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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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3) Rud. II. neue Relig. Unruhen.
ein; ein berühmter Rechtsgelehrter, Andreas Gail,
that darüber den Ausspruch: Mit dem neuen
Calender ist es Narrenwerk. Das Hauptwerk kam
aber darauf an: ob eine päbstliche Vorschrift hier-
in den Ausschlag geben könne? Weil von Berich-
tigung des Calenders auch die Bestimmung der
Zeit des Osterfestes und anderer Feiertage abhieng,
so sah man es als einen kirchlichen Gegenstand an.
Auf der Kirchenversammlung zu Costnitz war des-
wegen schon davon die Rede gewesen. Endlich
hatte man zu Rom selbst einige Astronomen die
Sache berechnen laßen. Und so glaubte der Pabst,
die Sache aus seiner Gewalt durchsetzen zu kön-
nen. Das fand natürlicher Weise bey allen pro-
testantischen Mächten Widerspruch. Die Protestan-
ten blieben daher überall bey dem bisherigen alten
Calender; zehlten also ihre Monathstage um 10.
Tage später, als die Catholischen.

In Reichen und Staaten, wo nur einerleyXIV.
Religionsverwandte waren, hatte es am Ende nicht
so viel zu bedeuten, welchem Calender man folgte.
Aber in einem Reiche, wie in Teutschland, wo
auf dem Reichstage und bey vielen anderen Gele-
genheiten catholische und evangelische Stände bey-
sammen waren, oder in Städten, wo von beider-
ley Religionen Einwohner waren, konnte es nicht
anders als vielerley Verwirrung machen, wenn
der eine Theil Ostern, Pfingsten, Weinachten,
Neujahr u. s. w. zehn Tage eher oder später als
der andere feierte; ohne zu gedenken, was in an-
deren Dingen, die auf gewisse Tage bestimmt wa-
ren, als in Wechselsachen, Messen, Jahrmärkten
u. s. w. für Irrungen daraus entstehen mußten.

Es
B 3

3) Rud. II. neue Relig. Unruhen.
ein; ein beruͤhmter Rechtsgelehrter, Andreas Gail,
that daruͤber den Ausſpruch: Mit dem neuen
Calender iſt es Narrenwerk. Das Hauptwerk kam
aber darauf an: ob eine paͤbſtliche Vorſchrift hier-
in den Ausſchlag geben koͤnne? Weil von Berich-
tigung des Calenders auch die Beſtimmung der
Zeit des Oſterfeſtes und anderer Feiertage abhieng,
ſo ſah man es als einen kirchlichen Gegenſtand an.
Auf der Kirchenverſammlung zu Coſtnitz war des-
wegen ſchon davon die Rede geweſen. Endlich
hatte man zu Rom ſelbſt einige Aſtronomen die
Sache berechnen laßen. Und ſo glaubte der Pabſt,
die Sache aus ſeiner Gewalt durchſetzen zu koͤn-
nen. Das fand natuͤrlicher Weiſe bey allen pro-
teſtantiſchen Maͤchten Widerſpruch. Die Proteſtan-
ten blieben daher uͤberall bey dem bisherigen alten
Calender; zehlten alſo ihre Monathstage um 10.
Tage ſpaͤter, als die Catholiſchen.

In Reichen und Staaten, wo nur einerleyXIV.
Religionsverwandte waren, hatte es am Ende nicht
ſo viel zu bedeuten, welchem Calender man folgte.
Aber in einem Reiche, wie in Teutſchland, wo
auf dem Reichstage und bey vielen anderen Gele-
genheiten catholiſche und evangeliſche Staͤnde bey-
ſammen waren, oder in Staͤdten, wo von beider-
ley Religionen Einwohner waren, konnte es nicht
anders als vielerley Verwirrung machen, wenn
der eine Theil Oſtern, Pfingſten, Weinachten,
Neujahr u. ſ. w. zehn Tage eher oder ſpaͤter als
der andere feierte; ohne zu gedenken, was in an-
deren Dingen, die auf gewiſſe Tage beſtimmt wa-
ren, als in Wechſelſachen, Meſſen, Jahrmaͤrkten
u. ſ. w. fuͤr Irrungen daraus entſtehen mußten.

Es
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[21/0063] 3) Rud. II. neue Relig. Unruhen. ein; ein beruͤhmter Rechtsgelehrter, Andreas Gail, that daruͤber den Ausſpruch: Mit dem neuen Calender iſt es Narrenwerk. Das Hauptwerk kam aber darauf an: ob eine paͤbſtliche Vorſchrift hier- in den Ausſchlag geben koͤnne? Weil von Berich- tigung des Calenders auch die Beſtimmung der Zeit des Oſterfeſtes und anderer Feiertage abhieng, ſo ſah man es als einen kirchlichen Gegenſtand an. Auf der Kirchenverſammlung zu Coſtnitz war des- wegen ſchon davon die Rede geweſen. Endlich hatte man zu Rom ſelbſt einige Aſtronomen die Sache berechnen laßen. Und ſo glaubte der Pabſt, die Sache aus ſeiner Gewalt durchſetzen zu koͤn- nen. Das fand natuͤrlicher Weiſe bey allen pro- teſtantiſchen Maͤchten Widerſpruch. Die Proteſtan- ten blieben daher uͤberall bey dem bisherigen alten Calender; zehlten alſo ihre Monathstage um 10. Tage ſpaͤter, als die Catholiſchen. In Reichen und Staaten, wo nur einerley Religionsverwandte waren, hatte es am Ende nicht ſo viel zu bedeuten, welchem Calender man folgte. Aber in einem Reiche, wie in Teutſchland, wo auf dem Reichstage und bey vielen anderen Gele- genheiten catholiſche und evangeliſche Staͤnde bey- ſammen waren, oder in Staͤdten, wo von beider- ley Religionen Einwohner waren, konnte es nicht anders als vielerley Verwirrung machen, wenn der eine Theil Oſtern, Pfingſten, Weinachten, Neujahr u. ſ. w. zehn Tage eher oder ſpaͤter als der andere feierte; ohne zu gedenken, was in an- deren Dingen, die auf gewiſſe Tage beſtimmt wa- ren, als in Wechſelſachen, Meſſen, Jahrmaͤrkten u. ſ. w. fuͤr Irrungen daraus entſtehen mußten. Es XIV. B 3

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/63>, abgerufen am 24.11.2024.