus den
juristischen Kreisen der Residenz, sondern aus den
theologischen. Der augenblickliche Lieblingsprediger
der Stadt (unverheirathet) sprach es. --

Zu Anfang März war Alles vernichtet, woran
für ihn und sehr oft auch für mich eine Erinnerung
gehaftet hatte, und was er nicht in anderer Leute
Händen oder Besitz, sei es zu Nutzen oder Vergnügen,
wissen wollte. An den Wänden deuteten auf ab¬
geblaßten Tapeten dunklere Flecke an, wo Bilder
gehangen hatten. Was die Bücherschränke und Regale
anbetraf, so konnte es darin und darauf nicht öder
aussehen als in eines anderen berühmteren Phantasie¬
menschen Studirstübchen, nachdem der Pfaffe, der
Barbier, die Haushälterin und die Nichte dort Kehr¬
aus gemacht hatten. Der späte Enkel sehe sich in
seinen eigenen vier Wänden um, denke sich Alles
fort, was in irgend einer Weise was zu sagen, was
vertraute und vertrauliche Form und Farbe für ihn
hat und erlasse es mir, von diesem Aufräumen
malerisch weiter zu schreiben. Hat ihn sein Eigenthum

zu beneiden und nachahmungswerth!“ wußte ich, daß
nicht nur völlige Billigung, ſondern auch der Neid
aus ihm redete und, jedenfalls, längere nachdenkliche
Beſchäftigung mit dieſem Menſchen, der „die the¬
baiſche Wüſte in den Vogelſang übertragen zu wollen
ſchien“. Letzteres Wort ſtammt jedoch nicht aus den
juriſtiſchen Kreiſen der Reſidenz, ſondern aus den
theologiſchen. Der augenblickliche Lieblingsprediger
der Stadt (unverheirathet) ſprach es. —

Zu Anfang März war Alles vernichtet, woran
für ihn und ſehr oft auch für mich eine Erinnerung
gehaftet hatte, und was er nicht in anderer Leute
Händen oder Beſitz, ſei es zu Nutzen oder Vergnügen,
wiſſen wollte. An den Wänden deuteten auf ab¬
geblaßten Tapeten dunklere Flecke an, wo Bilder
gehangen hatten. Was die Bücherſchränke und Regale
anbetraf, ſo konnte es darin und darauf nicht öder
ausſehen als in eines anderen berühmteren Phantaſie¬
menſchen Studirſtübchen, nachdem der Pfaffe, der
Barbier, die Haushälterin und die Nichte dort Kehr¬
aus gemacht hatten. Der ſpäte Enkel ſehe ſich in
ſeinen eigenen vier Wänden um, denke ſich Alles
fort, was in irgend einer Weiſe was zu ſagen, was
vertraute und vertrauliche Form und Farbe für ihn
hat und erlaſſe es mir, von dieſem Aufräumen
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[265/0275] zu beneiden und nachahmungswerth!“ wußte ich, daß nicht nur völlige Billigung, ſondern auch der Neid aus ihm redete und, jedenfalls, längere nachdenkliche Beſchäftigung mit dieſem Menſchen, der „die the¬ baiſche Wüſte in den Vogelſang übertragen zu wollen ſchien“. Letzteres Wort ſtammt jedoch nicht aus den juriſtiſchen Kreiſen der Reſidenz, ſondern aus den theologiſchen. Der augenblickliche Lieblingsprediger der Stadt (unverheirathet) ſprach es. — Zu Anfang März war Alles vernichtet, woran für ihn und ſehr oft auch für mich eine Erinnerung gehaftet hatte, und was er nicht in anderer Leute Händen oder Beſitz, ſei es zu Nutzen oder Vergnügen, wiſſen wollte. An den Wänden deuteten auf ab¬ geblaßten Tapeten dunklere Flecke an, wo Bilder gehangen hatten. Was die Bücherſchränke und Regale anbetraf, ſo konnte es darin und darauf nicht öder ausſehen als in eines anderen berühmteren Phantaſie¬ menſchen Studirſtübchen, nachdem der Pfaffe, der Barbier, die Haushälterin und die Nichte dort Kehr¬ aus gemacht hatten. Der ſpäte Enkel ſehe ſich in ſeinen eigenen vier Wänden um, denke ſich Alles fort, was in irgend einer Weiſe was zu ſagen, was vertraute und vertrauliche Form und Farbe für ihn hat und erlaſſe es mir, von dieſem Aufräumen maleriſch weiter zu ſchreiben. Hat ihn ſein Eigenthum

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/275>, abgerufen am 22.11.2024.