gesinnt halten müße; so daß das Interesse des ge- sammten catholischen Religionstheils erfordere, in allen Fällen, wo von Erweiterung der kaiserlichen Vorrechte die Frage sey, dieselbe mit allen Kräf- ten zu befördern, und daß hinwiederum der kaiser- liche Hof Ursache habe, allem dem, was das evan- gelische Religionswesen aufrecht erhalten könnte, entgegen zu arbeiten.
XIV.
Möchten doch endlich nur alle solche Vorur- theile verschwinden, und allgemein erkannt werden, daß die Rechtschaffenheit, ohne welche keine ächte Religion bestehen kann, erfordere, einem jeden ohne Rücksicht auf die Religion das seinige zu la- ßen, und daß Mitglieder eines Staats, wenn auch in Religionssachen ihr Glaube nicht überein- stimmt, dennoch als Brüder bey einander leben können! Freylich mögen einem Staate, dessen Haupt und Glieder einerley Religion zugethan sind, vor andern, wo verschiedene Religionen neben ein- ander stehen, in Ansehung dessen, was daraus für Eifersucht und andere Folgen entstehen können, gewisse Vorzüge nicht abgesprochen werden. Da- her allerdings die Frage entstehen kann, ob es rath- sam sey, fremde Religionsverwandten, die noch nicht in einem Lande sind, darin aufzunehmen. Aber wo ein Religionsunterschied nur daraus er- wächst, daß im Lande selbst eine Veränderung vor- geht, und wo nun einmal verschiedene Religions- verwandten neben einander im Staate sind, da bleibt nichts übrig, als einen jeden seiner Ueber- zeugung nachgehen zu laßen. Wäre diese Gesin- nung allgemeiner, wie man hoffen muß, daß sie
von
XIV. Heutige Verfaſſung.
geſinnt halten muͤße; ſo daß das Intereſſe des ge- ſammten catholiſchen Religionstheils erfordere, in allen Faͤllen, wo von Erweiterung der kaiſerlichen Vorrechte die Frage ſey, dieſelbe mit allen Kraͤf- ten zu befoͤrdern, und daß hinwiederum der kaiſer- liche Hof Urſache habe, allem dem, was das evan- geliſche Religionsweſen aufrecht erhalten koͤnnte, entgegen zu arbeiten.
XIV.
Moͤchten doch endlich nur alle ſolche Vorur- theile verſchwinden, und allgemein erkannt werden, daß die Rechtſchaffenheit, ohne welche keine aͤchte Religion beſtehen kann, erfordere, einem jeden ohne Ruͤckſicht auf die Religion das ſeinige zu la- ßen, und daß Mitglieder eines Staats, wenn auch in Religionsſachen ihr Glaube nicht uͤberein- ſtimmt, dennoch als Bruͤder bey einander leben koͤnnen! Freylich moͤgen einem Staate, deſſen Haupt und Glieder einerley Religion zugethan ſind, vor andern, wo verſchiedene Religionen neben ein- ander ſtehen, in Anſehung deſſen, was daraus fuͤr Eiferſucht und andere Folgen entſtehen koͤnnen, gewiſſe Vorzuͤge nicht abgeſprochen werden. Da- her allerdings die Frage entſtehen kann, ob es rath- ſam ſey, fremde Religionsverwandten, die noch nicht in einem Lande ſind, darin aufzunehmen. Aber wo ein Religionsunterſchied nur daraus er- waͤchſt, daß im Lande ſelbſt eine Veraͤnderung vor- geht, und wo nun einmal verſchiedene Religions- verwandten neben einander im Staate ſind, da bleibt nichts uͤbrig, als einen jeden ſeiner Ueber- zeugung nachgehen zu laßen. Waͤre dieſe Geſin- nung allgemeiner, wie man hoffen muß, daß ſie
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XIV. Heutige Verfaſſung.
geſinnt halten muͤße; ſo daß das Intereſſe des ge-
ſammten catholiſchen Religionstheils erfordere, in
allen Faͤllen, wo von Erweiterung der kaiſerlichen
Vorrechte die Frage ſey, dieſelbe mit allen Kraͤf-
ten zu befoͤrdern, und daß hinwiederum der kaiſer-
liche Hof Urſache habe, allem dem, was das evan-
geliſche Religionsweſen aufrecht erhalten koͤnnte,
entgegen zu arbeiten.
Moͤchten doch endlich nur alle ſolche Vorur-
theile verſchwinden, und allgemein erkannt werden,
daß die Rechtſchaffenheit, ohne welche keine aͤchte
Religion beſtehen kann, erfordere, einem jeden
ohne Ruͤckſicht auf die Religion das ſeinige zu la-
ßen, und daß Mitglieder eines Staats, wenn
auch in Religionsſachen ihr Glaube nicht uͤberein-
ſtimmt, dennoch als Bruͤder bey einander leben
koͤnnen! Freylich moͤgen einem Staate, deſſen
Haupt und Glieder einerley Religion zugethan ſind,
vor andern, wo verſchiedene Religionen neben ein-
ander ſtehen, in Anſehung deſſen, was daraus fuͤr
Eiferſucht und andere Folgen entſtehen koͤnnen,
gewiſſe Vorzuͤge nicht abgeſprochen werden. Da-
her allerdings die Frage entſtehen kann, ob es rath-
ſam ſey, fremde Religionsverwandten, die noch
nicht in einem Lande ſind, darin aufzunehmen.
Aber wo ein Religionsunterſchied nur daraus er-
waͤchſt, daß im Lande ſelbſt eine Veraͤnderung vor-
geht, und wo nun einmal verſchiedene Religions-
verwandten neben einander im Staate ſind, da
bleibt nichts uͤbrig, als einen jeden ſeiner Ueber-
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/290>, abgerufen am 16.02.2025.
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