pflegen, wenn ein Mitglied der Reichsritterschaft in einem reichsständischen Lande dient oder sonst wohnhaft ist, und vor reichsständischen Gerichten belangt, oder in Todesfällen die Verlaßenschaft versiegelt und inventirt werden soll u. s. w.
Jetzt schlug der Würtenbergische Hof über alleXIV. diese Irrungen einen ganz andern Weg ein. Er behauptete, daß aus Mangel einer allgemeinen Richtschnur in den verschiedenen Streitigkeiten zwischen Reichsständen und der Reichsritterschaft nicht nach gleichförmigen Grundsätzen, sondern bald so, bald anders gesprochen würde. Er wand- te sich also an die gesetzgebende Gewalt, um ein noch ermangelndes allgemeines bestimmtes Regu- lativ über alle hieher gehörige Streitfragen zu er- langen. Eine mit einem ganzen Folianten Archi- valurkunden begleitete Deduction wurde in solcher Absicht (1749.) dem Reichstage vorgelegt, und die Sache mittelst eigner Gesandtschaften an die wichtigsten Höfe mit ausserordentlichem Eifer be- trieben. Von Seiten der Ritterschaft erschienen hingegen nach und nach ganze Folianten Gegen- deductionen. Die Reichstagsstimmen schienen ziem- lich getheilt zu seyn. Endlich kam es (1752. Jul. 23.) zu einem Reichsgutachten, das in der Hauptsache alles ließ, wie es war, indem es zu erkennen gab, daß die Errichtung eines allgemei- nen Normatives wegen des verschiedenen Herkom- mens in den verschiedenen Gegenden von Teutsch- land mit zu vielen Anständen umwunden sey, und also nichts übrig bleibe, als der kaiserlichen Ma- jestät solche Irrungen nach den besonderen Um- ständen jeden Falles zu Beförderung gütlicher Aus-
wege
1) Friedenszeit 1748-1753.
pflegen, wenn ein Mitglied der Reichsritterſchaft in einem reichsſtaͤndiſchen Lande dient oder ſonſt wohnhaft iſt, und vor reichsſtaͤndiſchen Gerichten belangt, oder in Todesfaͤllen die Verlaßenſchaft verſiegelt und inventirt werden ſoll u. ſ. w.
Jetzt ſchlug der Wuͤrtenbergiſche Hof uͤber alleXIV. dieſe Irrungen einen ganz andern Weg ein. Er behauptete, daß aus Mangel einer allgemeinen Richtſchnur in den verſchiedenen Streitigkeiten zwiſchen Reichsſtaͤnden und der Reichsritterſchaft nicht nach gleichfoͤrmigen Grundſaͤtzen, ſondern bald ſo, bald anders geſprochen wuͤrde. Er wand- te ſich alſo an die geſetzgebende Gewalt, um ein noch ermangelndes allgemeines beſtimmtes Regu- lativ uͤber alle hieher gehoͤrige Streitfragen zu er- langen. Eine mit einem ganzen Folianten Archi- valurkunden begleitete Deduction wurde in ſolcher Abſicht (1749.) dem Reichstage vorgelegt, und die Sache mittelſt eigner Geſandtſchaften an die wichtigſten Hoͤfe mit auſſerordentlichem Eifer be- trieben. Von Seiten der Ritterſchaft erſchienen hingegen nach und nach ganze Folianten Gegen- deductionen. Die Reichstagsſtimmen ſchienen ziem- lich getheilt zu ſeyn. Endlich kam es (1752. Jul. 23.) zu einem Reichsgutachten, das in der Hauptſache alles ließ, wie es war, indem es zu erkennen gab, daß die Errichtung eines allgemei- nen Normatives wegen des verſchiedenen Herkom- mens in den verſchiedenen Gegenden von Teutſch- land mit zu vielen Anſtaͤnden umwunden ſey, und alſo nichts uͤbrig bleibe, als der kaiſerlichen Ma- jeſtaͤt ſolche Irrungen nach den beſonderen Um- ſtaͤnden jeden Falles zu Befoͤrderung guͤtlicher Aus-
wege
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[77/0111]
1) Friedenszeit 1748-1753.
pflegen, wenn ein Mitglied der Reichsritterſchaft
in einem reichsſtaͤndiſchen Lande dient oder ſonſt
wohnhaft iſt, und vor reichsſtaͤndiſchen Gerichten
belangt, oder in Todesfaͤllen die Verlaßenſchaft
verſiegelt und inventirt werden ſoll u. ſ. w.
Jetzt ſchlug der Wuͤrtenbergiſche Hof uͤber alle
dieſe Irrungen einen ganz andern Weg ein. Er
behauptete, daß aus Mangel einer allgemeinen
Richtſchnur in den verſchiedenen Streitigkeiten
zwiſchen Reichsſtaͤnden und der Reichsritterſchaft
nicht nach gleichfoͤrmigen Grundſaͤtzen, ſondern
bald ſo, bald anders geſprochen wuͤrde. Er wand-
te ſich alſo an die geſetzgebende Gewalt, um ein
noch ermangelndes allgemeines beſtimmtes Regu-
lativ uͤber alle hieher gehoͤrige Streitfragen zu er-
langen. Eine mit einem ganzen Folianten Archi-
valurkunden begleitete Deduction wurde in ſolcher
Abſicht (1749.) dem Reichstage vorgelegt, und
die Sache mittelſt eigner Geſandtſchaften an die
wichtigſten Hoͤfe mit auſſerordentlichem Eifer be-
trieben. Von Seiten der Ritterſchaft erſchienen
hingegen nach und nach ganze Folianten Gegen-
deductionen. Die Reichstagsſtimmen ſchienen ziem-
lich getheilt zu ſeyn. Endlich kam es (1752.
Jul. 23.) zu einem Reichsgutachten, das in der
Hauptſache alles ließ, wie es war, indem es zu
erkennen gab, daß die Errichtung eines allgemei-
nen Normatives wegen des verſchiedenen Herkom-
mens in den verſchiedenen Gegenden von Teutſch-
land mit zu vielen Anſtaͤnden umwunden ſey, und
alſo nichts uͤbrig bleibe, als der kaiſerlichen Ma-
jeſtaͤt ſolche Irrungen nach den beſonderen Um-
ſtaͤnden jeden Falles zu Befoͤrderung guͤtlicher Aus-
wege
XIV.
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 3: Von 1740 bis 1786. Göttingen, 1787, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung03_1787/111>, abgerufen am 22.07.2024.
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