Pufendorf, Samuel von: Einleitung zur Sitten- und Staats-Lehre. Leipzig, 1691.Vorrede. nicht nach dem längst verschwun-denen/ und blos uns Christen be- kannten Stande der Unschuld/ son- dern seinen itzigen Zustande/ und der verderbten Natur nach be- trachtet werden müsse/ nemlich so fern/ als er von bösen Begier den eingenommen/ und gleichsam an- gefüllet ist. Denn es wird zwar nie- mand/ auch der aller-blindeste Heyde/ so tum und so albern nicht seyn/ daß er die ungeziemenden und bösen Reitzungen nicht bey sich verspüren solte; Allein/ wer wolte doch wohl wissen/ daß eben der erste Mensch an solchem Aufstande der Affecten Schuld hat/ wenn es uns Christen die heilige Schrifft nicht inson- derheit geoffenbaret hätte? Weil man denn nun in der Disciplin der natürli- chen Rechte nicht weiter gehen soll/ als unsere Vernunfft von sich selbst kommen kan/ so ist leicht zu ermessen/ daß man auch den Stand der Unschuld zu derosel- ben Erklärung nicht mit zuziehen dürffe; Zumaln da gewiß ist/ daß auch der Al- lerweiseste GOtt selbst/ indem Er den De-
Vorrede. nicht nach dem laͤngſt verſchwun-denen/ und blos uns Chriſten be- kañten Stande der Unſchuld/ ſon- dern ſeinen itzigen Zuſtande/ und der verderbten Natur nach be- trachtet werden muͤſſe/ nemlich ſo fern/ als er von boͤſen Begier den eingenommen/ und gleichſam an- gefuͤllet iſt. Denn es wird zwar nie- mand/ auch der aller-blindeſte Heyde/ ſo tum und ſo albern nicht ſeyn/ daß er die ungeziemenden und boͤſen Reitzungen nicht bey ſich verſpuͤren ſolte; Allein/ wer wolte doch wohl wiſſen/ daß eben der erſte Menſch an ſolchem Aufſtande der Affecten Schuld hat/ wenn es uns Chriſten die heilige Schrifft nicht inſon- derheit geoffenbaret haͤtte? Weil man denn nun in der Diſciplin der natuͤrli- chen Rechte nicht weiter gehen ſoll/ als unſere Vernunfft von ſich ſelbſt kommen kan/ ſo iſt leicht zu ermeſſen/ daß man auch den Stand der Unſchuld zu deroſel- ben Erklaͤrung nicht mit zuziehen dürffe; Zumaln da gewiß iſt/ daß auch der Al- lerweiſeſte GOtt ſelbſt/ indem Er den De-
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Vorrede.
nicht nach dem laͤngſt verſchwun-
denen/ und blos uns Chriſten be-
kañten Stande der Unſchuld/ ſon-
dern ſeinen itzigen Zuſtande/ und
der verderbten Natur nach be-
trachtet werden muͤſſe/ nemlich
ſo fern/ als er von boͤſen Begier den
eingenommen/ und gleichſam an-
gefuͤllet iſt. Denn es wird zwar nie-
mand/ auch der aller-blindeſte Heyde/
ſo tum und ſo albern nicht ſeyn/ daß er
die ungeziemenden und boͤſen Reitzungen
nicht bey ſich verſpuͤren ſolte; Allein/
wer wolte doch wohl wiſſen/ daß eben
der erſte Menſch an ſolchem Aufſtande
der Affecten Schuld hat/ wenn es uns
Chriſten die heilige Schrifft nicht inſon-
derheit geoffenbaret haͤtte? Weil man
denn nun in der Diſciplin der natuͤrli-
chen Rechte nicht weiter gehen ſoll/ als
unſere Vernunfft von ſich ſelbſt kommen
kan/ ſo iſt leicht zu ermeſſen/ daß man
auch den Stand der Unſchuld zu deroſel-
ben Erklaͤrung nicht mit zuziehen dürffe;
Zumaln da gewiß iſt/ daß auch der Al-
lerweiſeſte GOtt ſelbſt/ indem Er den
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