Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Du hast Recht; Vater und Mutter gehen freilich vor,
und ich gehe ja auch gern mit ihnen; aber Du bleibst
dicht hinter mir, Tante Male, und ich will Deine
Hand immer an meinen Rockfalten haben. Und wenn
-- wenn mal -- so viel -- Dummes über mich hier
nach dem Vogelsang geschrieben wird, wie über Papa,
so glaubst Du es nicht eher, bis Du Velten geschickt
hast, um nachzusehen. Aber ich will auch jede Woche
selber schreiben.'"


Ich war natürlich auch nach Berlin bloß des
Studirens wegen gekommen. Damit wurde es dies¬
mal gar nichts. Die schlimmsten Befürchtungen
meines armen Vaters trafen ein; ich verfiel für die
nächste Zeit wieder vollständig dem Verderben, das
nach der Meinung aller Verständigen in der Heimath
von dem Freunde ausging. Ich hatte ihn wieder,
und er hatte mich wieder am Kragen, und wie sich
die Vögel mit demselben Gefieder sofort wieder um ihn
zusammengefunden hatten, das mußte ein Wunder
sein auch für Den, der an keine Wunder in dieser
nüchternen Welt glaubte.

Da war zuerst seine Wirthin, die Frau Fecht¬
meisterin Feucht. Ein Anderer hätte die Millionen¬

Du haſt Recht; Vater und Mutter gehen freilich vor,
und ich gehe ja auch gern mit ihnen; aber Du bleibſt
dicht hinter mir, Tante Male, und ich will Deine
Hand immer an meinen Rockfalten haben. Und wenn
— wenn mal — ſo viel — Dummes über mich hier
nach dem Vogelſang geſchrieben wird, wie über Papa,
ſo glaubſt Du es nicht eher, bis Du Velten geſchickt
haſt, um nachzuſehen. Aber ich will auch jede Woche
ſelber ſchreiben.‘“


Ich war natürlich auch nach Berlin bloß des
Studirens wegen gekommen. Damit wurde es dies¬
mal gar nichts. Die ſchlimmſten Befürchtungen
meines armen Vaters trafen ein; ich verfiel für die
nächſte Zeit wieder vollſtändig dem Verderben, das
nach der Meinung aller Verſtändigen in der Heimath
von dem Freunde ausging. Ich hatte ihn wieder,
und er hatte mich wieder am Kragen, und wie ſich
die Vögel mit demſelben Gefieder ſofort wieder um ihn
zuſammengefunden hatten, das mußte ein Wunder
ſein auch für Den, der an keine Wunder in dieſer
nüchternen Welt glaubte.

Da war zuerſt ſeine Wirthin, die Frau Fecht¬
meiſterin Feucht. Ein Anderer hätte die Millionen¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0120" n="110"/>
Du ha&#x017F;t Recht; Vater und Mutter gehen freilich vor,<lb/>
und ich gehe ja auch gern mit ihnen; aber Du bleib&#x017F;t<lb/>
dicht hinter mir, Tante Male, und ich will Deine<lb/>
Hand immer an meinen Rockfalten haben. Und wenn<lb/>
&#x2014; wenn mal &#x2014; &#x017F;o viel &#x2014; Dummes über mich hier<lb/>
nach dem Vogel&#x017F;ang ge&#x017F;chrieben wird, wie über Papa,<lb/>
&#x017F;o glaub&#x017F;t Du es nicht eher, bis Du Velten ge&#x017F;chickt<lb/>
ha&#x017F;t, um nachzu&#x017F;ehen. Aber ich will auch jede Woche<lb/>
&#x017F;elber &#x017F;chreiben.&#x2018;&#x201C;</p><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      <p>Ich war natürlich auch nach Berlin bloß des<lb/>
Studirens wegen gekommen. Damit wurde es dies¬<lb/>
mal gar nichts. Die &#x017F;chlimm&#x017F;ten Befürchtungen<lb/>
meines armen Vaters trafen ein; ich verfiel für die<lb/>
näch&#x017F;te Zeit wieder voll&#x017F;tändig dem Verderben, das<lb/>
nach der Meinung aller Ver&#x017F;tändigen in der Heimath<lb/>
von dem Freunde ausging. Ich hatte ihn wieder,<lb/>
und er hatte mich wieder am Kragen, und wie &#x017F;ich<lb/>
die Vögel mit dem&#x017F;elben Gefieder &#x017F;ofort wieder um ihn<lb/>
zu&#x017F;ammengefunden hatten, das mußte ein Wunder<lb/>
&#x017F;ein auch für Den, der an keine Wunder in die&#x017F;er<lb/>
nüchternen Welt glaubte.</p><lb/>
      <p>Da war zuer&#x017F;t &#x017F;eine Wirthin, die Frau Fecht¬<lb/>
mei&#x017F;terin Feucht. Ein Anderer hätte die Millionen¬<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[110/0120] Du haſt Recht; Vater und Mutter gehen freilich vor, und ich gehe ja auch gern mit ihnen; aber Du bleibſt dicht hinter mir, Tante Male, und ich will Deine Hand immer an meinen Rockfalten haben. Und wenn — wenn mal — ſo viel — Dummes über mich hier nach dem Vogelſang geſchrieben wird, wie über Papa, ſo glaubſt Du es nicht eher, bis Du Velten geſchickt haſt, um nachzuſehen. Aber ich will auch jede Woche ſelber ſchreiben.‘“ Ich war natürlich auch nach Berlin bloß des Studirens wegen gekommen. Damit wurde es dies¬ mal gar nichts. Die ſchlimmſten Befürchtungen meines armen Vaters trafen ein; ich verfiel für die nächſte Zeit wieder vollſtändig dem Verderben, das nach der Meinung aller Verſtändigen in der Heimath von dem Freunde ausging. Ich hatte ihn wieder, und er hatte mich wieder am Kragen, und wie ſich die Vögel mit demſelben Gefieder ſofort wieder um ihn zuſammengefunden hatten, das mußte ein Wunder ſein auch für Den, der an keine Wunder in dieſer nüchternen Welt glaubte. Da war zuerſt ſeine Wirthin, die Frau Fecht¬ meiſterin Feucht. Ein Anderer hätte die Millionen¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/120
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/120>, abgerufen am 25.11.2024.