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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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IX. Leop. u. Joseph I. 1657-1711.
waren da Herren und Land zusammen einerley Re-
ligion; Beide verlangten nicht mehr zum catholi-
schen Religionstheile gerechnet zu werden. Jetzt
kamen die Fälle ganz anders. Die Länder waren
und blieben evangelisch, wünschten wenigstens nichts
sehnlicher, als in ihrer bisherigen Religion unbe-
drängt gelaßen zu werden. Bloß die Person des
Landesherrn gieng zur catholischen Religion über.
Sollte deswegen nun das ganze Land auf hören der
evangelischen Religion zugethan zu seyn?


X.

Freylich gab es jetzt Leute, die eine solche Spra-
che führten, daß die Unterthanen schuldig seyen,
den Weg zur Seligkeit, den ihnen ihr Landesherr
vorzeichnete, mit zu gehen (o). Oder man warf
auch wohl die Frage auf: ob es billig sey nach der
Religion des Bauern oder des Landesherrn die Re-
ligionseigenschaft des Landes zu beurtheilen? Aber
wer nur mit kaltem Blute darüber nachzudenken
vermag, der stelle sich nur in Gedanken den Fall
vor: wie wenn dein Landesherr ein Mahomedaner,
ein Naturalist, ein Quäker, Menonist oder was
dir sonst noch etwa für ein widriger Religionsname

ein-
(o) So kam z. B. in einem gräflich Schwarzen-
bergischen Memoriale im Aug. 1647. folgende Stel-
le vor: -- "Und ist unwidersprechlich, daß ei-
"nem jeden Stande -- frey und bevorstehe, seine
"von Gott ihm anvertraute Unterthanen ohne ei-
"niges Absehen -- auf eben dem Wege, in wel-
"chem er vor seine selbsteigne Person die Seligkeit
"zu erlangen getrauet, zu leiten und zu führen;
"zumal sich nichts mehr geziemet, als daß der Un-
"terthan seiner Obrigkeit und seinem Herrn folge,
"und seine Religion amplectire." Meiern West-
phäl. Friedenshandl. Th. 5. S. 346.

IX. Leop. u. Joſeph I. 1657-1711.
waren da Herren und Land zuſammen einerley Re-
ligion; Beide verlangten nicht mehr zum catholi-
ſchen Religionstheile gerechnet zu werden. Jetzt
kamen die Faͤlle ganz anders. Die Laͤnder waren
und blieben evangeliſch, wuͤnſchten wenigſtens nichts
ſehnlicher, als in ihrer bisherigen Religion unbe-
draͤngt gelaßen zu werden. Bloß die Perſon des
Landesherrn gieng zur catholiſchen Religion uͤber.
Sollte deswegen nun das ganze Land auf hoͤren der
evangeliſchen Religion zugethan zu ſeyn?


X.

Freylich gab es jetzt Leute, die eine ſolche Spra-
che fuͤhrten, daß die Unterthanen ſchuldig ſeyen,
den Weg zur Seligkeit, den ihnen ihr Landesherr
vorzeichnete, mit zu gehen (o). Oder man warf
auch wohl die Frage auf: ob es billig ſey nach der
Religion des Bauern oder des Landesherrn die Re-
ligionseigenſchaft des Landes zu beurtheilen? Aber
wer nur mit kaltem Blute daruͤber nachzudenken
vermag, der ſtelle ſich nur in Gedanken den Fall
vor: wie wenn dein Landesherr ein Mahomedaner,
ein Naturaliſt, ein Quaͤker, Menoniſt oder was
dir ſonſt noch etwa fuͤr ein widriger Religionsname

ein-
(o) So kam z. B. in einem graͤflich Schwarzen-
bergiſchen Memoriale im Aug. 1647. folgende Stel-
le vor: — ”Und iſt unwiderſprechlich, daß ei-
„nem jeden Stande — frey und bevorſtehe, ſeine
„von Gott ihm anvertraute Unterthanen ohne ei-
„niges Abſehen — auf eben dem Wege, in wel-
„chem er vor ſeine ſelbſteigne Perſon die Seligkeit
„zu erlangen getrauet, zu leiten und zu fuͤhren;
„zumal ſich nichts mehr geziemet, als daß der Un-
„terthan ſeiner Obrigkeit und ſeinem Herrn folge,
„und ſeine Religion amplectire.” Meiern Weſt-
phaͤl. Friedenshandl. Th. 5. S. 346.
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[348/0390] IX. Leop. u. Joſeph I. 1657-1711. waren da Herren und Land zuſammen einerley Re- ligion; Beide verlangten nicht mehr zum catholi- ſchen Religionstheile gerechnet zu werden. Jetzt kamen die Faͤlle ganz anders. Die Laͤnder waren und blieben evangeliſch, wuͤnſchten wenigſtens nichts ſehnlicher, als in ihrer bisherigen Religion unbe- draͤngt gelaßen zu werden. Bloß die Perſon des Landesherrn gieng zur catholiſchen Religion uͤber. Sollte deswegen nun das ganze Land auf hoͤren der evangeliſchen Religion zugethan zu ſeyn? Freylich gab es jetzt Leute, die eine ſolche Spra- che fuͤhrten, daß die Unterthanen ſchuldig ſeyen, den Weg zur Seligkeit, den ihnen ihr Landesherr vorzeichnete, mit zu gehen (o). Oder man warf auch wohl die Frage auf: ob es billig ſey nach der Religion des Bauern oder des Landesherrn die Re- ligionseigenſchaft des Landes zu beurtheilen? Aber wer nur mit kaltem Blute daruͤber nachzudenken vermag, der ſtelle ſich nur in Gedanken den Fall vor: wie wenn dein Landesherr ein Mahomedaner, ein Naturaliſt, ein Quaͤker, Menoniſt oder was dir ſonſt noch etwa fuͤr ein widriger Religionsname ein- (o) So kam z. B. in einem graͤflich Schwarzen- bergiſchen Memoriale im Aug. 1647. folgende Stel- le vor: — ”Und iſt unwiderſprechlich, daß ei- „nem jeden Stande — frey und bevorſtehe, ſeine „von Gott ihm anvertraute Unterthanen ohne ei- „niges Abſehen — auf eben dem Wege, in wel- „chem er vor ſeine ſelbſteigne Perſon die Seligkeit „zu erlangen getrauet, zu leiten und zu fuͤhren; „zumal ſich nichts mehr geziemet, als daß der Un- „terthan ſeiner Obrigkeit und ſeinem Herrn folge, „und ſeine Religion amplectire.” Meiern Weſt- phaͤl. Friedenshandl. Th. 5. S. 346.

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/390>, abgerufen am 17.05.2024.