Hand gelassen auf die Schulter und sagte ohne alle Aufregung, ohne Lächeln, aber auch ohne Stirnrunzeln:
"Mir haben sie so ziemlich Wort gehalten, die fallenden Sterne. Einem bescheidenen Gemüth wird schon das Seinige zu theil, und weiß es sich zu be¬ scheiden, wo es nicht anders geht. Was wünschte ich mir damals doch? Wenn ich nicht irre, den Heckepfennig, den Däumling und das Tellertuch der drei Rolandsknappen. Ich habe das Alles gehabt und habe es noch, so weit es mir zum täglichen Gebrauch nöthig ist. Auf das Vergnügen, Persepolis in Brand zu stecken, verzichtet man, wenn man sein letztes Schulheft in den Ofen gesteckt hat. Auch ein ,berauschter Triumphtod zu Babylon' erscheint mir nicht mehr als das löblichste Exit homo sapiens, ab geht der Narr. Ich wünsche nüchtern zu sterben, oder wenn Du lieber willst -- vollkommen ernüchtert. So eigenthumslos als möglich. Übrigens habe ich ein gutes Gedächtniß und es war kaum nöthig, daß Du mich eben auf diesem Platze an jenen Sommer¬ abend erinnerst. Auch von der Tonne des Diogenes war ja wohl damals bei solch' einem fallenden Stern die Rede? Nun, in der habe ich mich jetzt, der alten Frau da unten zuliebe, in ihrem Ofenwinkel gewälzt, oder wälzen dürfen. Man muß sich Alles gefallen lassen, lieber Krumhardt. Und auch die
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Hand gelaſſen auf die Schulter und ſagte ohne alle Aufregung, ohne Lächeln, aber auch ohne Stirnrunzeln:
„Mir haben ſie ſo ziemlich Wort gehalten, die fallenden Sterne. Einem beſcheidenen Gemüth wird ſchon das Seinige zu theil, und weiß es ſich zu be¬ ſcheiden, wo es nicht anders geht. Was wünſchte ich mir damals doch? Wenn ich nicht irre, den Heckepfennig, den Däumling und das Tellertuch der drei Rolandsknappen. Ich habe das Alles gehabt und habe es noch, ſo weit es mir zum täglichen Gebrauch nöthig iſt. Auf das Vergnügen, Perſepolis in Brand zu ſtecken, verzichtet man, wenn man ſein letztes Schulheft in den Ofen geſteckt hat. Auch ein ‚berauſchter Triumphtod zu Babylon‘ erſcheint mir nicht mehr als das löblichſte Exit homo sapiens, ab geht der Narr. Ich wünſche nüchtern zu ſterben, oder wenn Du lieber willſt — vollkommen ernüchtert. So eigenthumslos als möglich. Übrigens habe ich ein gutes Gedächtniß und es war kaum nöthig, daß Du mich eben auf dieſem Platze an jenen Sommer¬ abend erinnerſt. Auch von der Tonne des Diogenes war ja wohl damals bei ſolch' einem fallenden Stern die Rede? Nun, in der habe ich mich jetzt, der alten Frau da unten zuliebe, in ihrem Ofenwinkel gewälzt, oder wälzen dürfen. Man muß ſich Alles gefallen laſſen, lieber Krumhardt. Und auch die
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Hand gelaſſen auf die Schulter und ſagte ohne alle
Aufregung, ohne Lächeln, aber auch ohne Stirnrunzeln:
„Mir haben ſie ſo ziemlich Wort gehalten, die
fallenden Sterne. Einem beſcheidenen Gemüth wird
ſchon das Seinige zu theil, und weiß es ſich zu be¬
ſcheiden, wo es nicht anders geht. Was wünſchte
ich mir damals doch? Wenn ich nicht irre, den
Heckepfennig, den Däumling und das Tellertuch der
drei Rolandsknappen. Ich habe das Alles gehabt
und habe es noch, ſo weit es mir zum täglichen
Gebrauch nöthig iſt. Auf das Vergnügen, Perſepolis
in Brand zu ſtecken, verzichtet man, wenn man ſein
letztes Schulheft in den Ofen geſteckt hat. Auch ein
‚berauſchter Triumphtod zu Babylon‘ erſcheint mir
nicht mehr als das löblichſte Exit homo sapiens,
ab geht der Narr. Ich wünſche nüchtern zu ſterben,
oder wenn Du lieber willſt — vollkommen ernüchtert.
So eigenthumslos als möglich. Übrigens habe ich
ein gutes Gedächtniß und es war kaum nöthig, daß
Du mich eben auf dieſem Platze an jenen Sommer¬
abend erinnerſt. Auch von der Tonne des Diogenes
war ja wohl damals bei ſolch' einem fallenden Stern
die Rede? Nun, in der habe ich mich jetzt, der
alten Frau da unten zuliebe, in ihrem Ofenwinkel
gewälzt, oder wälzen dürfen. Man muß ſich Alles
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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/237>, abgerufen am 24.11.2024.
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