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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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3) Ius eundi in partes 1712-1727.

Einen sonderbaren Umstand darf ich endlichXXI.
bey allem dem, was ich bisher angeführt habe,
nicht noch unbemerkt laßen. So gefährlich viele
den Gebrauch dieses Rechts haben vorstellen wol-
len, da alle Augenblicke die besten Anstalten vom
evangelischen Religionstheile rückgängig gemacht
werden könnten; so offenbar zeigt die Geschichte
schon darin die Mäßigung und Vorsicht, womit
der evangelische Religionstheil zu diesem Mittel
schreitet, da seit dem Westphälischen Frieden bis
auf das Jahr 1712. kein namhafter Fall von der
Art vorgekommen war. Wohl aber war es son-
derbar gnug, daß in dem Vorfalle, den ich oben
(S. 284.) von der Reichstagsberathschlagung des
Jahres 1672. über die Besetzung einiger General-
majorsstellen erwehnt habe, der catholische Reli-
gionstheil selbst zuerst die Bahn gebrochen hat, wie
diese Stelle des Westphälischen Friedens zu benutzen
sey. Auch da war von keiner Religionssache die
Rede; auch da waren auf der catholischen Seite
nicht völlig einmüthige Stimmen; auch da waren
die einzelnen Stimmen schon im Reichsprotocolle,
als das catholische Corpus noch in besondere Be-
rathschlagung trat, und hernach seine Gesammter-
klärung abgab; auch da ward damit die Abfassung
des Schlusses, der sonst nach der Mehrheit der
Stimmen statt gefunden hätte, noch rückgängig ge-
macht; auch da blieb nichts anders übrig, als sich
zu vergleichen; oder die Stellen hätten ganz unbe-
setzt bleiben müßen. Was aber damals dem ca-
tholischen Religionstheile Recht war, muß auch
billig dem evangelischen für Recht gelten. So
spricht zugleich ein neuer Rechtsgrund einer gegen-

seiti-
C c 4
3) Ius eundi in partes 1712-1727.

Einen ſonderbaren Umſtand darf ich endlichXXI.
bey allem dem, was ich bisher angefuͤhrt habe,
nicht noch unbemerkt laßen. So gefaͤhrlich viele
den Gebrauch dieſes Rechts haben vorſtellen wol-
len, da alle Augenblicke die beſten Anſtalten vom
evangeliſchen Religionstheile ruͤckgaͤngig gemacht
werden koͤnnten; ſo offenbar zeigt die Geſchichte
ſchon darin die Maͤßigung und Vorſicht, womit
der evangeliſche Religionstheil zu dieſem Mittel
ſchreitet, da ſeit dem Weſtphaͤliſchen Frieden bis
auf das Jahr 1712. kein namhafter Fall von der
Art vorgekommen war. Wohl aber war es ſon-
derbar gnug, daß in dem Vorfalle, den ich oben
(S. 284.) von der Reichstagsberathſchlagung des
Jahres 1672. uͤber die Beſetzung einiger General-
majorsſtellen erwehnt habe, der catholiſche Reli-
gionstheil ſelbſt zuerſt die Bahn gebrochen hat, wie
dieſe Stelle des Weſtphaͤliſchen Friedens zu benutzen
ſey. Auch da war von keiner Religionsſache die
Rede; auch da waren auf der catholiſchen Seite
nicht voͤllig einmuͤthige Stimmen; auch da waren
die einzelnen Stimmen ſchon im Reichsprotocolle,
als das catholiſche Corpus noch in beſondere Be-
rathſchlagung trat, und hernach ſeine Geſammter-
klaͤrung abgab; auch da ward damit die Abfaſſung
des Schluſſes, der ſonſt nach der Mehrheit der
Stimmen ſtatt gefunden haͤtte, noch ruͤckgaͤngig ge-
macht; auch da blieb nichts anders uͤbrig, als ſich
zu vergleichen; oder die Stellen haͤtten ganz unbe-
ſetzt bleiben muͤßen. Was aber damals dem ca-
tholiſchen Religionstheile Recht war, muß auch
billig dem evangeliſchen fuͤr Recht gelten. So
ſpricht zugleich ein neuer Rechtsgrund einer gegen-

ſeiti-
C c 4
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[407/0449] 3) Ius eundi in partes 1712-1727. Einen ſonderbaren Umſtand darf ich endlich bey allem dem, was ich bisher angefuͤhrt habe, nicht noch unbemerkt laßen. So gefaͤhrlich viele den Gebrauch dieſes Rechts haben vorſtellen wol- len, da alle Augenblicke die beſten Anſtalten vom evangeliſchen Religionstheile ruͤckgaͤngig gemacht werden koͤnnten; ſo offenbar zeigt die Geſchichte ſchon darin die Maͤßigung und Vorſicht, womit der evangeliſche Religionstheil zu dieſem Mittel ſchreitet, da ſeit dem Weſtphaͤliſchen Frieden bis auf das Jahr 1712. kein namhafter Fall von der Art vorgekommen war. Wohl aber war es ſon- derbar gnug, daß in dem Vorfalle, den ich oben (S. 284.) von der Reichstagsberathſchlagung des Jahres 1672. uͤber die Beſetzung einiger General- majorsſtellen erwehnt habe, der catholiſche Reli- gionstheil ſelbſt zuerſt die Bahn gebrochen hat, wie dieſe Stelle des Weſtphaͤliſchen Friedens zu benutzen ſey. Auch da war von keiner Religionsſache die Rede; auch da waren auf der catholiſchen Seite nicht voͤllig einmuͤthige Stimmen; auch da waren die einzelnen Stimmen ſchon im Reichsprotocolle, als das catholiſche Corpus noch in beſondere Be- rathſchlagung trat, und hernach ſeine Geſammter- klaͤrung abgab; auch da ward damit die Abfaſſung des Schluſſes, der ſonſt nach der Mehrheit der Stimmen ſtatt gefunden haͤtte, noch ruͤckgaͤngig ge- macht; auch da blieb nichts anders uͤbrig, als ſich zu vergleichen; oder die Stellen haͤtten ganz unbe- ſetzt bleiben muͤßen. Was aber damals dem ca- tholiſchen Religionstheile Recht war, muß auch billig dem evangeliſchen fuͤr Recht gelten. So ſpricht zugleich ein neuer Rechtsgrund einer gegen- ſeiti- XXI. C c 4

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/449>, abgerufen am 25.11.2024.