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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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X. Carl der VI. 1711-1740.
sel zur Kirche wieder schicken, und den Heidelber-
gischen Catechismus (1720. May 16.) wieder frey
geben ließ; zugleich verlegte er aber auch seine Re-
sidenz jetzt von Heidelberg nach Manheim. In-
zwischen erließ der Kaiser am 12. Apr. 1720. über
die bisher von dem evangelischen Religionstheile
geschehenen Schritte ein Commissionsdecret, wo-
durch sich das gesammte evangelische Corpus genö-
thiget fand, in einem sehr nachdrücklichen Vor-
stellungsschreiben an den Kaiser (1720. Nov. 16.)
seine Grundsätze und Gerechtsame ausführlich zu
vertheidigen.


V.

Es fehlte nicht viel, daß es nicht zum Aus-
bruche eines förmlichen Religionskrieges gekommen
wäre, wenn nicht Georg der I. noch eine Art von
Convention vermittelt hätte, vermöge deren am
14. Nov. 1720. eine kaiserliche Verordnung er-
gieng, daß der Churfürst vorerst alle seit dem Ba-
dischen Frieden vorgenommene Religionsbeschwer-
den in den vorigen Stand herstellen sollte. Her-
nach war die Meynung, mit Erörterung und Her-
stellung der Beschwerden, die seit dem Ryßwicki-
schen Frieden vorgekommen waren, und so weiter
bis auf die Zeit des Nimweger und endlich des
Westphälischen Friedens zurückzugehen. -- Ein
Entwurf, der in so weit ganz der Sache gemäß zu
seyn schien, da bey der großen Menge der Reli-
gionsbeschwerden, wie sie sich überhaupt gehäuft
hatten, eher zu hoffen war, nach solcher rückgän-
gigen Ordnung der Zeit in eine gewisse Ordnung
damit zu kommen, als wenn man das ganze Chaos
auf einmal ohne weitere Abtheilung angreifen
wollte. Doch ward ausdrücklich ausbedungen,

daß

X. Carl der VI. 1711-1740.
ſel zur Kirche wieder ſchicken, und den Heidelber-
giſchen Catechismus (1720. May 16.) wieder frey
geben ließ; zugleich verlegte er aber auch ſeine Re-
ſidenz jetzt von Heidelberg nach Manheim. In-
zwiſchen erließ der Kaiſer am 12. Apr. 1720. uͤber
die bisher von dem evangeliſchen Religionstheile
geſchehenen Schritte ein Commiſſionsdecret, wo-
durch ſich das geſammte evangeliſche Corpus genoͤ-
thiget fand, in einem ſehr nachdruͤcklichen Vor-
ſtellungsſchreiben an den Kaiſer (1720. Nov. 16.)
ſeine Grundſaͤtze und Gerechtſame ausfuͤhrlich zu
vertheidigen.


V.

Es fehlte nicht viel, daß es nicht zum Aus-
bruche eines foͤrmlichen Religionskrieges gekommen
waͤre, wenn nicht Georg der I. noch eine Art von
Convention vermittelt haͤtte, vermoͤge deren am
14. Nov. 1720. eine kaiſerliche Verordnung er-
gieng, daß der Churfuͤrſt vorerſt alle ſeit dem Ba-
diſchen Frieden vorgenommene Religionsbeſchwer-
den in den vorigen Stand herſtellen ſollte. Her-
nach war die Meynung, mit Eroͤrterung und Her-
ſtellung der Beſchwerden, die ſeit dem Ryßwicki-
ſchen Frieden vorgekommen waren, und ſo weiter
bis auf die Zeit des Nimweger und endlich des
Weſtphaͤliſchen Friedens zuruͤckzugehen. — Ein
Entwurf, der in ſo weit ganz der Sache gemaͤß zu
ſeyn ſchien, da bey der großen Menge der Reli-
gionsbeſchwerden, wie ſie ſich uͤberhaupt gehaͤuft
hatten, eher zu hoffen war, nach ſolcher ruͤckgaͤn-
gigen Ordnung der Zeit in eine gewiſſe Ordnung
damit zu kommen, als wenn man das ganze Chaos
auf einmal ohne weitere Abtheilung angreifen
wollte. Doch ward ausdruͤcklich ausbedungen,

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[388/0430] X. Carl der VI. 1711-1740. ſel zur Kirche wieder ſchicken, und den Heidelber- giſchen Catechismus (1720. May 16.) wieder frey geben ließ; zugleich verlegte er aber auch ſeine Re- ſidenz jetzt von Heidelberg nach Manheim. In- zwiſchen erließ der Kaiſer am 12. Apr. 1720. uͤber die bisher von dem evangeliſchen Religionstheile geſchehenen Schritte ein Commiſſionsdecret, wo- durch ſich das geſammte evangeliſche Corpus genoͤ- thiget fand, in einem ſehr nachdruͤcklichen Vor- ſtellungsſchreiben an den Kaiſer (1720. Nov. 16.) ſeine Grundſaͤtze und Gerechtſame ausfuͤhrlich zu vertheidigen. Es fehlte nicht viel, daß es nicht zum Aus- bruche eines foͤrmlichen Religionskrieges gekommen waͤre, wenn nicht Georg der I. noch eine Art von Convention vermittelt haͤtte, vermoͤge deren am 14. Nov. 1720. eine kaiſerliche Verordnung er- gieng, daß der Churfuͤrſt vorerſt alle ſeit dem Ba- diſchen Frieden vorgenommene Religionsbeſchwer- den in den vorigen Stand herſtellen ſollte. Her- nach war die Meynung, mit Eroͤrterung und Her- ſtellung der Beſchwerden, die ſeit dem Ryßwicki- ſchen Frieden vorgekommen waren, und ſo weiter bis auf die Zeit des Nimweger und endlich des Weſtphaͤliſchen Friedens zuruͤckzugehen. — Ein Entwurf, der in ſo weit ganz der Sache gemaͤß zu ſeyn ſchien, da bey der großen Menge der Reli- gionsbeſchwerden, wie ſie ſich uͤberhaupt gehaͤuft hatten, eher zu hoffen war, nach ſolcher ruͤckgaͤn- gigen Ordnung der Zeit in eine gewiſſe Ordnung damit zu kommen, als wenn man das ganze Chaos auf einmal ohne weitere Abtheilung angreifen wollte. Doch ward ausdruͤcklich ausbedungen, daß

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/430>, abgerufen am 22.11.2024.