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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787.

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XIV. Heutige Verfassung.
ehedem noch Churfürsten, Fürsten und Grafen
sowohl als der Kaiser selbst sich persönlich dabey
einzufinden pflegten und dann gleich auf der Stelle
ihre Meynung erklären konnten, jetzt aber lauter
Bevollmächtigte da sind, die für sich nichts thun
können, sondern alles auf die jedesmal einzuholen-
de oder doch erst nachzusehende und genau zu be-
folgende Instruction müßen ankommen laßen. Da
nun überdies nicht nur solche Stände, die jetzt
mehrere Stimmen haben, solche gemeiniglich nur
durch einen Gesandten führen laßen, sondern viel-
fältig auch ein Gesandter mehrere Höfe zu bedie-
nen hat; so ist der ganze Reichstag nach und nach
so zusammen geschmolzen, daß zu den hundert
Stimmen im Reichsfürstenrathe kaum noch 20.
Gesandten vorhanden sind. Das ganze reichsstäd-
tische Collegium besteht gar nur größtentheils aus
einigen Regensburgischen Rathsherren, die zugleich
als Stimmführer mehrerer Reichsstädte angestellt
sind. Wenn also auch gleich noch ein jeder Chur-
fürst seinen eignen Gesandten hat; so pflegt doch
der ganze Reichstag jetzt kaum aus mehr als 30.
Comitialgesandten zu bestehen.


X.

Nun sind es zwar noch immer für ganz Teutsch-
land wichtige Gegenstände, die hier zur Berath-
schlagung kommen können, da hier eigentlich der
Ort ist, wo noch alle Hoheitsrechte, wenn sie auch
nicht mehr der kaiserlichen Majestät alleine über-
laßen sind, von Kaiser und Reichs wegen ausge-
übt werden können; wie sich das insonderheit zeigt,
wenn neue Gesetzgebungen für die gesammte Reichs-
verfassung in Frage kommen, oder wenn Fragen
von Krieg oder Frieden entschieden, wenn Steuern

bewil-

XIV. Heutige Verfaſſung.
ehedem noch Churfuͤrſten, Fuͤrſten und Grafen
ſowohl als der Kaiſer ſelbſt ſich perſoͤnlich dabey
einzufinden pflegten und dann gleich auf der Stelle
ihre Meynung erklaͤren konnten, jetzt aber lauter
Bevollmaͤchtigte da ſind, die fuͤr ſich nichts thun
koͤnnen, ſondern alles auf die jedesmal einzuholen-
de oder doch erſt nachzuſehende und genau zu be-
folgende Inſtruction muͤßen ankommen laßen. Da
nun uͤberdies nicht nur ſolche Staͤnde, die jetzt
mehrere Stimmen haben, ſolche gemeiniglich nur
durch einen Geſandten fuͤhren laßen, ſondern viel-
faͤltig auch ein Geſandter mehrere Hoͤfe zu bedie-
nen hat; ſo iſt der ganze Reichstag nach und nach
ſo zuſammen geſchmolzen, daß zu den hundert
Stimmen im Reichsfuͤrſtenrathe kaum noch 20.
Geſandten vorhanden ſind. Das ganze reichsſtaͤd-
tiſche Collegium beſteht gar nur groͤßtentheils aus
einigen Regensburgiſchen Rathsherren, die zugleich
als Stimmfuͤhrer mehrerer Reichsſtaͤdte angeſtellt
ſind. Wenn alſo auch gleich noch ein jeder Chur-
fuͤrſt ſeinen eignen Geſandten hat; ſo pflegt doch
der ganze Reichstag jetzt kaum aus mehr als 30.
Comitialgeſandten zu beſtehen.


X.

Nun ſind es zwar noch immer fuͤr ganz Teutſch-
land wichtige Gegenſtaͤnde, die hier zur Berath-
ſchlagung kommen koͤnnen, da hier eigentlich der
Ort iſt, wo noch alle Hoheitsrechte, wenn ſie auch
nicht mehr der kaiſerlichen Majeſtaͤt alleine uͤber-
laßen ſind, von Kaiſer und Reichs wegen ausge-
uͤbt werden koͤnnen; wie ſich das inſonderheit zeigt,
wenn neue Geſetzgebungen fuͤr die geſammte Reichs-
verfaſſung in Frage kommen, oder wenn Fragen
von Krieg oder Frieden entſchieden, wenn Steuern

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[230/0264] XIV. Heutige Verfaſſung. ehedem noch Churfuͤrſten, Fuͤrſten und Grafen ſowohl als der Kaiſer ſelbſt ſich perſoͤnlich dabey einzufinden pflegten und dann gleich auf der Stelle ihre Meynung erklaͤren konnten, jetzt aber lauter Bevollmaͤchtigte da ſind, die fuͤr ſich nichts thun koͤnnen, ſondern alles auf die jedesmal einzuholen- de oder doch erſt nachzuſehende und genau zu be- folgende Inſtruction muͤßen ankommen laßen. Da nun uͤberdies nicht nur ſolche Staͤnde, die jetzt mehrere Stimmen haben, ſolche gemeiniglich nur durch einen Geſandten fuͤhren laßen, ſondern viel- faͤltig auch ein Geſandter mehrere Hoͤfe zu bedie- nen hat; ſo iſt der ganze Reichstag nach und nach ſo zuſammen geſchmolzen, daß zu den hundert Stimmen im Reichsfuͤrſtenrathe kaum noch 20. Geſandten vorhanden ſind. Das ganze reichsſtaͤd- tiſche Collegium beſteht gar nur groͤßtentheils aus einigen Regensburgiſchen Rathsherren, die zugleich als Stimmfuͤhrer mehrerer Reichsſtaͤdte angeſtellt ſind. Wenn alſo auch gleich noch ein jeder Chur- fuͤrſt ſeinen eignen Geſandten hat; ſo pflegt doch der ganze Reichstag jetzt kaum aus mehr als 30. Comitialgeſandten zu beſtehen. Nun ſind es zwar noch immer fuͤr ganz Teutſch- land wichtige Gegenſtaͤnde, die hier zur Berath- ſchlagung kommen koͤnnen, da hier eigentlich der Ort iſt, wo noch alle Hoheitsrechte, wenn ſie auch nicht mehr der kaiſerlichen Majeſtaͤt alleine uͤber- laßen ſind, von Kaiſer und Reichs wegen ausge- uͤbt werden koͤnnen; wie ſich das inſonderheit zeigt, wenn neue Geſetzgebungen fuͤr die geſammte Reichs- verfaſſung in Frage kommen, oder wenn Fragen von Krieg oder Frieden entſchieden, wenn Steuern bewil-

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/264>, abgerufen am 25.11.2024.