Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Abend noch auf ein Stündchen zu mir herüberschieben
lassen, daß wir noch ein wenig über ihn zusammen
schwatzen können. Wir Zwei müssen jetzt mehr denn
je treulich und fest zusammenhalten, Herr Nachbar."

"Jawohl, Frau Nachbarin! Zumal da ich heute
mein Grundstück meiner kümmerlichen Gesundheits¬
umstände wegen abgegeben habe, bis auf das Haus
und den Morgen Gartenland dabei, um doch wenig¬
stens noch ein bißchen was Grünes vom Fenster aus
im Auge zu haben. Das wird eine großartige Kon¬
servenfabrik gerade Ihnen gegenüber, Frau Doktern.
Ja, ja, die Welt verändert sich um Einen her, ohne
daß man es eigentlich merkt, wie das ja auch in der
Bibel steht. Hat mir recht leid gethan, Frau Nach¬
barin, daß ich unseren Herrn Velten nicht mit nach
dem Bahnhofe bringen konnte, zumal wie diesmal
vielleicht auf Nimmerwiedersehen, denn davon hilft
uns Niemand, Frau Doktern, die Jüngsten sind wir
Alten hier im Vogelsang nicht mehr, und was Einem
drüben über dem großen Wasser Alles passiren kann,
davon liest man ja tagtäglich das Menschenmöglichste
von Glück und Unglück in der Zeitung. Na, ist der
Lump -- nichts für ungut, liebe Frau -- dorten
ein allmächtiges Thier und unzähliger Millionär ge¬
worden, da wird's unser junger Herr ja auch wohl
machen; und wenn der mal, und vielleicht gar noch

Abend noch auf ein Stündchen zu mir herüberſchieben
laſſen, daß wir noch ein wenig über ihn zuſammen
ſchwatzen können. Wir Zwei müſſen jetzt mehr denn
je treulich und feſt zuſammenhalten, Herr Nachbar.“

„Jawohl, Frau Nachbarin! Zumal da ich heute
mein Grundſtück meiner kümmerlichen Geſundheits¬
umſtände wegen abgegeben habe, bis auf das Haus
und den Morgen Gartenland dabei, um doch wenig¬
ſtens noch ein bißchen was Grünes vom Fenſter aus
im Auge zu haben. Das wird eine großartige Kon¬
ſervenfabrik gerade Ihnen gegenüber, Frau Doktern.
Ja, ja, die Welt verändert ſich um Einen her, ohne
daß man es eigentlich merkt, wie das ja auch in der
Bibel ſteht. Hat mir recht leid gethan, Frau Nach¬
barin, daß ich unſeren Herrn Velten nicht mit nach
dem Bahnhofe bringen konnte, zumal wie diesmal
vielleicht auf Nimmerwiederſehen, denn davon hilft
uns Niemand, Frau Doktern, die Jüngſten ſind wir
Alten hier im Vogelſang nicht mehr, und was Einem
drüben über dem großen Waſſer Alles paſſiren kann,
davon lieſt man ja tagtäglich das Menſchenmöglichſte
von Glück und Unglück in der Zeitung. Na, iſt der
Lump — nichts für ungut, liebe Frau — dorten
ein allmächtiges Thier und unzähliger Millionär ge¬
worden, da wird's unſer junger Herr ja auch wohl
machen; und wenn der mal, und vielleicht gar noch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0177" n="167"/>
Abend noch auf ein Stündchen zu mir herüber&#x017F;chieben<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, daß wir noch ein wenig über ihn zu&#x017F;ammen<lb/>
&#x017F;chwatzen können. Wir Zwei mü&#x017F;&#x017F;en jetzt mehr denn<lb/>
je treulich und fe&#x017F;t zu&#x017F;ammenhalten, Herr Nachbar.&#x201C;</p><lb/>
      <p>&#x201E;Jawohl, Frau Nachbarin! Zumal da ich heute<lb/>
mein Grund&#x017F;tück meiner kümmerlichen Ge&#x017F;undheits¬<lb/>
um&#x017F;tände wegen abgegeben habe, bis auf das Haus<lb/>
und den Morgen Gartenland dabei, um doch wenig¬<lb/>
&#x017F;tens noch ein bißchen was Grünes vom Fen&#x017F;ter aus<lb/>
im Auge zu haben. Das wird eine großartige Kon¬<lb/>
&#x017F;ervenfabrik gerade Ihnen gegenüber, Frau Doktern.<lb/>
Ja, ja, die Welt verändert &#x017F;ich um Einen her, ohne<lb/>
daß man es eigentlich merkt, wie das ja auch in der<lb/>
Bibel &#x017F;teht. Hat mir recht leid gethan, Frau Nach¬<lb/>
barin, daß ich un&#x017F;eren Herrn Velten nicht mit nach<lb/>
dem Bahnhofe bringen konnte, zumal wie diesmal<lb/>
vielleicht auf Nimmerwieder&#x017F;ehen, denn davon hilft<lb/>
uns Niemand, Frau Doktern, die Jüng&#x017F;ten &#x017F;ind wir<lb/>
Alten hier im Vogel&#x017F;ang nicht mehr, und was Einem<lb/>
drüben über dem großen Wa&#x017F;&#x017F;er Alles pa&#x017F;&#x017F;iren kann,<lb/>
davon lie&#x017F;t man ja tagtäglich das Men&#x017F;chenmöglich&#x017F;te<lb/>
von Glück und Unglück in der Zeitung. Na, i&#x017F;t der<lb/>
Lump &#x2014; nichts für ungut, liebe Frau &#x2014; dorten<lb/>
ein allmächtiges Thier und unzähliger Millionär ge¬<lb/>
worden, da wird's un&#x017F;er junger Herr ja auch wohl<lb/>
machen; und wenn der mal, und vielleicht gar noch<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0177] Abend noch auf ein Stündchen zu mir herüberſchieben laſſen, daß wir noch ein wenig über ihn zuſammen ſchwatzen können. Wir Zwei müſſen jetzt mehr denn je treulich und feſt zuſammenhalten, Herr Nachbar.“ „Jawohl, Frau Nachbarin! Zumal da ich heute mein Grundſtück meiner kümmerlichen Geſundheits¬ umſtände wegen abgegeben habe, bis auf das Haus und den Morgen Gartenland dabei, um doch wenig¬ ſtens noch ein bißchen was Grünes vom Fenſter aus im Auge zu haben. Das wird eine großartige Kon¬ ſervenfabrik gerade Ihnen gegenüber, Frau Doktern. Ja, ja, die Welt verändert ſich um Einen her, ohne daß man es eigentlich merkt, wie das ja auch in der Bibel ſteht. Hat mir recht leid gethan, Frau Nach¬ barin, daß ich unſeren Herrn Velten nicht mit nach dem Bahnhofe bringen konnte, zumal wie diesmal vielleicht auf Nimmerwiederſehen, denn davon hilft uns Niemand, Frau Doktern, die Jüngſten ſind wir Alten hier im Vogelſang nicht mehr, und was Einem drüben über dem großen Waſſer Alles paſſiren kann, davon lieſt man ja tagtäglich das Menſchenmöglichſte von Glück und Unglück in der Zeitung. Na, iſt der Lump — nichts für ungut, liebe Frau — dorten ein allmächtiges Thier und unzähliger Millionär ge¬ worden, da wird's unſer junger Herr ja auch wohl machen; und wenn der mal, und vielleicht gar noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/177
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/177>, abgerufen am 26.11.2024.