Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

hangen sollen, muß man nicht zertheilen: so wie man hingegen diejenigen zertheilen muß, wo sich ein musikalischer Sinn endiget, und ein neuer Gedanke, ohne Einschnitt oder Pause anfängt; zumal wenn die Endigungsnote vom vorhergehenden, und die Anfangsnote vom folgenden Gedanken, auf einerley Tone stehen.

11. §.

Ein guter Vortrag muß ferner: rund und vollständig seyn. Jede Note muß in ihrer wahren Geltung, und in ihrem rechten Zeitmaaße ausgedrücket werden. Würde dieses allezeit recht beobachtet, so müßten auch die Noten so klingen wie sie der Componist gedacht hat: weil dieser nichts ohne Regeln setzen darf. Nicht alle Ausführer kehren sich hieran. Sie geben öfters, aus Unwissenheit, oder aus einem verdorbenen Geschmacke, der folgenden Note etwas von der Zeit, so der vorhergehenden gehöret. Die ausgehaltenen und schmeichelnden Noten müssen mit einander verbunden; die lustigen und hüpfenden aber abgesetzet, und von einander getrennet werden. Die Triller und die kleinen Manieren müssen alle rein und lebhaft geendiget werden.

12. §.

Ich muß hierbey eine nothwendige Anmerkung machen, welche die Zeit, wie lange jede Note gehalten werden muß, betrifft. Man muß unter den Hauptnoten, welche man auch: anschlagende, oder, Nach Art der Italiäner, gute Noten zu nennen pfleget, und unter den durchgehenden, welche bey einigen Ausländern schlimme heißen, einen Unterschied im Vortrage zu machen wissen. Die Hauptnoten müssen allezeit, wo es sich thun läßt, mehr erhoben werden, als die durchgehenden. Dieser Regel zu Folge müssen die geschwindesten Noten, in einem jeden Stücke von mäßigem Tempo, oder auch im Adagio, ungeachtet sie dem Gesichte nach einerley Geltung haben, dennoch ein wenig ungleich gespielet werden; so daß man die anschlagenden Noten einer jeden Figur, nämlich die erste, dritte, fünfte, und siebente, etwas länger anhält, als die durchgehenden, nämlich, die zweyte, vierte, sechste, und achte: doch muß dieses Anhalten nicht soviel ausmachen, als wenn Puncte dabey stünden. Unter diesen geschwindesten Noten verstehe ich: die Viertheile im Dreyzweytheiltacte; die Achttheile im Dreyviertheil- und die Sechzehntheile im Dreyachttheiltacte; die Achttheile im Allabreve; die Sechzehntheile oder Zwey und dreyßigtheile im Zweyviertheil- oder im gemeinen geraden Tacte: doch nur so lange, als keine Figuren von noch

hangen sollen, muß man nicht zertheilen: so wie man hingegen diejenigen zertheilen muß, wo sich ein musikalischer Sinn endiget, und ein neuer Gedanke, ohne Einschnitt oder Pause anfängt; zumal wenn die Endigungsnote vom vorhergehenden, und die Anfangsnote vom folgenden Gedanken, auf einerley Tone stehen.

11. §.

Ein guter Vortrag muß ferner: rund und vollständig seyn. Jede Note muß in ihrer wahren Geltung, und in ihrem rechten Zeitmaaße ausgedrücket werden. Würde dieses allezeit recht beobachtet, so müßten auch die Noten so klingen wie sie der Componist gedacht hat: weil dieser nichts ohne Regeln setzen darf. Nicht alle Ausführer kehren sich hieran. Sie geben öfters, aus Unwissenheit, oder aus einem verdorbenen Geschmacke, der folgenden Note etwas von der Zeit, so der vorhergehenden gehöret. Die ausgehaltenen und schmeichelnden Noten müssen mit einander verbunden; die lustigen und hüpfenden aber abgesetzet, und von einander getrennet werden. Die Triller und die kleinen Manieren müssen alle rein und lebhaft geendiget werden.

