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Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

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IX. Leop. u. Joseph I. 1657-1711.
für den Kaiser, wenn er da wäre, bestimmt ist.
Auch die Hauptproposition, womit der Reichs-
tag (ungefähr so, wie das Parlament zu London
mit der königlichen Anrede) eröffnet ward, ließ der
Principalcommissarius verlesen. Was außer der
Hauptproposition der Kaiser dem Reiche von Zeit
zu Zeit zu eröffnen hat, geschieht durch kaiserliche
Hofdecrete, die nur zu Regensburg im Namen
des Principalcommissarien umgefertiget, und von
ihm unterschrieben werden. Alsdann nennt man
sie kaiserliche Commissionsdecrete. Wenn aber
der Principalcommissarius nicht zu Regensburg
selbst anwesend ist, darf der Concommissarius an
seiner Stelle die Unterschrift nicht besorgen; son-
dern so wird unmittelbar vom kaiserlichen Hofe das
Hofdecret mit der Unterschrift des Reichsvicecanz-
lers an den Reichstag geschickt.


XIV.

In dem Hofe, den der Principalcommissarius
hält, in feierlichen Gastgeboten und Gesellschaf-
ten, die er gibt, und in den verschiedenen Stuf-
fen der Ehrenbezeigungen, die da einem jeden wi-
derfahren, vereiniget sich nun der Mittelpunct des
ganzen Ceremoniels, wie es am Reichstage viel-
leicht mehr, als an irgend einem andern Orte, mit
aller Pünctlichkeit beobachtet zu werden pfleget.
Wenigstens werden kaum irgend von anderen Or-
ten so vielerley Ceremonielstreitigkeiten aufzuweisen
seyn, als sie hier vorgekommen sind, und noch im-
mer vorzukommen pflegen. -- Hier war es eben,
wo in den ersten Jahren des jetzigen Reichstages
der Unterschied zwischen churfürstlichen und fürstli-
chen Gesandten so weit getrieben wurde, daß letz-
tere bey der Tafel so gar nur auf grünen Stühlen

sitzen

IX. Leop. u. Joſeph I. 1657-1711.
fuͤr den Kaiſer, wenn er da waͤre, beſtimmt iſt.
Auch die Hauptpropoſition, womit der Reichs-
tag (ungefaͤhr ſo, wie das Parlament zu London
mit der koͤniglichen Anrede) eroͤffnet ward, ließ der
Principalcommiſſarius verleſen. Was außer der
Hauptpropoſition der Kaiſer dem Reiche von Zeit
zu Zeit zu eroͤffnen hat, geſchieht durch kaiſerliche
Hofdecrete, die nur zu Regensburg im Namen
des Principalcommiſſarien umgefertiget, und von
ihm unterſchrieben werden. Alsdann nennt man
ſie kaiſerliche Commiſſionsdecrete. Wenn aber
der Principalcommiſſarius nicht zu Regensburg
ſelbſt anweſend iſt, darf der Concommiſſarius an
ſeiner Stelle die Unterſchrift nicht beſorgen; ſon-
dern ſo wird unmittelbar vom kaiſerlichen Hofe das
Hofdecret mit der Unterſchrift des Reichsvicecanz-
lers an den Reichstag geſchickt.


XIV.

In dem Hofe, den der Principalcommiſſarius
haͤlt, in feierlichen Gaſtgeboten und Geſellſchaf-
ten, die er gibt, und in den verſchiedenen Stuf-
fen der Ehrenbezeigungen, die da einem jeden wi-
derfahren, vereiniget ſich nun der Mittelpunct des
ganzen Ceremoniels, wie es am Reichstage viel-
leicht mehr, als an irgend einem andern Orte, mit
aller Puͤnctlichkeit beobachtet zu werden pfleget.
Wenigſtens werden kaum irgend von anderen Or-
ten ſo vielerley Ceremonielſtreitigkeiten aufzuweiſen
ſeyn, als ſie hier vorgekommen ſind, und noch im-
mer vorzukommen pflegen. — Hier war es eben,
wo in den erſten Jahren des jetzigen Reichstages
der Unterſchied zwiſchen churfuͤrſtlichen und fuͤrſtli-
chen Geſandten ſo weit getrieben wurde, daß letz-
tere bey der Tafel ſo gar nur auf gruͤnen Stuͤhlen

ſitzen
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[266/0308] IX. Leop. u. Joſeph I. 1657-1711. fuͤr den Kaiſer, wenn er da waͤre, beſtimmt iſt. Auch die Hauptpropoſition, womit der Reichs- tag (ungefaͤhr ſo, wie das Parlament zu London mit der koͤniglichen Anrede) eroͤffnet ward, ließ der Principalcommiſſarius verleſen. Was außer der Hauptpropoſition der Kaiſer dem Reiche von Zeit zu Zeit zu eroͤffnen hat, geſchieht durch kaiſerliche Hofdecrete, die nur zu Regensburg im Namen des Principalcommiſſarien umgefertiget, und von ihm unterſchrieben werden. Alsdann nennt man ſie kaiſerliche Commiſſionsdecrete. Wenn aber der Principalcommiſſarius nicht zu Regensburg ſelbſt anweſend iſt, darf der Concommiſſarius an ſeiner Stelle die Unterſchrift nicht beſorgen; ſon- dern ſo wird unmittelbar vom kaiſerlichen Hofe das Hofdecret mit der Unterſchrift des Reichsvicecanz- lers an den Reichstag geſchickt. In dem Hofe, den der Principalcommiſſarius haͤlt, in feierlichen Gaſtgeboten und Geſellſchaf- ten, die er gibt, und in den verſchiedenen Stuf- fen der Ehrenbezeigungen, die da einem jeden wi- derfahren, vereiniget ſich nun der Mittelpunct des ganzen Ceremoniels, wie es am Reichstage viel- leicht mehr, als an irgend einem andern Orte, mit aller Puͤnctlichkeit beobachtet zu werden pfleget. Wenigſtens werden kaum irgend von anderen Or- ten ſo vielerley Ceremonielſtreitigkeiten aufzuweiſen ſeyn, als ſie hier vorgekommen ſind, und noch im- mer vorzukommen pflegen. — Hier war es eben, wo in den erſten Jahren des jetzigen Reichstages der Unterſchied zwiſchen churfuͤrſtlichen und fuͤrſtli- chen Geſandten ſo weit getrieben wurde, daß letz- tere bey der Tafel ſo gar nur auf gruͤnen Stuͤhlen ſitzen

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Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/308>, abgerufen am 17.05.2024.