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Purtscheller, Ludwig: Zur Entwicklungsgeschichte des Alpinismus und der alpinen Technik in den Deutschen und Oesterreichischen Alpen. In: Zeitschrift des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins. Band XXV. Berlin, 1894, S. 95-176.

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L. Purtscheller

Unter den älteren Malern erreichte der Schweizer A. Calame
den höchsten Gipfel der Vollkommenheit. Wohl kein anderer
Meister hat vor ihm die alpine Landschaft in so grossartiger Er-
habenheit und in so wunderbarer Romantik darzustellen versucht, als
der Schüler des berühmten Landschafters Diday. Viele seiner
Bilder, wie die im Leipziger Museum befindlichen Unica: Monte
Rosa bei Sonnenaufgang, Felsensturz im Haslithale, der Waldsturm,
Campagna von Pästum, sind noch heute Meisterleistungen von
unübertroffener Schönheit. Das geistige Element, die malerische
Gruppierung der Dinge, die getreue, den Naturerscheinungen
vollends entsprechende, künstlerische Darstellung kommen in
Calame's sämmtlichen Werken zu vollendet harmonischem Aus-
drucke.

Unter den grossen Malern der neueren realistischen Schule
ragen insbesondere hervor K. Ludwig, Direktor der Kunst-
akademie zu Stuttgart, und E. Bracht in Berlin, der sich durch
seine dramatische Auffassung der Alpenlandschaft einen grossen
Namen erworben hat. Die Darstellung der höchsten Felsen-
und Gletscherwelt pflegen ausser unserem grossen Meister
E. T. Compton, dessen Gemälde zu den ersten Glanzstücken
jeder Kunstausstellung gehören, H. G. Willink, der geniale
Illustrator von Dent's "Mountaineering" und Zeno Diemer in
München. J. G. Steffan sucht in seinen Alpenthälern und
Gebirgsflüssen der stilvollen Form und der Komposition von
Calame nahe zu kommen, noch mehr sehen wir die Scenerie und
die koloristischen Effekte bei Heinlein entwickelt. Kraftvolle
Alpenlandschaften haben auch G. Closs, R. Russ und die Ge-
brüder Zimmermann gemalt. Das alpine Genre ist durch
M. J. Wagenbauer und F. Gauermann in wahrhaft klassischer
Weise vertreten, insbesondere wusste Gauermann das alpine Leben
in überzeugender Naturtreue darzustellen, und hierher gehören
auch die beiden grossen Tiroler, Hans Defregger und Mathias
Schmid
, welche das Leben des Tiroler Volkes und die Geschichte
ihres Heimatslandes in ähnlicher Weise und mit kaum minderem
Erfolge zu idealisieren verstanden, als Schiller die Heldenkämpfe
der Schweizer in seinem "Tell". Die Thiere der Alpen finden ihre
Darsteller in J. Chr. Kröner, J. A. Thiele und F. v. Pausinger,
dem klassischen Waidmann, dessen Kohlenzeichnungen zu den
Meisterwerken ersten Ranges gehören. H. Bürkel und R. Koller
gehören als Thiermaler einer früheren Generation an, ebenso auch
die Vedutenmaler K. Millner, A. Waagen und Morgenstern.


L. Purtscheller

Unter den älteren Malern erreichte der Schweizer A. Calame
den höchsten Gipfel der Vollkommenheit. Wohl kein anderer
Meister hat vor ihm die alpine Landschaft in so grossartiger Er-
habenheit und in so wunderbarer Romantik darzustellen versucht, als
der Schüler des berühmten Landschafters Diday. Viele seiner
Bilder, wie die im Leipziger Museum befindlichen Unica: Monte
Rosa bei Sonnenaufgang, Felsensturz im Haslithale, der Waldsturm,
Campagna von Pästum, sind noch heute Meisterleistungen von
unübertroffener Schönheit. Das geistige Element, die malerische
Gruppierung der Dinge, die getreue, den Naturerscheinungen
vollends entsprechende, künstlerische Darstellung kommen in
Calame’s sämmtlichen Werken zu vollendet harmonischem Aus-
drucke.

