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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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4) Rud. II. Reichshofrathsgerichtb.
kaiserlichen Hofe zur Entscheidung kommen möchte?
Wie mußte aber vollends den Protestanten zu
Muthe werden, da sie wußten, daß am Reichs-
hofrathe nicht, wie am Cammergerichte, auch evan-
gelische Mitglieder, sondern nur catholische Reichs-
hofräthe waren, und da sie bald erfuhren, daß der
Einfluß, den Jesuiten und Spanische Minister auf
das kaiserliche Cabinet hatten, auch in Entschließun-
gen auf Reichshofrathsgutachten oder in anderen
unmittelbaren Einflüssen auf dieses hohe Collegium
nicht unwirksam blieben?

In einem Schriftwechsel, den die Donawer-IV.
thische Achtserklärung veranlaßte, kam es am ersten
hierüber zur Sprache. Man suchte die Streitfrage
so einzulenken: ob der Kaiser mit dem Cammer-
gerichte noch eine concurrente Gerichtbarkeit
habe? Man suchte also nicht sowohl das Reichs-
hofrathscollegium, als die Person des Kaisers selbst
hier zum Gegenstande aufzustellen. Nun hieß es:
der Kaiser habe seine Gerichtbarkeit zwar dem Cam-
mergerichte aufgetragen, aber (wie jetzt mit jesui-
tischscholastischem Scharfsinn distinguirt wurde)
nicht abdicativisch, so, daß er sich seiner Gericht-
barkeit damit ganz begeben oder derselben ganz ent-
saget hätte; sondern nur communicativisch habe
der Kaiser dem Cammergerichte seine Gerichtbar-
keit mitgetheilt, ohne daß ihm die Hände gebun-
den wären, auch noch neben dem Cammergerichte
eben diese Gerichtbarkeit auszuüben.

Nach richtigen Grundsätzen eines gesundenV.
allgemeinen Staatsrechts, aus der Natur des Ju-
stitzwesens geschöpft, und mit der besonderen Ver-

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4) Rud. II. Reichshofrathsgerichtb.
kaiſerlichen Hofe zur Entſcheidung kommen moͤchte?
Wie mußte aber vollends den Proteſtanten zu
Muthe werden, da ſie wußten, daß am Reichs-
hofrathe nicht, wie am Cammergerichte, auch evan-
geliſche Mitglieder, ſondern nur catholiſche Reichs-
hofraͤthe waren, und da ſie bald erfuhren, daß der
Einfluß, den Jeſuiten und Spaniſche Miniſter auf
das kaiſerliche Cabinet hatten, auch in Entſchließun-
gen auf Reichshofrathsgutachten oder in anderen
unmittelbaren Einfluͤſſen auf dieſes hohe Collegium
nicht unwirkſam blieben?

In einem Schriftwechſel, den die Donawer-IV.
thiſche Achtserklaͤrung veranlaßte, kam es am erſten
hieruͤber zur Sprache. Man ſuchte die Streitfrage
ſo einzulenken: ob der Kaiſer mit dem Cammer-
gerichte noch eine concurrente Gerichtbarkeit
habe? Man ſuchte alſo nicht ſowohl das Reichs-
hofrathscollegium, als die Perſon des Kaiſers ſelbſt
hier zum Gegenſtande aufzuſtellen. Nun hieß es:
der Kaiſer habe ſeine Gerichtbarkeit zwar dem Cam-
mergerichte aufgetragen, aber (wie jetzt mit jeſui-
tiſchſcholaſtiſchem Scharfſinn diſtinguirt wurde)
nicht abdicativiſch, ſo, daß er ſich ſeiner Gericht-
barkeit damit ganz begeben oder derſelben ganz ent-
ſaget haͤtte; ſondern nur communicativiſch habe
der Kaiſer dem Cammergerichte ſeine Gerichtbar-
keit mitgetheilt, ohne daß ihm die Haͤnde gebun-
den waͤren, auch noch neben dem Cammergerichte
eben dieſe Gerichtbarkeit auszuuͤben.

Nach richtigen Grundſaͤtzen eines geſundenV.
allgemeinen Staatsrechts, aus der Natur des Ju-
ſtitzweſens geſchoͤpft, und mit der beſonderen Ver-

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[25/0067] 4) Rud. II. Reichshofrathsgerichtb. kaiſerlichen Hofe zur Entſcheidung kommen moͤchte? Wie mußte aber vollends den Proteſtanten zu Muthe werden, da ſie wußten, daß am Reichs- hofrathe nicht, wie am Cammergerichte, auch evan- geliſche Mitglieder, ſondern nur catholiſche Reichs- hofraͤthe waren, und da ſie bald erfuhren, daß der Einfluß, den Jeſuiten und Spaniſche Miniſter auf das kaiſerliche Cabinet hatten, auch in Entſchließun- gen auf Reichshofrathsgutachten oder in anderen unmittelbaren Einfluͤſſen auf dieſes hohe Collegium nicht unwirkſam blieben? In einem Schriftwechſel, den die Donawer- thiſche Achtserklaͤrung veranlaßte, kam es am erſten hieruͤber zur Sprache. Man ſuchte die Streitfrage ſo einzulenken: ob der Kaiſer mit dem Cammer- gerichte noch eine concurrente Gerichtbarkeit habe? Man ſuchte alſo nicht ſowohl das Reichs- hofrathscollegium, als die Perſon des Kaiſers ſelbſt hier zum Gegenſtande aufzuſtellen. Nun hieß es: der Kaiſer habe ſeine Gerichtbarkeit zwar dem Cam- mergerichte aufgetragen, aber (wie jetzt mit jeſui- tiſchſcholaſtiſchem Scharfſinn diſtinguirt wurde) nicht abdicativiſch, ſo, daß er ſich ſeiner Gericht- barkeit damit ganz begeben oder derſelben ganz ent- ſaget haͤtte; ſondern nur communicativiſch habe der Kaiſer dem Cammergerichte ſeine Gerichtbar- keit mitgetheilt, ohne daß ihm die Haͤnde gebun- den waͤren, auch noch neben dem Cammergerichte eben dieſe Gerichtbarkeit auszuuͤben. IV. Nach richtigen Grundſaͤtzen eines geſunden allgemeinen Staatsrechts, aus der Natur des Ju- ſtitzweſens geſchoͤpft, und mit der beſonderen Ver- faſ- V. B 5

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/67>, abgerufen am 24.11.2024.