12. §.

Ich muß hierbey eine nothwendige Anmerkung machen, welche die Zeit, wie lange jede Note gehalten werden muß, betrifft. Man muß unter den Hauptnoten, welche man auch: anschlagende, oder, Nach Art der Italiäner, gute Noten zu nennen pfleget, und unter den durchgehenden, welche bey einigen Ausländern schlimme heißen, einen Unterschied im Vortrage zu machen wissen. Die Hauptnoten müssen allezeit, wo es sich thun läßt, mehr erhoben werden, als die durchgehenden. Dieser Regel zu Folge müssen die geschwindesten Noten, in einem jeden Stücke von mäßigem Tempo, oder auch im Adagio, ungeachtet sie dem Gesichte nach einerley Geltung haben, dennoch ein wenig ungleich gespielet werden; so daß man die anschlagenden Noten einer jeden Figur, nämlich die erste, dritte, fünfte, und siebente, etwas länger anhält, als die durchgehenden, nämlich, die zweyte, vierte, sechste, und achte: doch muß dieses Anhalten nicht soviel ausmachen, als wenn Puncte dabey stünden. Unter diesen geschwindesten Noten verstehe ich: die Viertheile im Dreyzweytheiltacte; die Achttheile im Dreyviertheil- und die Sechzehntheile im Dreyachttheiltacte; die Achttheile im Allabreve; die Sechzehntheile oder Zwey und dreyßigtheile im Zweyviertheil- oder im gemeinen geraden Tacte: doch nur so lange, als keine Figuren von noch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0119" n="105"/>
hangen sollen, muß man nicht zertheilen: so wie man hingegen diejenigen zertheilen muß, wo sich ein musikalischer Sinn endiget, und ein neuer Gedanke, ohne Einschnitt oder Pause anfängt; zumal wenn die Endigungsnote vom vorhergehenden, und die Anfangsnote vom folgenden Gedanken, auf einerley Tone stehen.</p>
          </div>
          <div n="3">
            <head>11. §.</head><lb/>
            <p>Ein guter Vortrag muß ferner: <hi rendition="#fr">rund und vollständig seyn</hi>. Jede Note muß in ihrer wahren Geltung, und in ihrem rechten Zeitmaaße ausgedrücket werden. Würde dieses allezeit recht beobachtet, so müßten auch die Noten so klingen wie sie der Componist gedacht hat: weil dieser nichts ohne Regeln setzen darf. Nicht alle Ausführer kehren sich hieran. Sie geben öfters, aus Unwissenheit, oder aus einem verdorbenen Geschmacke, der folgenden Note etwas von der Zeit, so der vorhergehenden gehöret. Die ausgehaltenen und schmeichelnden Noten müssen mit einander verbunden; die lustigen und hüpfenden aber abgesetzet, und von einander getrennet werden. Die Triller und die kleinen Manieren müssen alle rein und lebhaft geendiget werden.</p>
          </div>
          <div n="3">
            <head>12. §.</head><lb/>
            <p>Ich muß hierbey eine nothwendige Anmerkung machen, welche die Zeit, wie lange jede Note gehalten werden muß, betrifft. Man muß unter den <hi rendition="#fr">Hauptnoten</hi>, welche man auch: <hi rendition="#fr">anschlagende</hi>, oder, Nach Art der Italiäner, <hi rendition="#fr">gute</hi> Noten zu nennen pfleget, und unter den <hi rendition="#fr">durchgehenden</hi>, welche bey einigen Ausländern <hi rendition="#fr">schlimme</hi> heißen, einen Unterschied im Vortrage zu machen wissen. Die Hauptnoten müssen allezeit, wo es sich thun läßt, mehr erhoben werden, als die durchgehenden. Dieser Regel zu Folge müssen die geschwindesten Noten, in einem jeden Stücke von <hi rendition="#fr">mäßigem Tempo</hi>, oder auch im <hi rendition="#fr">Adagio</hi>, ungeachtet sie dem Gesichte nach einerley Geltung haben, dennoch ein wenig