Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

auf dem besten Wege war, zu einem reichen zu
werden. Mir imponirte es sehr, meinem Freunde
Velten nicht im mindesten; der war da sofort da so
bei sich, wie früher bei Hartleben im Vogelsang und
jetzt bei der Frau Fechtmeisterin Feucht. Und es
war dasselbe, wie zwischen den grünen Hecken des
Vogelsangs: es kam wieder ein schönes Mädchen für
ihn an den Zaun, nur diesmal nicht, um sich mit
ihm zu zanken, zu vertragen und wieder zu zanken.
Leonie des Beaux zankte sich mit Niemand in der
Welt und vor Allem nicht mit Einem, dem sie sich
zu Dank verpflichtet glaubte, weil er gegen "unser
Kind", ihren Bruder gut gewesen war.

"Aber es sind ja auch Beide ein paar Kinder,"
sagte sie später, als wir Zwei vertrauter und ganz
bekannt miteinander geworden waren. "Ihr Herr
Freund und mein armer Leon passen zu einander
wie Hand und Handschuh. Herr Andres ist freilich
die Hand. Ich freue mich recht, daß sie zusammen¬
gekommen sind, wenn auch durch eine so lächerlich¬
tragische Thorheit meines närrischen Bruders. O Herr
Krumhardt, bitte, machen Sie meinen Bruder nicht
lächerlich! Man kann auch in einer Stadt wie
Berlin noch immer in einem stillen Märchenwinkel
aufwachsen, und das sind wir Beide, Leon und ich;
und mein Papa hat dazu geholfen (meine Mama

auf dem beſten Wege war, zu einem reichen zu
werden. Mir imponirte es ſehr, meinem Freunde
Velten nicht im mindeſten; der war da ſofort da ſo
bei ſich, wie früher bei Hartleben im Vogelſang und
jetzt bei der Frau Fechtmeiſterin Feucht. Und es
war daſſelbe, wie zwiſchen den grünen Hecken des
Vogelſangs: es kam wieder ein ſchönes Mädchen für
ihn an den Zaun, nur diesmal nicht, um ſich mit
ihm zu zanken, zu vertragen und wieder zu zanken.
Leonie des Beaux zankte ſich mit Niemand in der
Welt und vor Allem nicht mit Einem, dem ſie ſich
zu Dank verpflichtet glaubte, weil er gegen „unſer
Kind“, ihren Bruder gut geweſen war.

„Aber es ſind ja auch Beide ein paar Kinder,“
ſagte ſie ſpäter, als wir Zwei vertrauter und ganz
bekannt miteinander geworden waren. „Ihr Herr
Freund und mein armer Leon paſſen zu einander
wie Hand und Handſchuh. Herr Andres iſt freilich
die Hand. Ich freue mich recht, daß ſie zuſammen¬
gekommen ſind, wenn auch durch eine ſo lächerlich¬
tragiſche Thorheit meines närriſchen Bruders. O Herr
Krumhardt, bitte, machen Sie meinen Bruder nicht
lächerlich! Man kann auch in einer Stadt wie
Berlin noch immer in einem ſtillen Märchenwinkel
aufwachſen, und das ſind wir Beide, Leon und ich;
und mein Papa hat dazu geholfen (meine Mama

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0132" n="122"/>
auf dem be&#x017F;ten Wege war, zu einem reichen zu<lb/>
werden. Mir imponirte es &#x017F;ehr, meinem Freunde<lb/>
Velten nicht im minde&#x017F;ten; der war da &#x017F;ofort da &#x017F;o<lb/>
bei &#x017F;ich, wie früher bei Hartleben im Vogel&#x017F;ang und<lb/>
jetzt bei der Frau Fechtmei&#x017F;terin Feucht. Und es<lb/>
war da&#x017F;&#x017F;elbe, wie zwi&#x017F;chen den grünen Hecken des<lb/>
Vogel&#x017F;angs: es kam wieder ein &#x017F;chönes Mädchen für<lb/>
ihn an den Zaun, nur diesmal nicht, um &#x017F;ich mit<lb/>
ihm zu zanken, zu vertragen und wieder zu zanken.<lb/>
Leonie des Beaux zankte &#x017F;ich mit Niemand in der<lb/>
Welt und vor Allem nicht mit Einem, dem &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
zu Dank verpflichtet glaubte, weil er gegen &#x201E;un&#x017F;er<lb/>
Kind&#x201C;, ihren Bruder gut gewe&#x017F;en war.</p><lb/>
      <p>&#x201E;Aber es &#x017F;ind ja auch Beide ein paar Kinder,&#x201C;<lb/>
&#x017F;agte &#x017F;ie &#x017F;päter, als wir Zwei vertrauter und ganz<lb/>
bekannt miteinander geworden waren. &#x201E;Ihr Herr<lb/>
Freund und mein armer Leon pa&#x017F;&#x017F;en zu einander<lb/>
wie Hand und Hand&#x017F;chuh. Herr Andres i&#x017F;t freilich<lb/>
die Hand. Ich freue mich recht, daß &#x017F;ie zu&#x017F;ammen¬<lb/>
gekommen &#x017F;ind, wenn auch durch eine &#x017F;o lächerlich¬<lb/>
tragi&#x017F;che Thorheit meines närri&#x017F;chen Bruders. O Herr<lb/>
Krumhardt, bitte, machen Sie meinen Bruder nicht<lb/>
lächerlich! Man kann auch in einer Stadt wie<lb/>
Berlin noch immer in einem &#x017F;tillen Märchenwinkel<lb/>
aufwach&#x017F;en, und das &#x017F;ind wir Beide, Leon und ich;<lb/>
und mein Papa hat dazu geholfen (meine Mama<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0132] auf dem beſten Wege war, zu einem reichen zu werden. Mir imponirte es ſehr, meinem Freunde Velten nicht im mindeſten; der war da ſofort da ſo bei ſich, wie früher bei Hartleben im Vogelſang und jetzt bei der Frau Fechtmeiſterin Feucht. Und es war daſſelbe, wie zwiſchen den grünen Hecken des Vogelſangs: es kam wieder ein ſchönes Mädchen für ihn an den Zaun, nur diesmal nicht, um ſich mit ihm zu zanken, zu vertragen und wieder zu zanken. Leonie des Beaux zankte ſich mit Niemand in der Welt und vor Allem nicht mit Einem, dem ſie ſich zu Dank verpflichtet glaubte, weil er gegen „unſer Kind“, ihren Bruder gut geweſen war. „Aber es ſind ja auch Beide ein paar Kinder,“ ſagte ſie ſpäter, als wir Zwei vertrauter und ganz bekannt miteinander geworden waren. „Ihr Herr Freund und mein armer Leon paſſen zu einander wie Hand und Handſchuh. Herr Andres iſt freilich die Hand. Ich freue mich recht, daß ſie zuſammen¬ gekommen ſind, wenn auch durch eine ſo lächerlich¬ tragiſche Thorheit meines närriſchen Bruders. O Herr Krumhardt, bitte, machen Sie meinen Bruder nicht lächerlich! Man kann auch in einer Stadt wie Berlin noch immer in einem ſtillen Märchenwinkel aufwachſen, und das ſind wir Beide, Leon und ich; und mein Papa hat dazu geholfen (meine Mama

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/132
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/132>, abgerufen am 25.11.2024.