Unter den grossen Malern der neueren realistischen Schule
ragen insbesondere hervor K. Ludwig, Direktor der Kunst-
akademie zu Stuttgart, und E. Bracht in Berlin, der sich durch
seine dramatische Auffassung der Alpenlandschaft einen grossen
Namen erworben hat. Die Darstellung der höchsten Felsen-
und Gletscherwelt pflegen ausser unserem grossen Meister
E. T. Compton, dessen Gemälde zu den ersten Glanzstücken
jeder Kunstausstellung gehören, H. G. Willink, der geniale
Illustrator von Dent’s „Mountaineering“ und Zeno Diemer in
München. J. G. Steffan sucht in seinen Alpenthälern und
Gebirgsflüssen der stilvollen Form und der Komposition von
Calame nahe zu kommen, noch mehr sehen wir die Scenerie und
die koloristischen Effekte bei Heinlein entwickelt. Kraftvolle
Alpenlandschaften haben auch G. Closs, R. Russ und die Ge-
brüder Zimmermann gemalt. Das alpine Genre ist durch
M. J. Wagenbauer und F. Gauermann in wahrhaft klassischer
Weise vertreten, insbesondere wusste Gauermann das alpine Leben
in überzeugender Naturtreue darzustellen, und hierher gehören
auch die beiden grossen Tiroler, Hans Defregger und Mathias
Schmid
, welche das Leben des Tiroler Volkes und die Geschichte
ihres Heimatslandes in ähnlicher Weise und mit kaum minderem
Erfolge zu idealisieren verstanden, als Schiller die Heldenkämpfe
der Schweizer in seinem „Tell“. Die Thiere der Alpen finden ihre
Darsteller in J. Chr. Kröner, J. A. Thiele und F. v. Pausinger,
dem klassischen Waidmann, dessen Kohlenzeichnungen zu den
Meisterwerken ersten Ranges gehören. H. Bürkel und R. Koller
gehören als Thiermaler einer früheren Generation an, ebenso auch
die Vedutenmaler K. Millner, A. Waagen und Morgenstern.


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[102/0008] L. Purtscheller Unter den älteren Malern erreichte der Schweizer A. Calame den höchsten Gipfel der Vollkommenheit. Wohl kein anderer Meister hat vor ihm die alpine Landschaft in so grossartiger Er- habenheit und in so wunderbarer Romantik darzustellen versucht, als der Schüler des berühmten Landschafters Diday. Viele seiner Bilder, wie die im Leipziger Museum befindlichen Unica: Monte Rosa bei Sonnenaufgang, Felsensturz im Haslithale, der Waldsturm, Campagna von Pästum, sind noch heute Meisterleistungen von unübertroffener Schönheit. Das geistige Element, die malerische Gruppierung der Dinge, die getreue, den Naturerscheinungen vollends entsprechende, künstlerische Darstellung kommen in Calame’s sämmtlichen Werken zu vollendet harmonischem Aus- drucke. Unter den grossen Malern der neueren realistischen Schule ragen insbesondere hervor K. Ludwig, Direktor der Kunst- akademie zu Stuttgart, und E. Bracht in Berlin, der sich durch seine dramatische Auffassung der Alpenlandschaft einen grossen Namen erworben hat. Die Darstellung der höchsten Felsen- und Gletscherwelt pflegen ausser unserem grossen Meister E. T. Compton, dessen Gemälde zu den ersten Glanzstücken jeder Kunstausstellung gehören, H. G. Willink, der geniale Illustrator von Dent’s „Mountaineering“ und Zeno Diemer in München. J. G. Steffan sucht in seinen Alpenthälern und Gebirgsflüssen der stilvollen Form und der Komposition von Calame nahe zu kommen, noch mehr sehen wir die Scenerie und die koloristischen Effekte bei Heinlein entwickelt. Kraftvolle Alpenlandschaften haben auch G. Closs, R. Russ und die Ge- brüder Zimmermann gemalt. Das alpine Genre ist durch M. J. Wagenbauer und F. Gauermann in wahrhaft klassischer Weise vertreten, insbesondere wusste Gauermann das alpine Leben in überzeugender Naturtreue darzustellen, und hierher gehören auch die beiden grossen Tiroler, Hans Defregger und Mathias Schmid, welche das Leben des Tiroler Volkes und die Geschichte ihres Heimatslandes in ähnlicher Weise und mit kaum minderem Erfolge zu idealisieren verstanden, als Schiller die Heldenkämpfe der Schweizer in seinem „Tell“. Die Thiere der Alpen finden ihre Darsteller in J. Chr. Kröner, J. A. Thiele und F. v. Pausinger, dem klassischen Waidmann, dessen Kohlenzeichnungen zu den Meisterwerken ersten Ranges gehören. H. Bürkel und R. Koller gehören als Thiermaler einer früheren Generation an, ebenso auch die Vedutenmaler K. Millner, A. Waagen und Morgenstern.

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Zitationshilfe: Purtscheller, Ludwig: Zur Entwicklungsgeschichte des Alpinismus und der alpinen Technik in den Deutschen und Oesterreichischen Alpen. In: Zeitschrift des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins. Band XXV. Berlin, 1894, S. 95-176, hier S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/purtscheller_alpinismus_1894/8>, abgerufen am 28.03.2024.