1690. und 1716., die Religionsbedrückungen zu- nahmen.
Wie sehr auf solche Art der ReligionszustandVI. eines ganzen Landes schon mit etlichen Generatio- nen gänzlich umgekehrt werden könne, zeigt freylich eben das Beyspiel. Forscht man aber noch tiefer nach, wer am Ende eigentlich Vortheil davon hat; so zeigte sich allerdings ein nicht geringer Vortheil für diejenigen, deren Absicht auf nichts geringeres, als auf Beherrschung der ganzen Welt gerichtet war, und die dazu den Grundsatz, daß außer der Kirche kein Heil zu finden, das Heil der Kirche aber über alles zu setzen sey, nach ihrer Absicht wohl zu benutzen wußten. Aber ob die Aufnahme des Landes, ob das wahre Wohl des Fürsten da- bey gewann? das war eine andere Frage. Eine genaue Berechnung der Auswanderungen aus der Pfalz würde hier vielleicht den besten Aufschluß ge- ben können.
Doch ein Umstand kam nun noch in Betrach-VII. tung, der in unsern Reichsgrundgesetzen bisher noch nicht bestimmt worden war, und in Ansehung des- sen das bisherige Herkommen auf einer großen Mißdeutung zu beruhen schien. Nehmlich von Anfang der Religionstrennung war es zwar gesche- hen, daß, sobald sich ein Reichsstand zur evange- lischen Religion bekannte, derselbe auf der Reichs- versammlung oder in anderen reichsständischen Zu- sämmenkünften, in Fällen, wo beide Religions- theile sich trennten und jeder unter sich besondere Berathschlagungen anstellte, sich nicht mehr zum catholischen, sondern zum evangelischen Religions-
theile
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10) Religionsveraͤnderungen.
1690. und 1716., die Religionsbedruͤckungen zu- nahmen.
Wie ſehr auf ſolche Art der ReligionszuſtandVI. eines ganzen Landes ſchon mit etlichen Generatio- nen gaͤnzlich umgekehrt werden koͤnne, zeigt freylich eben das Beyſpiel. Forſcht man aber noch tiefer nach, wer am Ende eigentlich Vortheil davon hat; ſo zeigte ſich allerdings ein nicht geringer Vortheil fuͤr diejenigen, deren Abſicht auf nichts geringeres, als auf Beherrſchung der ganzen Welt gerichtet war, und die dazu den Grundſatz, daß außer der Kirche kein Heil zu finden, das Heil der Kirche aber uͤber alles zu ſetzen ſey, nach ihrer Abſicht wohl zu benutzen wußten. Aber ob die Aufnahme des Landes, ob das wahre Wohl des Fuͤrſten da- bey gewann? das war eine andere Frage. Eine genaue Berechnung der Auswanderungen aus der Pfalz wuͤrde hier vielleicht den beſten Aufſchluß ge- ben koͤnnen.
Doch ein Umſtand kam nun noch in Betrach-VII. tung, der in unſern Reichsgrundgeſetzen bisher noch nicht beſtimmt worden war, und in Anſehung deſ- ſen das bisherige Herkommen auf einer großen Mißdeutung zu beruhen ſchien. Nehmlich von Anfang der Religionstrennung war es zwar geſche- hen, daß, ſobald ſich ein Reichsſtand zur evange- liſchen Religion bekannte, derſelbe auf der Reichs- verſammlung oder in anderen reichsſtaͤndiſchen Zu- ſaͤmmenkuͤnften, in Faͤllen, wo beide Religions- theile ſich trennten und jeder unter ſich beſondere Berathſchlagungen anſtellte, ſich nicht mehr zum catholiſchen, ſondern zum evangeliſchen Religions-
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10) Religionsveraͤnderungen.
1690. und 1716., die Religionsbedruͤckungen zu-
nahmen.
Wie ſehr auf ſolche Art der Religionszuſtand
eines ganzen Landes ſchon mit etlichen Generatio-
nen gaͤnzlich umgekehrt werden koͤnne, zeigt freylich
eben das Beyſpiel. Forſcht man aber noch tiefer
nach, wer am Ende eigentlich Vortheil davon hat;
ſo zeigte ſich allerdings ein nicht geringer Vortheil
fuͤr diejenigen, deren Abſicht auf nichts geringeres,
als auf Beherrſchung der ganzen Welt gerichtet
war, und die dazu den Grundſatz, daß außer der
Kirche kein Heil zu finden, das Heil der Kirche
aber uͤber alles zu ſetzen ſey, nach ihrer Abſicht
wohl zu benutzen wußten. Aber ob die Aufnahme
des Landes, ob das wahre Wohl des Fuͤrſten da-
bey gewann? das war eine andere Frage. Eine
genaue Berechnung der Auswanderungen aus der
Pfalz wuͤrde hier vielleicht den beſten Aufſchluß ge-
ben koͤnnen.
VI.
Doch ein Umſtand kam nun noch in Betrach-
tung, der in unſern Reichsgrundgeſetzen bisher noch
nicht beſtimmt worden war, und in Anſehung deſ-
ſen das bisherige Herkommen auf einer großen
Mißdeutung zu beruhen ſchien. Nehmlich von
Anfang der Religionstrennung war es zwar geſche-
hen, daß, ſobald ſich ein Reichsſtand zur evange-
liſchen Religion bekannte, derſelbe auf der Reichs-
verſammlung oder in anderen reichsſtaͤndiſchen Zu-
ſaͤmmenkuͤnften, in Faͤllen, wo beide Religions-
theile ſich trennten und jeder unter ſich beſondere
Berathſchlagungen anſtellte, ſich nicht mehr zum
catholiſchen, ſondern zum evangeliſchen Religions-
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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/387>, abgerufen am 31.08.2024.
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