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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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5) K. Gerichtb. in evang. geistl. Sach.
mit der geistlichen Girichtbarkeit überhaupt sowohl
in Ansehung der Evangelischen als Catholischen.
Von Seiten der letzteren hat nach ihren hierarchi-
schen Grundsätzen einem weltlichen Gerichte, ohne
selbst ein Sacrilegium zu begehen, keine geistliche
Gerichtbarkeit zugestanden werden können (k).
Ohne Einwilligung der Evangelischen konnte auch
diesen keine neue reichsgerichtliche Gerichtbarkeit
aufgedrungen werden. Sie hatten aber große Ur-
sache, ihre Einwilligung nicht dazu zu geben, weil
sonst doch immer catholische Richter in ihren geist-
lichen Sachen geblieben seyn würden, wovon das
Gegentheil eine der hauptsächlichsten Verordnun-
gen war, die sie im Religionsfrieden und West-
phälischen Frieden bewirket hatten.

Unter diesen beiden Friedensschlüssen war inVI.
Ansehung dessen, was sie von Aufhebung der geist-
lichen Gerichtbarkeit verordneten, doch noch ein
merklicher Unterschied. Im Religionsfrieden 1555.
war diese Aufhebung namentlich nur auf "der
Augsburgischen Confession Religion, Glauben,
Bestellung der Ministerien, Kirchengebräuche,
Ordnungen und Ceremonien" eingeschränkt. In
anderen Sachen und Fällen sollte die geistliche Ge-
richtbarkeit der Bischöfe oder anderer Prälaten so,
wie es an jedem Orte hergebracht sey, noch ferner
ausgeübt werden (l). Vermöge dieser Clausel
wollten die catholischen Bischöfe die Gerichtbarkeit
in protestantischen Ehesachen noch für sich behaup-
ten, weil unter denen Fällen, worin die geistliche

Gericht-
(k) Strube rechtl. Bed. Th. 2. S. 32.
(l) Oben Th. 1. S. 415.
D d 4

5) K. Gerichtb. in evang. geiſtl. Sach.
mit der geiſtlichen Girichtbarkeit uͤberhaupt ſowohl
in Anſehung der Evangeliſchen als Catholiſchen.
Von Seiten der letzteren hat nach ihren hierarchi-
ſchen Grundſaͤtzen einem weltlichen Gerichte, ohne
ſelbſt ein Sacrilegium zu begehen, keine geiſtliche
Gerichtbarkeit zugeſtanden werden koͤnnen (k).
Ohne Einwilligung der Evangeliſchen konnte auch
dieſen keine neue reichsgerichtliche Gerichtbarkeit
aufgedrungen werden. Sie hatten aber große Ur-
ſache, ihre Einwilligung nicht dazu zu geben, weil
ſonſt doch immer catholiſche Richter in ihren geiſt-
lichen Sachen geblieben ſeyn wuͤrden, wovon das
Gegentheil eine der hauptſaͤchlichſten Verordnun-
gen war, die ſie im Religionsfrieden und Weſt-
phaͤliſchen Frieden bewirket hatten.

Unter dieſen beiden Friedensſchluͤſſen war inVI.
Anſehung deſſen, was ſie von Aufhebung der geiſt-
lichen Gerichtbarkeit verordneten, doch noch ein
merklicher Unterſchied. Im Religionsfrieden 1555.
war dieſe Aufhebung namentlich nur auf ”der
Augsburgiſchen Confeſſion Religion, Glauben,
Beſtellung der Miniſterien, Kirchengebraͤuche,
Ordnungen und Ceremonien” eingeſchraͤnkt. In
anderen Sachen und Faͤllen ſollte die geiſtliche Ge-
richtbarkeit der Biſchoͤfe oder anderer Praͤlaten ſo,
wie es an jedem Orte hergebracht ſey, noch ferner
ausgeuͤbt werden (l). Vermoͤge dieſer Clauſel
wollten die catholiſchen Biſchoͤfe die Gerichtbarkeit
in proteſtantiſchen Eheſachen noch fuͤr ſich behaup-
ten, weil unter denen Faͤllen, worin die geiſtliche

Gericht-
(k) Strube rechtl. Bed. Th. 2. S. 32.
(l) Oben Th. 1. S. 415.
D d 4
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[423/0465] 5) K. Gerichtb. in evang. geiſtl. Sach. mit der geiſtlichen Girichtbarkeit uͤberhaupt ſowohl in Anſehung der Evangeliſchen als Catholiſchen. Von Seiten der letzteren hat nach ihren hierarchi- ſchen Grundſaͤtzen einem weltlichen Gerichte, ohne ſelbſt ein Sacrilegium zu begehen, keine geiſtliche Gerichtbarkeit zugeſtanden werden koͤnnen (k). Ohne Einwilligung der Evangeliſchen konnte auch dieſen keine neue reichsgerichtliche Gerichtbarkeit aufgedrungen werden. Sie hatten aber große Ur- ſache, ihre Einwilligung nicht dazu zu geben, weil ſonſt doch immer catholiſche Richter in ihren geiſt- lichen Sachen geblieben ſeyn wuͤrden, wovon das Gegentheil eine der hauptſaͤchlichſten Verordnun- gen war, die ſie im Religionsfrieden und Weſt- phaͤliſchen Frieden bewirket hatten. Unter dieſen beiden Friedensſchluͤſſen war in Anſehung deſſen, was ſie von Aufhebung der geiſt- lichen Gerichtbarkeit verordneten, doch noch ein merklicher Unterſchied. Im Religionsfrieden 1555. war dieſe Aufhebung namentlich nur auf ”der Augsburgiſchen Confeſſion Religion, Glauben, Beſtellung der Miniſterien, Kirchengebraͤuche, Ordnungen und Ceremonien” eingeſchraͤnkt. In anderen Sachen und Faͤllen ſollte die geiſtliche Ge- richtbarkeit der Biſchoͤfe oder anderer Praͤlaten ſo, wie es an jedem Orte hergebracht ſey, noch ferner ausgeuͤbt werden (l). Vermoͤge dieſer Clauſel wollten die catholiſchen Biſchoͤfe die Gerichtbarkeit in proteſtantiſchen Eheſachen noch fuͤr ſich behaup- ten, weil unter denen Faͤllen, worin die geiſtliche Gericht- VI. (k) Strube rechtl. Bed. Th. 2. S. 32. (l) Oben Th. 1. S. 415. D d 4

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/465>, abgerufen am 24.05.2024.