Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pufendorf, Samuel von: Einleitung zur Sitten- und Staats-Lehre. Leipzig, 1691.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
befahren gehabt hätte/ so wäre es ja ver-
gebens gewesen/ deßhalben einige Ge-
setze zu geben. Wir sollen/ nach Erhei-
schung der Natürlichen Rechte/ zur Ver-
söhnligkeit und zum Frieden/ wie auch
unsern Beleidigern das zugefügte Un-
recht zu vergeben und zu vergessen/ wil-
lig und geneigt seyn. Was hätte es aber
dessen bey denenjenigen bedurfft/ die von
selbst auf die liebreiche Erhaltung des
Bandes menschlicher Gesellschafft einig
und allein beflissen waren? Und eben sol-
che Bewandniß hat es auch mit denen
Verboten/ welche eigendlich unter die
Natürlichen/ und nicht etwa zu denen
Positiv-Gesetzen gehören. Denn ob-
gleich ein jedweders Gebot folglich/
und seiner Würckung nach/ auch das
Gegentheil verbietet/ (als wenn GOtt
befiehlet den Nechsten zu lieben/ so
verbeut ER eben dadurch im Gegen-
theil alle das jenige/ was solcher Liebe zu
wider ist) so wäre es doch überflüssig und
vergebens gewesen/ in dem Stande der
Unschuld ein dergleichen Verbot mit
ausdrücklichen Worten zu dictiren/ all-

wo

Vorrede.
befahren gehabt haͤtte/ ſo waͤre es ja ver-
gebens geweſen/ deßhalben einige Ge-
ſetze zu geben. Wir ſollen/ nach Erhei-
ſchung der Natuͤrlichen Rechte/ zur Ver-
ſoͤhnligkeit und zum Frieden/ wie auch
unſern Beleidigern das zugefuͤgte Un-
recht zu vergeben und zu vergeſſen/ wil-
lig und geneigt ſeyn. Was haͤtte es aber
deſſen bey denenjenigen bedurfft/ die von
ſelbſt auf die liebreiche Erhaltung des
Bandes menſchlicher Geſellſchafft einig
und allein befliſſen waren? Und eben ſol-
che Bewandniß hat es auch mit denen
Verboten/ welche eigendlich unter die
Natuͤrlichen/ und nicht etwa zu denen
Poſitiv-Geſetzen gehoͤren. Denn ob-
gleich ein jedweders Gebot folglich/
und ſeiner Wuͤrckung nach/ auch das
Gegentheil verbietet/ (als weñ GOtt
befiehlet den Nechſten zu lieben/ ſo
verbeut ER eben dadurch im Gegen-
theil alle das jenige/ was ſolcher Liebe zu
wider iſt) ſo waͤre es doch uͤberfluͤſſig und
vergebens geweſen/ in dem Stande der
Unſchuld ein dergleichen Verbot mit
ausdruͤcklichen Worten zu dictiren/ all-

wo
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0051"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/>
befahren gehabt ha&#x0364;tte/ &#x017F;o wa&#x0364;re es ja ver-<lb/>
gebens gewe&#x017F;en/ deßhalben einige Ge-<lb/>
&#x017F;etze zu geben. Wir &#x017F;ollen/ nach Erhei-<lb/>
&#x017F;chung der Natu&#x0364;rlichen Rechte/ zur Ver-<lb/>
&#x017F;o&#x0364;hnligkeit und zum Frieden/ wie auch<lb/>
un&#x017F;ern Beleidigern das zugefu&#x0364;gte Un-<lb/>
recht zu vergeben und zu verge&#x017F;&#x017F;en/ wil-<lb/>
lig und geneigt &#x017F;eyn. Was ha&#x0364;tte es aber<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en bey denenjenigen bedurfft/ die von<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t auf die liebreiche Erhaltung des<lb/>
Bandes men&#x017F;chlicher Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft einig<lb/>
und allein befli&#x017F;&#x017F;en waren? Und eben &#x017F;ol-<lb/>
che Bewandniß hat es auch mit denen<lb/><hi rendition="#fr">Verboten/</hi> welche eigendlich unter die<lb/>
Natu&#x0364;rlichen/ und nicht etwa zu denen<lb/><hi rendition="#aq">Po&#x017F;itiv-</hi>Ge&#x017F;etzen geho&#x0364;ren. Denn ob-<lb/>
gleich ein jedweders <hi rendition="#fr">Gebot</hi> folglich/<lb/>
und &#x017F;einer Wu&#x0364;rckung nach/ auch das<lb/>
Gegentheil <hi rendition="#fr">verbietet/</hi> (als weñ GOtt<lb/><hi rendition="#fr">befiehlet</hi> den Nech&#x017F;ten zu lieben/ &#x017F;o<lb/><hi rendition="#fr">verbeut</hi> ER eben dadurch im Gegen-<lb/>
theil alle das jenige/ was &#x017F;olcher Liebe zu<lb/>
wider i&#x017F;t) &#x017F;o wa&#x0364;re es doch u&#x0364;berflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig und<lb/>
vergebens gewe&#x017F;en/ in dem Stande der<lb/>
Un&#x017F;chuld ein dergleichen <hi rendition="#fr">Verbot</hi> mit<lb/>
ausdru&#x0364;cklichen Worten zu <hi rendition="#aq">dictir</hi>en/ all-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wo</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0051] Vorrede. befahren gehabt haͤtte/ ſo waͤre es ja ver- gebens geweſen/ deßhalben einige Ge- ſetze zu geben. Wir ſollen/ nach Erhei- ſchung der Natuͤrlichen Rechte/ zur Ver- ſoͤhnligkeit und zum Frieden/ wie auch unſern Beleidigern das zugefuͤgte Un- recht zu vergeben und zu vergeſſen/ wil- lig und geneigt ſeyn. Was haͤtte es aber deſſen bey denenjenigen bedurfft/ die von ſelbſt auf die liebreiche Erhaltung des Bandes menſchlicher Geſellſchafft einig und allein befliſſen waren? Und eben ſol- che Bewandniß hat es auch mit denen Verboten/ welche eigendlich unter die Natuͤrlichen/ und nicht etwa zu denen Poſitiv-Geſetzen gehoͤren. Denn ob- gleich ein jedweders Gebot folglich/ und ſeiner Wuͤrckung nach/ auch das Gegentheil verbietet/ (als weñ GOtt befiehlet den Nechſten zu lieben/ ſo verbeut ER eben dadurch im Gegen- theil alle das jenige/ was ſolcher Liebe zu wider iſt) ſo waͤre es doch uͤberfluͤſſig und vergebens geweſen/ in dem Stande der Unſchuld ein dergleichen Verbot mit ausdruͤcklichen Worten zu dictiren/ all- wo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pufendorf_einleitung_1691
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pufendorf_einleitung_1691/51
Zitationshilfe: Pufendorf, Samuel von: Einleitung zur Sitten- und Staats-Lehre. Leipzig, 1691, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pufendorf_einleitung_1691/51>, abgerufen am 28.04.2024.