ungleich gespielet werden; so daß man die anschlagenden Noten einer jeden Figur, nämlich die erste, dritte, fünfte, und siebente, etwas länger anhält, als die durchgehenden, nämlich, die zweyte, vierte, sechste, und achte: doch muß dieses Anhalten nicht soviel ausmachen, als wenn Puncte dabey stünden. Unter diesen geschwindesten Noten verstehe ich: die Viertheile im Dreyzweytheiltacte; die Achttheile im Dreyviertheil- und die Sechzehntheile im Dreyachttheiltacte; die Achttheile im Allabreve; die Sechzehntheile oder Zwey und dreyßigtheile im Zweyviertheil- oder im gemeinen geraden Tacte: doch nur so lange, als keine Figuren von noch
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[105/0119] hangen sollen, muß man nicht zertheilen: so wie man hingegen diejenigen zertheilen muß, wo sich ein musikalischer Sinn endiget, und ein neuer Gedanke, ohne Einschnitt oder Pause anfängt; zumal wenn die Endigungsnote vom vorhergehenden, und die Anfangsnote vom folgenden Gedanken, auf einerley Tone stehen. 11. §. Ein guter Vortrag muß ferner: rund und vollständig seyn. Jede Note muß in ihrer wahren Geltung, und in ihrem rechten Zeitmaaße ausgedrücket werden. Würde dieses allezeit recht beobachtet, so müßten auch die Noten so klingen wie sie der Componist gedacht hat: weil dieser nichts ohne Regeln setzen darf. Nicht alle Ausführer kehren sich hieran. Sie geben öfters, aus Unwissenheit, oder aus einem verdorbenen Geschmacke, der folgenden Note etwas von der Zeit, so der vorhergehenden gehöret. Die ausgehaltenen und schmeichelnden Noten müssen mit einander verbunden; die lustigen und hüpfenden aber abgesetzet, und von einander getrennet werden. Die Triller und die kleinen Manieren müssen alle rein und lebhaft geendiget werden. 12. §. Ich muß hierbey eine nothwendige Anmerkung machen, welche die Zeit, wie lange jede Note gehalten werden muß, betrifft. Man muß unter den Hauptnoten, welche man auch: anschlagende, oder, Nach Art der Italiäner, gute Noten zu nennen pfleget, und unter den durchgehenden, welche bey einigen Ausländern schlimme heißen, einen Unterschied im Vortrage zu machen wissen. Die Hauptnoten müssen allezeit, wo es sich thun läßt, mehr erhoben werden, als die durchgehenden. Dieser Regel zu Folge müssen die geschwindesten Noten, in einem jeden Stücke von mäßigem Tempo, oder auch im Adagio, ungeachtet sie dem Gesichte nach einerley Geltung haben, dennoch ein wenig ungleich gespielet werden; so daß man die anschlagenden Noten einer jeden Figur, nämlich die erste, dritte, fünfte, und siebente, etwas länger anhält, als die durchgehenden, nämlich, die zweyte, vierte, sechste, und achte: doch muß dieses Anhalten nicht soviel ausmachen, als wenn Puncte dabey stünden. Unter diesen geschwindesten Noten verstehe ich: die Viertheile im Dreyzweytheiltacte; die Achttheile im Dreyviertheil- und die Sechzehntheile im Dreyachttheiltacte; die Achttheile im Allabreve; die Sechzehntheile oder Zwey und dreyßigtheile im Zweyviertheil- oder im gemeinen geraden Tacte: doch nur so lange, als keine Figuren von noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-30T10:17:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-30T10:17:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-30T10:17:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuchws_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuchws_1752/119
Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuchws_1752/119>, abgerufen am 23.11.2024.