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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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Beamteter war, ist wohl gleichgültig, daß er aber
ein sehr tüchtiger Beamter war, haben alle seine
Vorgesetzten anerkannt, und viel häufiger von seinem
Verständniß in den Geschäften Gebrauch gemacht,
als sie ihren Vorgesetzten gegenüber laut werden
ließen. Es handelte sich in seinem Amt viel um
Zahlen, und er hatte einen hervorragenden Zahlen¬
sinn, womit, beiläufig gesagt, meistens auch ein
entsprechender Ordnungssinn verbunden ist. Beides
gab ihm eine Stellung in unserer heimischen Bureau¬
kratie, die für unser häusliches Behagen nicht immer
von dem besten Einfluß war; denn die Vorstellung,
nicht studirt und es dadurch zu etwas Besserem ge¬
bracht zu haben, verbitterte nur zu häufig nicht nur
ihm, sondern auch uns, das heißt meiner Mutter
und mir, das Leben.

Ich habe übrigens in meiner heutigen ober¬
regierungsräthlichen Stellung dergleichen wackere Herren
gleichfalls gottlob unter mir und hole mir nicht selten
für meinen Amtsberuf nicht nur Aufklärung, sondern
auch Rath von ihnen. Das Bild meines seligen
Vaters aber, mit dem zu dem Landesorden hinzu¬
gestifteten Verdienstkreuz erster Klasse auf der Brust,
habe ich in Lebensgröße (nach seinem Tode nach einer
guten Photographie gefertigt) über meinem Schreib¬
tische hängen, und hole mir auch von ihm heute

Beamteter war, iſt wohl gleichgültig, daß er aber
ein ſehr tüchtiger Beamter war, haben alle ſeine
Vorgeſetzten anerkannt, und viel häufiger von ſeinem
Verſtändniß in den Geſchäften Gebrauch gemacht,
als ſie ihren Vorgeſetzten gegenüber laut werden
ließen. Es handelte ſich in ſeinem Amt viel um
Zahlen, und er hatte einen hervorragenden Zahlen¬
ſinn, womit, beiläufig geſagt, meiſtens auch ein
entſprechender Ordnungsſinn verbunden iſt. Beides
gab ihm eine Stellung in unſerer heimiſchen Bureau¬
kratie, die für unſer häusliches Behagen nicht immer
von dem beſten Einfluß war; denn die Vorſtellung,
nicht ſtudirt und es dadurch zu etwas Beſſerem ge¬
bracht zu haben, verbitterte nur zu häufig nicht nur
ihm, ſondern auch uns, das heißt meiner Mutter
und mir, das Leben.

Ich habe übrigens in meiner heutigen ober¬
regierungsräthlichen Stellung dergleichen wackere Herren
gleichfalls gottlob unter mir und hole mir nicht ſelten
für meinen Amtsberuf nicht nur Aufklärung, ſondern
auch Rath von ihnen. Das Bild meines ſeligen
Vaters aber, mit dem zu dem Landesorden hinzu¬
geſtifteten Verdienſtkreuz erſter Klaſſe auf der Bruſt,
habe ich in Lebensgröße (nach ſeinem Tode nach einer
guten Photographie gefertigt) über meinem Schreib¬
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[8/0018] Beamteter war, iſt wohl gleichgültig, daß er aber ein ſehr tüchtiger Beamter war, haben alle ſeine Vorgeſetzten anerkannt, und viel häufiger von ſeinem Verſtändniß in den Geſchäften Gebrauch gemacht, als ſie ihren Vorgeſetzten gegenüber laut werden ließen. Es handelte ſich in ſeinem Amt viel um Zahlen, und er hatte einen hervorragenden Zahlen¬ ſinn, womit, beiläufig geſagt, meiſtens auch ein entſprechender Ordnungsſinn verbunden iſt. Beides gab ihm eine Stellung in unſerer heimiſchen Bureau¬ kratie, die für unſer häusliches Behagen nicht immer von dem beſten Einfluß war; denn die Vorſtellung, nicht ſtudirt und es dadurch zu etwas Beſſerem ge¬ bracht zu haben, verbitterte nur zu häufig nicht nur ihm, ſondern auch uns, das heißt meiner Mutter und mir, das Leben. Ich habe übrigens in meiner heutigen ober¬ regierungsräthlichen Stellung dergleichen wackere Herren gleichfalls gottlob unter mir und hole mir nicht ſelten für meinen Amtsberuf nicht nur Aufklärung, ſondern auch Rath von ihnen. Das Bild meines ſeligen Vaters aber, mit dem zu dem Landesorden hinzu¬ geſtifteten Verdienſtkreuz erſter Klaſſe auf der Bruſt, habe ich in Lebensgröße (nach ſeinem Tode nach einer guten Photographie gefertigt) über meinem Schreib¬ tiſche hängen, und hole mir auch von ihm heute

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/18>, abgerufen am 24.11.2024.